Natürlich waren oder sind das nicht DEUTSCHE Tugenden, sondern deutsche Begriffe, um Geistesqualitäten auszudrücken. Aber was sind solche Qualitäten anderes als Tugenden, auch dies ein aus der Mode gekommenes Wort.
Hinzu kommt, wenn wir den Begriff tief auf uns wirken lassen, dass bestimmte zusammengesetzte Wörter gar nicht leicht übersetzt werden können.
Edelmut fällt mir öfter mal ein, also schreibe ich darüber, wobei der Schreibakt mir selbst beim Nachdenken hilft.
Mir will scheinen, dass Buddhas Sichtweise unser Spüren, Wahrnehmen, Fühlen, Denken veredeln will, mit einer hauchdünnen Schicht Blattgold überziehen oder, noch feiner, mit einem Atemhauch, der getränkt ist in Herzensgüte. Dass jemand „herzensgut“ ist, kommt in unseren Märchen vor, in älterer Literatur, und immer habe ich es gemocht, dieses Wort. Es ist eben mehr als „gut“, es ist „herzensgut“. Ein solcher Mensch würde unser Vertrauen verdienen, und – ob Kind oder Erwachsener – er wäre generös, einfühlsam und verständnisvoll. Sein Herz würde nichts anderes sprechen als sein Verstand, und dieser Mensch würde unmittelbar aus dem Herzimpuls handeln.
Veredelter Mut ist ein Mut, der mit Großzügigkeit einhergeht, mit dem Erkennen von Wert und Tiefe, in einem selbst und in dem Gegenüber. Respekt, Fairness, Freude an der Freude des anderen (mudita) höre ich anklingen. Mut ist dann nicht nur eine Tat, die die Furcht überwunden hat, sondern Mut ist „Beherzte Aktion“, meist auf einen Mitmenschen hin, aber auch Tiere, Pflanzen, Elemente, Erde kann ich mir in einer Weise vorstellen, dass sie zu Partnern oder Partnerinnen der „Edelmütigen Person“ geworden sind.
Wir dürfen uns nicht lange im Raum der Enttäuschungen aufhalten, denn er ist zwar ein Heilungsraum, hoffentlich, aber auch ein Raum, der die Edelmütigen in den eigenen Dienst stellen möchte.
Sag, wo hängen denn die Dienstpläne der Edelmütigen?
In allen Hauseingängen und Fluren aller Heime, aller Krankenhäuser, aller Dienstleistungsinstitutionen. In allen Kindergärten, Schulen, an Tafeln und in Gefängnissen. Auf den Straßen ärmerer Viertel in Dörfern und Städten, in Bahnhöfen und drum herum, in den Rotlichtvierteln, Hafenregionen und auf den Feldern, in den Gärten. An den Kassen der Supermärkte und an Tankstellen und Bauwagen. Edelmütige gibt es überall und täglich, und vor allem in den Nächten sind sie unterwegs. Sie regieren die Welt, denn alles Leben welkt ohne ihre liebenden Blicke, ihre offenen Hände.
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