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Wir wollen es oft nicht hören – auch ich nicht –, dass wir nur auf etwas reagieren, stark oder weniger stark, das in uns eine Entsprechung findet.

„Entsprechen“ ist ein hochinteressantes Wort mit unterschiedlichen Bedeutungen und Synonymen, von denen vielleicht das schlichteste Synonym „antworten“ ist. Es geht immer um Beziehung. Etwas „korrespondiert“ mit mir, könnten wir auch sagen, und wenn es korrespondiert, erzeugt es eine Resonanz, ein Mitschwingen, Einschwingen, im Guten wie im Bösen.

„Such dir deine Freunde gut aus“, sagen die Weisen, denn wir lassen uns anstecken und stecken an, mit Güte und Geduld, leider auch mit Häme und Hetze. Letzteres beruht darauf, dass wir Menschen immer von allem die Samen in uns tragen, wie unser verehrter, in diesem Jahr verstorbener weiser Mönch und Zen-Meister Thich Nhat Hanh sagen würde. Welche von diesen Samen wir bewässern, in uns und in anderen, davon hängt so viel ab! Wir üben genau das, wenn wir die Gelöbnisse rezitieren in Zusammenhängen, die mit positiver, aufbauender Energie geladen sind, die uns seelisch ansprechen: mit Klängen und Wohlgerüchen, harmonischen Gesten und dem Geist von Wohlwollen, Bescheidenheit und Hingabe, die eine Art Opferwilligkeit aus Liebe ist. Mantren helfen uns dabei. Als Säuglinge und Kleinkinder sind die ersten Laute, die wir wiederholt und an uns gerichtet hören und artikulieren lernen, meist mit „M“ verbunden – M“ wie „hhmmm“ oder „Mama“ oder ein leise gesummtes „M“ zum Einschlafen. Samen der Beruhigung, des Trosts, des Behütetseins werden begossen.

Da sind also Samen der Großzügigkeit und Vergebung neben denen der Niedertracht und des Geizes in allen. Buddhistisches Geistestraining bietet sich als Medizin an – vorausgesetzt, ich bin schon ein Stück des Wegs gegangen, die Unberechenbarkeit unbewusster und halb bewusster Regungen als wahr anzuerkennen und daher bewusster als üblich die Samen des Heilsamen zu begießen. Dieses Training ist mit kontemplativen Techniken verbunden, die die Geistestätigkeit verlangsamen und zu beruhigter Beobachtung einladen, bzw. zu vertiefter Atmung, bzw. zu einem beherzten Umgang mit Schmerzen befähigen. Denn im Grunde genommen ist das Leben wie ein Tanz, der manchmal einer Form entspricht, wie Turniertanztraining es von den Tänzern erwartet, und manchmal eher wie frei gestaltete Solotänze oder halb solistische Gruppentänze eben sind. Immer wird es zu vermeintlichen Fehlern kommen: Jemand passt sich eher als eine andere der Gruppe oder dem Partner an, jemand anders hat „zwei linke Füße“ und wird Vertrauen in Musik, Resonanz und Füße erst noch lernen müssen.

Resonanz

Was aber ist, wenn sich statt des Tanzes, der auch mal wild sein darf, deutlich Gewalt entwickelt, jemand schreit oder verstummt jäh, eine brüllt „Nein“, das wie ein „Ja“ gehört wird, etwas fällt um, bedrohliche Geräusche sind zu hören. Sind wir Teilhabende solcher Szenen gewesen? Wussten wir, was Richtig oder Falsch war und haben uns dementsprechend verhalten? Oder sind wir ins Wanken gekommen, dachten, das Opfer müsse eine solche Behandlung verdient haben? Denken: Gewalt sei eben manchmal nötig. Denken: Das kenne ich auch, bloß weg hier, sonst bin ich die Nächste. Oder wir sind es selbst, die geschlagen und eingeschüchtert haben oder sind das misshandelte Opfer. Wieso sind wir immer noch in dieser Beziehung?

Wieso halten wir für normal, was für „normale“, ich meine damit überwiegend ehrliche und anständige Menschen, völlig daneben ist, unakzeptabel also? Wieso akzeptieren wir es: Dass uns unkontrollierbare Wutausbrüche überkommen oder dass unser Vertrauen, unsere Großzügigkeit in einer Liebesbeziehung ausgenutzt werden? Warum spielen wir ständig die tatsächlichen Schmerzen und Zweifel herunter?

Ich glaube, dass wir gefangen sind in alten Netzen der Verleugnung, der unbewussten Resonanz herumzappeln. Das muss und kann aufhören. Allerdings ist es dafür notwendig, auch mal nach hinten zu schauen und die verbrannte Erde hinter und unter mir zu kontemplieren.
Schauen wir uns doch nur einmal die Stolpersteine in unserer Straße, in unserer Stadt an. Oder, wenn wir tiefer gehen wollen: Polieren wir sie, legen eine Rose daneben. Vergegenwärtigen uns, dass in dem Haus, in dem wir leben, oder nebenan oder gegenüber, Juden gelebt haben, die in den Tod, ins sichere Verderben geschickt worden waren. Mit und in Zügen, die sie dann spätestens gründlich brechen sollten. WER ABER TUT SO ETWAS? Fragen Sie sich das. Gründlich. Wahrscheinlich waren unsere Großväter, Großeltern, Großonkel und -tanten als Kinder tief gehend und als Soldaten später in die Mangel genommen, dressiert, geschlagen und zum blinden Gehorsam abgerichtet worden, sodass jedes Ventil willkommen geheißen wurde, sich wieder als JEMAND bedeutsam, machtvoll, auserlesen, schön, gut erleben zu dürfen. Gewalt wirkte ansteckend, Terror erinnerte an die Kindheit, Deutschland geriet in Resonanz mit den hasserzeugenden Glaubenssätzen der Erziehung seiner Bürgerkinder. Häme, Herablassung, Vollstreckungen ohne Verteidigung, Ess- und Wohnzimmer als Kasernen, Kinderzimmer als Bordellzimmer.

Was selbstverständlich immer im Krieg gilt: Der Feind wird besiegt, indem seine Frauen genommen und die Kinder getötet oder zu Sklaven abgerichtet werden, geht in den Kriegen im Haus der Unbescholtenen weiter. Junge Soldaten werden sicherlich auch regelmäßig vergewaltigt, ich meine, sexuell. Ist diese Hemmschwelle einmal kaputt, fällt es leicht, andere kaputtzumachen, und stellt scheinbar ein schändliches, armseliges Gleichgewicht wieder her.

Wer sich auf den Weg der Heilung begibt, lernt, dem moralischen Kompass wieder zu vertrauen, der einhergeht mit körperlichem Empfinden, das klare Signale sendet. Die Signale sagen zum Beispiel: So schnell wie möglich weg hier. „Man“ ist nicht mehr in Resonanz mit dem Traumafeld von Gewalt und der Befriedigung, die aus dem Ausagieren und Angstmachen besteht. Vielmehr ist „man“ auf dem ernsthaften Weg der Deeskalation, des Verstehens und der Verständigung, der Intervention. Intervention heißt: den Mund aufmachen und aktiv Zeugnis ablegen durch Einmischung in verschiedenster Weise. Diese kann symbolisch kraftvoll im Schreiben und Aufklären, in der Kunst und der Therapie geschehen oder in Aktionen, bei denen ich mich konkret und körperlich positioniere: AN DER SEITE eines Gequälten, Eingeschüchterten, VOR einem Kind oder mehreren Kindern, MIT Geflüchteten, toten oder lebenden. Der entschiedenen Wahrung der Menschenrechte, Asylrechte, Kinder- und Opferschutzrechte, der Tierschutzrechte und Lebensschutzrechte. Und – als ein wesentliches Organ und Mahnmal der Gerechtigkeit – dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag. Sowie allen, die sich intensiv um ihre eigene Heilung von Resonanz mit Gewalt und Krieg kümmern, sei dieser Text gewidmet.

 

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Monika Winkelmann

Monika Winkelmann

Monika Winkelmann, geboren 1952, Mutter einer erwachsenen Tochter, geschieden seit 2019, hat 1980 mit 28 Jahren ihr erstes Meditationswochenende in Hamburg besucht. Diese tiefgreifende Erfahrung sowie ihr Leben als Alleinerziehende der Tochter Lisa, geb. 1984,  bewirkten, dass sie viele Jahre a...
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