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Diese zwei Begriffe, „Friedfertigkeit“ und „ein gutes Wort einlegen“, scheinen aus der Mode gekommen zu sein. Wie denkt ihr darüber? Sprechen Lehrer mit ihren Schülerinnen und Schülern, jungen und älteren, altersgemäß über die Kunst, Beziehungen einzugehen, zu führen und zu halten?

Die Kinder und Erwachsenen untereinander, in Partnerschaften und in der Familie, in Teams, in der Gemeinde oder Belegschaft, in Aussprachen jedweder Art und natürlich auch bei allen Arten von Verträgen und bei Vertragsbruch: Wissen sie, dass Sich-Aussprechen, Mitteilen, Mit-Worten-Kommunizieren eine zu erlernende, zu übende Kunst ist?

Gerade ringe ich mich dazu durch, Coachings und Begleitung anzubieten bei partnerschaftlichen Verträgen, Richtlinien zum häuslichen Zusammenleben, Verhalten in der erweiterten Familie, bei akuten oder zurückliegenden zwischenmenschlichen Problemen, egal wo. Das hatte ich schon lange vor. Immer geht es darum, gehört zu werden mit dem eigenen Standpunkt und das Zuhören bei einer eventuell extrem entgegengesetzten „Sichtweise zu üben. Der Punkt ist doch der: Mir hört einfach keiner zu, wenn ich schreie und den anderen erniedrige. Vielleicht tut man so, als ob man zuhöre, wie Untergebene und Kinder das praktizieren. Aber einem Standpunkt zuhören, aufgeschlossen womöglich, der unserem eigenen zuwiderläuft, wenn er uns aufgedrückt, aufgezwängt wird, das ist unmöglich. Das heißt, es geht gar nicht mehr um die Sache, um Argumente – die werden hinterher an den Haaren herbeigezogen –, es geht darum, im Recht zu sein, das Selbstbild zu wahren, das man von sich hat, Spannungen loswerden zu können, ohne dafür zur Rechenschaft gezogen zu werden.

Beim Lesen und Wiederkäuen der aufgestellten Behauptungen wird klar, wie wenig wir ausrichten können, denn Spannungen wurden und werden mit Vorliebe an Schwächeren, Jüngeren, Abhängigen ausgetobt, die sich nicht wehren können oder nicht mit voller Kraft. Dieses jedoch weiß die Person, die die Beherrschung verliert und herumprollt, ganz genau. Diese Bereitschaft der Untergebenen, Zugeständnisse zu machen, ja vielleicht die Situation der schamlosen Ausnutzung für beide herunterzuspielen, damit der Status quo nicht gefährdet wird (der Arbeitsplatz, die Beziehung, die Art, wie man sich selbst sieht usw.), ist nur allzu verständlich. Der Mensch bestimmt einfach gerne selbst, ob, wann und wie er seine Umstände ändert.

Was wir dabei unterschätzen, wenn wir sagen, Ausnutzung würde es immer geben, sind zwei ganz wesentliche Punkte, die miteinander in Verbindung stehen. Jeder Mensch, der oder die Unrecht benennt und anprangert, dabei aber Selbstbeherrschung beweist und nun ihrerseits diese Situation nicht ausnutzt, um tiefe Befriedigung daraus zu ziehen, zündet ein Licht für alle an, die von dieser Beherztheit erfahren oder sie sehen. Nur Friedfertigkeit schafft es, auf Rache zu verzichten, Triumphgefühle kleinzuhalten. Vielmehr ist sich die konfrontierende Person darüber im Klaren, dass auch sie selbst schon Zwang ausgeübt hat. Dass Ausgleich dem Frieden dient und nicht der Stammesfehde und der Überlegenheit.

Das Ziel im Geist oder real ist, dass man die Person, die wiederholt Vertrauen ausgenutzt hat sowie natürlich die geschädigte Person selbst, sprechen und ausreden lässt, auch wenn es Jahre dauert. Dass wir bereit sind, „das Kriegsbeil“ zwischen uns zu begraben oder andere einzuladen, genau dies zu tun. Dass wir Profis hinzuziehen, besser nicht aus dem eigenen Stamm. Dass man „ein gutes Wort“ einlegen lässt.

Übersetzer*innen sind dazu da, dass Menschen, die in einer uns unbekannten Sprache sprechen, und das muss nicht immer eine Fremdsprache sein, gehört und verstanden werden. Ein edler, sehr verantwortungsvoller Beruf. Oder Berufung. Therapeut*innen und Heiler*innen, Seelsorger*innen sind auch Übersetzer*innen. Im besten Falle. Sie denken und fühlen sich ein in die Seele eines anderen. Mediator*innen, Streitschlichter*innen, solche, die „ein gutes Wort einlegen“, sollten diese „angewandte Friedfertigkeit“ beherrschen.

Blog Winkelmann friedfertigkeit c unsplash

In der kontemplativen Praxis der Stille ist es möglich, Spannungen wahrzunehmen – wir sind uns oft der körperlichen Zustände nicht bewusst! – und zu lösen. Arbeit mit den Slogans (Lojong), die Metta-Übung und Tonglen können wirksam in mir und anderen – wir sind alle eins! – Friedfertigkeit erzeugen. Jedoch geht es mir persönlich so, dass ich die Praxis in der Stille mit der Praxis geschickter Kommunikation im Wort verbinden möchte. Großartigen buddhistischen Lehrern und Lehrerinnen hätte man manchmal ein Mehr an sozialer Kompetenz, Professionalität im Gruppenleiten, moderne Auffassungen über partnerschaftliches Lehren und Lernen, Trainings in Konfliktfähigkeit und Konfliktlösungskompetenz sowie Aufarbeitung eigener Traumata gewünscht. Das kann man bzw. frau heutzutage alles berufsbegleitend machen, um sich zu nähren, weiterzubilden, auf gesunde Weise zu wachsen und zu reifen.

All das Gesagte hoffe ich, genügend zu tun, als selbst Leitende. Derzeit nehme ich wieder Supervision, weil ich mich nach dem Sterben meiner Mutter und anderen drastischen Verlusterfahrungen bedürftig fühle. In meinen Gruppen und evtl. mit Klientinnen und Klienten spreche ich darüber, weil wir im Allgemeinen zu wenig für uns Sorge tragen. Anders als vielleicht Buddha oder einige Lehrer*innen, die ich persönlich kenne oder deren Bücher ich gelesen habe, finde ich, dass Unabhängigkeit als Wert zu stark herausgestellt wird. Ignoriert wird dabei, aus meiner Sicht, dass Bindung und Abhängigkeit Fähigkeiten sind, Ressourcen, die uns Menschen reifen lassen und zu gesunder Unabhängigkeit führen. Sammeln sich in spirituellen, religiösen Gemeinschaften vielleicht Menschen mit sozialen Schwierigkeiten, Phobien? Sie wären mangelhafte Ratgeber für uns Menschen in der Welt der Beziehungen, Freundschaften, Liebesbeziehungen, als Eltern und als Vorbilder. Ich sehe, dass wir in echten Begegnungen wachsen, im Dialog, in Gruppen, die auf geteilten Werten basieren, aber auch überall, wo Menschen sind, können wir Licht sein. Friedfertigkeit üben. Ein gutes Wort einlegen für Menschen, die gerade abgewertet oder auch zu Unrecht aufgewertet werden. Beides ergibt ein schiefes Bild. Ich denke hier an meinen Großvater und meine Großmutter, die Fremdarbeiter*innen in mehreren Fabriken beschäftigten, und auch nach dem Krieg keine Reue zeigten, jedenfalls habe ich nie davon gehört, so sehr ich mich danach sehnte. Friedfertigkeit heißt nicht, dass wir die Augen schließen, wie zuweilen bei den Dummheiten unserer Kinder.

Manchmal oder oft muss man sich erst auseinandersetzen und einander in die Augen blicken, um sich später (vielleicht) wieder zusammensetzen zu können. Sich friedfertig trennen – auch das gehört zur Lebenskunst.

Weitere Beiträge von Monika Winkelmann finden Sie hier.

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Monika Winkelmann

Monika Winkelmann

Monika Winkelmann, geboren 1952, Mutter einer erwachsenen Tochter, geschieden seit 2019, hat 1980 mit 28 Jahren ihr erstes Meditationswochenende in Hamburg besucht. Diese tiefgreifende Erfahrung sowie ihr Leben als Alleinerziehende der Tochter Lisa, geb. 1984,  bewirkten, dass sie viele Jahre a...
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