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Nach all dem schon Gesagten, Erlebten. Nach all dem Enttäuschten, Verzagten in uns. Nach all den Frustrationen, den Niederlagen könnten wir auf die Idee kommen, zu vergessen, dass alles zählt, alles zum Erfahrungsweg gehört.

Wir müssen wohl wie junge Kinder tausendmal hingefallen sein, bis wir wissen, wie wir besser fallen, leichter aufstehen, geschickter gehen. Solange, bis wir nicht mehr hinfallen. Vielleicht verhält es sich mit all den anderen Gehversuchen im Leben eines Menschen genauso. Wir müssen mit unserer Art zu schweigen oder zu sprechen oder dem Mischungsverhältnis zwischen beidem tausendmal gescheitert sein, bis wir die Muster erkennen. Bis wir sehen, dass Gewalt und Druck vielleicht kurzfristig zu etwas führen, aber langfristig zu Stress, Konflikt, Gegendruck, Unglück, ungemütlicher Einsamkeit.

Wenn wir das Glück haben, dass uns Kommunikation interessiert und uns unser Anteil an jedem konflikthaften Geschehen bewusst ist oder wird, dann beginnen wir, genauer zuzuhören: uns selber, den Umständen und der Atmosphäre, dem oder den anderen.  Wenn ich geschickter werde darin, innen und außen präsent zu sein, dann bin ich schon gelassener, und gute Ideen können aufsteigen, wie ich das Feld zwischen uns, den Raum zwischen Ich und Du, Ich und der Gruppe, Ich und den Leser*innen, bestelle.

Ruth Cohn, meine berühmte Lehrerin im Gruppenleiten, Schreiben und Kommunizieren, begann immer bei sich selbst. Das mag sich egozentrisch anhören, ist es aber nicht. Es ist vielmehr das Einzige und das Ehrlichste, was wir gerade als Bezugspunkt haben, unser Spüren in unseren Körper hinein. Wie stehe, sitze ich jetzt vor dir, vor Ihnen, wie geht es mir? Wenn ich das offen teile, dann wirkt dieser Türöffner auf Sie, auf dich, auf die Gruppe, auf mein bekanntes oder unbekanntes Gegenüber. Mein erster Therapeut, ein noch junger Psychoanalytiker, ehrlich und risikofreundlich wie ich, im ungefähr gleichen Alter, mit gleichaltrigen Kindern, lehrte mich so viel! Dasein, Bezeugen, manchmal Spiegeln und Verstärken – darin war er elegant und ein großartiger Zuhörer. Seine Grenzen waren sicher. Nur einmal hat er einen groben Fehler gemacht, und ich konnte nicht mit ihm darüber sprechen. Er hatte mich so verletzt, dass mein Stolz es mir verbot, vor ihm zu weinen. Heute sehe ich, dass ich mir da selbst im Weg stand. An diesem Stolz, der mir nicht bewusst war, möchte ich gerne arbeiten.

Niederlagen

Ich glaube, es ist nicht schwer zu erkennen, dass ich nicht genau genug zugehört habe, um die Wurzel meiner Verletzung zu erkennen. Könnte es nicht sein, dass dies die Wurzel vieler, auch internationaler Zerwürfnisse ist? Wir wollen alle respektiert werden. Aus der Forschung der gewaltfreien Kommunikation wissen wir, dass wir wenigstens angehört werden wollen. Wir möchten, dass unsere Bedürfnisse und unsere Sichtweise einer Angelegenheit wenigstens vollständig gehört werden. Ich habe oft erlebt, und es gibt auch ein ausgezeichnetes Buch darüber, dass wir NICHT unsere Bedürfnisse erfüllt bekommen wollen und müssen, wie viele denken, wenn sie von dieser Gesprächskunst erfahren, die Marshall Rosenberg für uns in die Welt gebracht hat. Nein. Aber wir möchten, dass sie angehört werden und nicht von vornherein abgewertet, beurteilt, verurteilt, abgebügelt werden. Oder dass uns ganz der Mund verboten wird. Was übrigens auch geschieht, wenn wir nicht mithelfen, dass ortsunkundige und sprachunkundige Menschen Übersetzer*innen an die Seite bekommen, damit ihre Sprache vollständig verstanden werden kann.

Das heißt, dass wir die Voraussetzungen für wirkliches Zuhören miteinander erschaffen lernen. Jede Drucksituation ist sicherlich abträglich. Innerlich haben wir schon genügend Druck. Mögen wir liebevoll und geduldig mit all diesen Druckfaktoren sein, aber auch wirklich stetig und immer wieder für Verständigung arbeiten.
Viele tun das tagtäglich. Heute möchte ich allen Arbeiterinnen und Arbeitern am Dialog aus tiefstem Herzen danken für ihre Kunst und ihren Einsatz in allen Feldern gesellschaftlichen Lebens. Mögen wir keine Angst geben, niemals. Und wo doch die Angst und Wut regieren, mögen wir besänftigend wirken oder ermutigend, je nachdem, was gebraucht wird. Mögen wir präsent sein und lauschen, all unsere Tage.

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Monika Winkelmann

Monika Winkelmann

Monika Winkelmann, geboren 1952, Mutter einer erwachsenen Tochter, geschieden seit 2019, hat 1980 mit 28 Jahren ihr erstes Meditationswochenende in Hamburg besucht. Diese tiefgreifende Erfahrung sowie ihr Leben als Alleinerziehende der Tochter Lisa, geb. 1984,  bewirkten, dass sie viele Jahre a...
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