Gesundheitsgefährdender Stress und der Zustand ‚ausgesprochener emotionaler Erschöpfung mit reduzierter Leistungsfähigkeit' hängen eng miteinander zusammen und stellen eine neue Volkskrankheit dar. Der deutsche Neurobiologe und Psychotherapeut Joachim Bauer über eine seelische Epidemie namens ‚Burnout-Syndrom'.
Was ist ein Burnout?
Beim Burnout handelt es sich um eine Störung im Bereich der emotionalen Beziehung, die Menschen zu ihrer Arbeit haben. Wir alle können die für unser berufliches Tun notwendige Kraft nur aufbringen, wenn bestimmte Voraussetzungen gegeben sind: Energie, Liebe zur Arbeit, Sympathie für die Menschen, für die wir arbeiten, und das Gefühl, dass das, was wir tun, auch Sinn macht. Von einem Burnout sprechen wir dann, wenn diese Voraussetzungen wegbrechen. Von einem Burnout Betroffene sind emotional chronisch erschöpft, sehen keinen Sinn mehr in ihrer Arbeit und tragen Gefühle des Widerwillens gegenüber ihrer Klientel mit sich herum.
Inwieweit hängen Burnout und Stress zusammen?
Stress trägt einerseits als Kausalfaktor zum Burnout bei, andererseits ist Stress aber auch eine Folge des Burnouts. Wer an Burnout leidet, erlebt alles nur noch als Stress. Überlappungen gibt es nicht nur zum Stress, sondern auch zwischen Burnout und der Depression. Was im Falle der reinen Stresssituation bzw. bei einer Depression nicht im Fokus steht, ist die gestörte Beziehung des Berufstätigen zu seiner Kundschaft. Der innere Widerwille gegenüber der Klientel ist etwas, was beim Stress und bei der Depression nicht im Blickpunkt steht. Viele Menschen, die mir begegnet sind und an Burnout-Symptomen leiden, erfüllen allerdings auch Voraussetzungen der Depression.
Wenn es um Zustandsbeschreibungen der Arbeitswelt geht, liegt der Begriff Burnout derzeit sehr weit vorne. Ab wann sollte seriöserweise erst von Burnout gesprochen werden?
Vom Burnout sprechen heute viele, die darüber eigentlich nicht so genau Bescheid wissen. Oft wird der Begriff nur benutzt, um dem Patienten die Diagnose einer Depression zu ersparen. Vom Burnout sollte man dann sprechen, wenn drei Merkmale vorliegen: 1. Chronische emotionale Erschöpfung; 2. Ineffektivität und Sinnverlust am Arbeitsplatz; 3. Widerwille oder zynische Ablehnung der Menschen, für die man arbeitet. Wenn der Arzt zusätzlich Symptome einer Depression feststellt, also z.B. Antriebsmangel, Selbstwertverlust und Schlafstörungen mit morgendlichem Früherwachen, dann sollte er nicht zögern, zusätzlich auch diese Diagnose zu stellen.
Wer kann ein Burnout bekommen und warum werden immer öfter Burnout-Diagnosen gestellt?
Burnout tritt vor allem dort auf, wo Menschen Dienst an anderen Menschen leisten. Nicht nur Berufstätige wie z.B. Krankenschwestern, Call-Center-Telefonisten oder schulische Lehrkräfte können Burnout erleiden, sondern etwa auch pflegende Angehörige eines Demenzkranken. Zwei weitere Risikofaktoren sind zu nennen: 1. Hohe Arbeitsbelastung bei gleichzeitig geringem Gestaltungsspielraum und 2. eine schlechte Trennung von Arbeit und Privatleben. Wer streng nach Vorschrift arbeiten muss und keinen Einfluss auf die Gestaltung der eigenen Arbeit nehmen darf, wird schneller krank. Ebenso wird Burnout begünstigt, wenn sich das Privatleben mit der beruflichen Arbeit überschneidet.
Wie erkenne ich, dass ich auf ein Burnout zusteuere? Was sind die gängigen Kennzeichen von Burnout?
Permanente Erschöpfung und Verlust der Erholungsfähigkeit wären sicher wichtige Kennzeichen. Ein absolutes Warnzeichen ist außerdem, wenn man plötzlich feststellt, dass die Menschen, für die man einst den Beruf ergriffen hat und die man mochte, in einem selbst plötzlich nur noch Widerwillen, Abneigung oder Hass hervorrufen.
Gibt es auch persönliche Faktoren, die einen Beschäftigten leichter an Burnout erkranken lassen? Welche Glaubenssätze, welche kognitiven Skripte haben Menschen mit Burnout?
Ja, Burnout entwickelt sich immer vor dem Hintergrund von beidem: äußeren und inneren Faktoren. Über die äußeren haben wir schon gesprochen. Bei den inneren Einstellungen eines Menschen sind es vor allem zwei Positionen, die über kurz oder lang zu Burnout führen: Die eine Haltung ist der Perfektionismus bzw. die Aufopferungssucht, also sich selbst und anderen immer das Äußerste abzufordern. Diese Haltung geht mit einer Überidentifizierung mit der Arbeit einher. Das Selbstwertgefühl speist sich bei diesen Menschen zu sehr von der Arbeit her. Die andere Haltung ist eine ängstlich-distanzierte Position, bei der die Beschäftigten sich dadurch zu schützen versuchen, dass sie sich gar nicht erst auf die Arbeit einlassen, sondern eine innere Distanz bewahren. Hier liegt also nicht ein Zuviel, sondern ein Mangel an Identifikation vor. Wer so verfährt, wird nie die Lust der Selbstwirksamkeit erleben und am Ende vor Langeweile sterben.
Wie kann ich mich vor Burnout schützen?
Man sollte lernen, sich gegenüber Überforderungen abzugrenzen, sich um Abwechslung bei der Arbeit bemühen, die Beziehungen zu Kollegen und Vorgesetzten pflegen, Konflikte am Arbeitsplatz früh ansprechen und bereinigen und man sollte sein Privatleben attraktiv gestalten. Man sollte jeden Tag etwas haben, auf das man sich freuen kann: Sport, Musik, mit der Partnerin/mit dem Partner oder mit Freunden etwas unternehmen.
Was tun, wenn ich kurz davor bin ‚auszubrennen'?
Man sollte das Gespräch mit einem Menschen suchen, der einem nahesteht. Wenn das allein nicht ausreicht, sollte man mit dem Hausarzt sprechen oder sich eine erste Beratungsstunde bei einer Psychotherapeutin oder einem Psychotherapeuten holen und in Ruhe Bilanz ziehen, was zu tun ist.
Kann es nicht auch sein, dass die Einstellung zur Arbeit selbst für die Entwicklung eines Burnouts mitverantwortlich ist?
Ja, klar. Das gilt aber nicht nur für die Arbeitnehmer, sondern auch für deren Vorgesetzte. Es gibt Vorgesetzte, die sind echte Weltmeister bei der Produktion von Burnout-Mitarbeitern. Wer seine Mitarbeiter permanent unter Druck setzt, wer das Kollegium spaltet und Wertschätzung vermissen lässt, der steigert den Krankenstand. In Einzelfällen kann es sein, dass die einzige Lösung für die Mitarbeiter darin besteht, sich zusammenzuschließen und sich zu beschweren – oder die Firma zu wechseln.
Bitte nennen Sie uns drei Punkte, die vor einem ‚geistigen und körperlichen' Ausbrennen bewahren.
1. Sich regelmäßig bewegen, Sport ohne Stress betreiben, Schwimmen, Wandern, Fahrrad fahren oder Tanzen gehen; 2. Seine Partnerschaft bzw. seine Familie pflegen, viel miteinander sprechen, gemeinsame Unternehmungen, sich aber auch mal in Ruhe lassen; 3. Nein sagen lernen, wenn etwas zu viel wird.
Dieser Artikel erschien in der Ursache\Wirkung №. 85: „Burnout"
Welche geistigen Methoden gibt es zur ‚Heilung' von Burnout?
Meditation und Yoga. Wer gläubig ist, sollte seine spirituellen Wurzeln pflegen.