Was ist ein guter Mensch? Welche Aufgaben bringt „gut sein“ mit sich? Wie schaffe ich es, ein guter Mensch zu werden? Welche Fehler sollte ich vermeiden?
MoonHee beantwortet hier Fragen des alltäglichen Lebens oder Fragen, die ihr schon immer einmal stellen wolltet. In ihrem ersten Beitrag „Wie geht es dir heute? Danke, gut!“ findet ihr mehr Informationen dazu.
Antwort MoonHee:
„Ein Riss in der Wand lässt Wind hinein; ein Riss im Geist lässt Dämonen hinein“, Alain M. Lafon.
Ein Riss teilt und verletzt etwas, was ursprünglich ganz war. Anstatt Einheit ist Zweiheit. Und wo zwei sind, kann es keinen Frieden geben. Sind wir nicht in Frieden, also nicht eins, dann sind wir angreifbar, und Dämonen dringen in unseren Geist ein.
Da es im Wesen der Dämonen liegt, uns über unsere wahre Selbstnatur zu täuschen, glauben wir, dass der Riss, die Verletzung, Wirklichkeit sei. Der Fehler, den wir begehen, ist, dass wir die Dämonen als nicht real, jedoch die Täuschung als real ansehen. Die Konsequenz ist eine dualistische Weltanschauung, der ein Leben in Trennung und Spaltung folgt.
Sich seiner wahren und einen Selbstnatur nicht bewusst zu sein, führt zu Egoismus, Anhaftung und zu einem Leiden, das vermeidbar wäre. Der Mensch ist ich-bezogen, weil er sich selbst nicht hat bzw. weil er nicht ist. In seiner Selbstentfremdung fühlt er sich fehler- und mangelhaft. Das Gefühl der Unzulänglichkeit ist der Nährboden für Laster, Misstrauen, Süchte, Gleichgültigkeit, Bequemlichkeit, Oberflächlichkeit, Wut und Gewalt. Alle diese negativen Eigenschaften sind Ausdrucksformen des Egoismus. Egoismus ist keine überzogene Selbstliebe, sondern Selbstentfremdung und Verblendung: Die eine Wirklichkeit wird nicht als das gesehen, was sie ist, sondern ist durch individuell persönliche Vorstellungen und Prägungen in unendlich viele Teile zersplittert und verstellt.
Doch das Gute ist das Wahre. Das Gutsein des Menschen liegt also in der Wahrheit, in dem Wissen über unsere wahre Selbstnatur. Diese setzt das Loslassen aller mentalen Trennungen und Grenzen voraus, denn die Wahrheit, und somit das Gute, ist EINE. Es gibt nur eine Wahrheit und nicht, wie wir denken, viele. Wahrheit, Wirklichkeit und das Gute sind universell und nicht individuell. Als reine Universalität sind sie von meiner Selbstnatur weder verschieden noch getrennt. Meine Selbstnatur ist Wirklichkeit, und Wirklichkeit schließt das ganze Universum ein. In dem ich in die eine Wahrheit eintauche, erfahre ich mich selbst als die eine allumfassende Wirklichkeit. Die Welt und ich sind eins. Die Wirklichkeit ist im Gegensatz zur Realität nicht starr, sondern dynamisch – denn sie ist nur als das alles umfassende Ganze Wirklichkeit. Nicht nur, dass alles im unendlichen großen Einen inkludiert ist, steht alles in Abhängigkeit und Wechselwirkung zueinander. Das, was wirklich ist – das Gute – ist relational.
Der Egoist oder der Selbstentfremdete glaubt an die eigenständige Existenz der Dinge. Er nimmt sich als ein in sich abgeschlossenes und vom Rest der Welt getrenntes Wesen wahr. Individualität und Unabhängigkeit sind jedoch nur Konstrukte eines dualistisch denkenden Menschen. Ein selbstständiges und unabhängiges Selbst gibt es nicht. Ein Ding an sich könnten wir weder wahrnehmen noch könnten wir darüber sprechen. Nur weil alles miteinander verbunden ist, das eine auf das andere verweist, wissen wir um die Dinge. Weil das eine ist, bin auch ich; bin ich, so ist auch das andere.
Einheit ist nicht der Gegenpol von Zweiheit oder Vielheit, sie ist Verbundenheit. Denn was eins ist, kennt keinen Gegensatz oder Anderssein – alles ist das eine selbst. So wie das Gute das Wahre ist, ist das Wahre das eine. Das, was eins ist, ist gut! Die Praxis des Gutseins ist Mitgefühl. Im Mitgefühl sind wir viele, und doch sind wir eins. Mitgefühl bedeutet aber nicht Selbstlosigkeit oder Selbstkasteiung. Wahres Mitgefühl ist nur, wenn wir ganz wir selbst (Selbstnatur) sind und bleiben, dennoch keine Grenzen ziehen. Mitgefühl ist keine Schwäche, sondern Stärke. Nur in seiner Stärke kann der Mensch gut sein. Alle schlechten Eigenschaften und Angewohnheiten resultieren aus Schwäche. Wollen wir diese ablegen, so müssen wir die Dämonen vertreiben und den Riss in unserem Geist verschließen.
Unter viel Mühen können wir jeden Dämon anschauen, jeden Stein umdrehen, oder wir können unser Herz öffnen und von allen Begrenzungen ablassen. Indem wir ein Schritt zur Seite treten, unser Ich als eine unabhängige Existenz als Irrtum entlarven, ploppt unsere universelle Selbstnatur auf, und das Gutsein geschieht ohne Anstrengung und Kampf ganz von selbst. Unsere Selbstnatur ist vollkommen, es gibt nichts zu tun – nur zu sein. Alles andere sind nur Blasen in unserem Geist und nicht Wirklichkeit.
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