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Man traut sich kaum, das japanische Wort „ Kintsugi “* leichthin zu verwenden, das als Technik einer besonders feinen Porzellanreparatur sehr bekannt geworden ist.

Dennoch, wir müssen es hier tun, um etwas zu veranschaulichen, was ich gestern auf Facebook sah und was mich zutiefst beeindruckte. In Portland, einer Stadt an der Westküste der USA, postete eine gute Freundin und begabte Sozialaktivistin, die auch aus den Lehren Buddhas schöpft, wie dort der Ermordung eines Schwarzen Mannes gedacht wurde. Schon seit Jahren beeindrucken mich die Aktionen der sehr divers erscheinenden Stadt oder des entsprechend bunten Viertels, das ich immer wieder zu sehen bekam. Ich möchte Ihnen einige Aktionsformen schildern:

In Stille sitzen in der Stadt: Aber nicht kurz, sondern Stunden, vielleicht einen Tag lang. Man konnte überall Menschen sitzen sehen, auf Matten und Sitzkissen, auf einer Decke oder einfach auf der Wiese eines kleinen Parks. Auf Bänken. Auf dem Gehweg, ohne die Fußgänger zu blockieren. Oft waren dabei selbst gefertigte Plakate oder Bilder zu sehen, oder jemand hatte noch etwas mit Kreide auf den Weg gemalt oder geschrieben. Man konnte Menschen allen Alters und aller Hautfarben sehen, oft normal unauffällig gekleidet oder bunt und schrill. Schon vom bloßen Zusehen bekam man eine Gänsehaut von der Dichte und Ernsthaftigkeit des Anliegens.

Kintsugi

Stets waren auch künstlerische Darbietungen zu sehen oder zu hören oder es wurde darauf hingewiesen. Jede:r war offensichtlich eingeladen, das Seine oder Ihre beizutragen. Disziplin, Stille, Ausdauer waren gepaart mit künstlerischem Selbstausdruck, politischer Aussage sowie mit Ausgelassenheit und Feier. Ich finde das Angebot ungeheuer kraftvoll und wegweisend, weil viele Menschen darin erreicht werden können, auch die, die keine Zeit haben und das Geschehen nur bezeugen.

Gestern nun sah ich ein Foto, das mich in den Bann schlug. Nicht nur die Umrisse des erschossenen Mannes waren mit einem kräftigen goldenen Strich nachgezeichnet, sondern auch die „Verwundungen“ der Straße: Risse, Einschusslöcher, vielleicht Stellen, wo Blutlachen entstanden waren, wurden mit Gold wie mit Balsam bestrichen. Mir war nach Weinen, aber ohne tatsächlich weinen zu müssen. Eine heilige Empfindung. Ich kann mich nicht entsinnen, eine solche ästhetische Erfahrung von Heilung im öffentlichen Raum gemacht zu haben. Joseph Beuys mag so etwas Ähnliches ausgelöst haben. Auch Christo und seine Gefährtin, vielleicht.
Noch während ich dem nachspüre, bebt mein Herz ganz zart.

* „Kin“: gold, golden; „tsugi“: reparieren, flicken

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Bilder © unsplash

Monika Winkelmann

Monika Winkelmann

Monika Winkelmann, geboren 1952, Mutter einer erwachsenen Tochter, geschieden seit 2019, hat 1980 mit 28 Jahren ihr erstes Meditationswochenende in Hamburg besucht. Diese tiefgreifende Erfahrung sowie ihr Leben als Alleinerziehende der Tochter Lisa, geb. 1984,  bewirkten, dass sie viele Jahre a...
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