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Wie kann man loslassen und dabei die Angst bewältigen, den Halt zu verlieren? In den unterschiedlichsten Lebensbereichen, in der Beziehung, bei der Arbeit, beim Sport, selbst bei der Kunst und beim Meditieren wurde ich wiederholt angehalten, „einfach loszulassen“.

MoonHee beantwortet hier Fragen des alltäglichen Lebens oder Fragen, die ihr schon immer einmal stellen wolltet. In ihrem ersten Beitrag „Wie geht es dir heute? Danke, gut!“ findet ihr mehr Informationen dazu.

Wie kann man loslassen und dabei die Angst bewältigen, den Halt zu verlieren? In den unterschiedlichsten Lebensbereichen, in der Beziehung, bei der Arbeit, beim Sport, selbst bei der Kunst und beim Meditieren wurde ich wiederholt angehalten, „einfach loszulassen“. Das Schwierige dabei ist für mich das Wort „einfach“, denn gerade das bewusste Lösen und Loslassen kostet mich sehr viel Energie und spannt mich enorm an. Dabei verbinde ich Loslassen doch mit Leichtigkeit und Anmut.

Antwort MoonHee:

Der Schriftsteller Milan Kundera wurde mit dem wunderbaren Titel Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins weltbekannt. Das verwundert nicht, denn über solch eine widersprüchliche Aussage liest man nicht einfach so hinweg. Irritiert halten wir inne und fragen uns, was damit gemeint sein könnte. Die Leichtigkeit des Seins ist doch etwas Schönes, etwas, nach dem wir alle streben, und nicht etwas Unerträgliches – und dennoch verspüren wir einen leichten Schmerz, wenn wir an sie denken.

Kann es ein Zuviel des Guten geben? Sicherlich nicht. Das Problem mit der Leichtigkeit ist, dass wir sie so schlecht greifen können, und wenn wir sie haben, dann können wir unser Glück kaum fassen bzw. können wir sie nicht aushalten. Der Mensch ist ein widersprüchliches Wesen. Er strebt nach dem Guten, tut aber allzu oft Schlechtes. Er wünscht sich Liebe, sät aber mehr Hass. Er ist begierig nach Freiheit, kann sich aber von Zwängen kaum befreien. Er möchte Leichtigkeit, ist aber schlecht im Loslassen. Das menschliche Leben scheint aus lauter Widersprüchen und Gegensätze zu bestehen. Das eine wollen wir, tun aber das andere. Wir fühlen das eine, sagen aber etwas anderes. In unserer Zerrissenheit neigen wir Menschen dazu, die Dinge nicht einfach zu halten, sondern sie zu verkomplizieren. Selbst nicht mehr einfach – fühlend, denkend und handelnd – machen wir aus den einfachsten Dingen komplexe Konstrukte. Alles muss wohlgeordnet, im Sinne des Fassbaren und Greifbaren, gut durchdacht sein. Sowie das Einfache nicht mehr einfach ist, ist das Leichte nicht mehr leicht – und Loslassen wird durch Festhalten versucht.

Da dies nicht möglich ist, drehen wir uns im Kreis. Im Kleinen, in unserem jetzigen Dasein, und im Großen, in dem Kreislauf des Werdens und Vergehens (Samsara). Ein Herauskommen aus beiden Zuständen erachten wir als fast unmöglich. Doch wenn wir die Sorge um uns selbst, die Angst, uns zu verlieren, überwinden, ereignen sich der Ausstieg und das Loslassen. Das zwanghafte oder ängstliche Dagegen- oder Festhalten gibt keine Sicherheit, vielmehr werden wir gerade dadurch in die reißende Strömung hineingezogen. Einem Schwimmer, der in eine Strömung gerät, wird empfohlen, nicht gegen die Strömung anzuschwimmen, sondern sich mit ihr treiben zu lassen und langsam zu versuchen, seitlich mit der Strömung an das Ufer zu gelangen. Die Selbstrettung geschieht also durch ein beherztes Loslassen und nicht durch ein Klammern. Am Beispiel des Schwimmers zeigt sich auf wunderbare Weise, dass das Loslassen kein Sprung in ein kaltes und dunkles Nichts ist, sondern richtig verstanden und angewandt bedeutet Loslassen, mit seiner Umwelt und den vorhandenen Gegebenheiten eins zu werden.

Indem wir Abgrenzungen und Trennungen gedanklich nicht nachgehen, lassen wir los und werden einfach. Loslassen setzt Ein(fach)heit voraus. Je einfacher wir werden, desto mehr verlieren wir den Zwang, uns von anderen abzugrenzen und alles kontrollieren zu müssen. Ängste, wie nicht gut genug zu sein, etwas nicht richtig zu machen oder den Halt zu verlieren, sind einer mentalen Trennung geschuldet. Und weil jegliche Trennung gedanklich erzeugt wird, müssen wir sie auch hier wieder auflösen. Da wir selbst alle Trennungen verursachen, liegen die Befreiung und das Loslassen ganz bei uns selbst und nicht bei den anderen oder bei der Welt mit ihrem Wissen und Treiben. Nicht die anderen setzen uns unter Druck, sondern unsere Vorstellungen von diesem und jenem sind es. Jedes Festhalten an Begrifflichkeiten, wie Angst und Kontrolle, aber auch Meditation, Loslassen, Leichtigkeit oder Einfachheit begrenzen uns und verschließen uns vor dem wahren Erleben des Loslassens.

Enge und Einigelung machen uns kurzsichtig für die Einheit und Ganzheit des Universums. Wir nehmen die Dinge in ihrer Getrenntheit statt in ihrer Einheit wahr. Somit sehen wir die Unterschiede und nicht das, was uns eint und verbindet. Wir fühlen Mangel, wo eigentlich Fülle ist. Wirkliches Loslassen geschieht nicht bewusst, es geschieht unbedacht – wenn alle Grenzen und Trennungen in uns in eins verschmelzen. Indem ich mit dem anderen bin oder mit dem, was ich gerade tue, eins bin, also wenn ich zwischen mir und dem anderen keine Grenze ziehe, bin ich einfach.

Wenn die spirituelle Welt uns auffordert, einfach zu sein, dann meint sie damit, dass wir eins sein sollen. Im Einssein bin ich einfach: Ich bin, ohne jedoch auf mich selbst zu verweisen. Frei von der Sorge um mich selbst, tue ich das, was getan werden muss, ohne daraus ein Thema zu machen. In der Einfachheit oder Leichtigkeit des Seins habe ich meinen Selbstzentrismus überwunden; aus dem trennenden und angstvollen Ich wurde ein universelles Ich, ein einendes Wir.

Es liegt in der Natur des Einfachen, dass es nur durch sich selbst bewirkt werden kann, sonst wäre es nicht Einheit, sondern Zweiheit. Konkret heißt das, nur indem wir das Einfache schon immer als gesetzt voraussetzen, können wir einfach sein. Genauso wie Stille durch Stille erreicht wird, Ruhe durch Ruhe, Frieden durch Frieden, Lieben durch Liebe, Loslassen durch Loslassen und Leichtigkeit durch Leichtigkeit, werden wir einfach, indem wir einfach sind.

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Die Dinge sind in ihrem Wesen einfach, nur unsere Vorstellungen und Gedanken sind es nicht. Wenn wir unsere irrtümliche Isolation, alles Komplizierte und jedes Abwägen aufgeben, dann wird unser Leben einfach. Indem wir uns selbst verlieren und alle Vorstellungen fallen lassen, gewinnen wir alles. Gewinnen wir alles, dann herrscht Stille des Geistes. Der persische Mystiker Maulana Rumi drückt dies so aus:

Lose yourself,
Lose yourself in this love.
When you lose yourself in this love,
you will find everything.Lose yourself,
Lose yourself.
Do not fear this loss,
For you will rise from the earth
and embrace the endless heavens.Lose yourself,
Lose yourself.
Escape from this earthly form, 
For this body is a chain
and you are its prisoner.
Smash through the prison wall
and walk outside with the kings and princes.Lose yourself,
Lose yourself at the foot of the glorious King.

When you lose yourself

before the King you will become the King.Lose yourself,
Lose yourself.
Escape from the black cloud
that surrounds you.
Then you will see your own light
as radiant as the full moon.Now enter that silence. 
This is the surest way
to lose yourself ...What is your life about, anyway? –
Nothing but a struggle to be someone,
Nothing but a running from your own silence.

Weitere Fragen & Antworten von MoonHee Fischer finden Sie hier.

Sie haben eine Frage? Schreiben Sie an m.fischer@ursachewirkung.com

Bilder Teaser und Text© Pexel
Bild Header © Sigurd Döppel 

Dr. phil. MoonHee Fischer

Dr. phil. MoonHee Fischer

„Was eines ist, ist eines. Was nicht eines ist, ist ebenfalls eines.“ (Zhuangzi) Jenseits eines dualistischen Denkens, im Nichtgeist, gibt es weder das Eine noch ein Anderes. Wo das Eine sich von einem Zweiten abgrenzt, ist keine Einheit, sondern Zweiheit. Die Erfah-rung des Einen – ich bin al...
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