Allein das Wort. Ich mag es gar nicht mehr schreiben. Es erschlägt unsere zarte Mundhöhle.
Diese überlangen Wörter sind meist unheimlich, wollen Zeit sparen: Warum umständlich und zeitaufwendig erklären, was mit dem ersten Wortteil gemeint ist? Wer hat es erfunden, und warum ist es erlaubt worden, das Wort? Denn was wir als Wort erlauben, schafft Wirklichkeit. Jemand hat damit entweder beschrieben, was es schon gibt und sich Gedanken dazu gemacht, oder er bzw. sie hat darüber nachgedacht, wie mehr Wesen endgültig und effektiv, unter Billigung und Einsatz von Gewalt ausgemerzt werden können.
In den vergangenen Tagen ist mir die Lust nicht am Leben, aber an einigen aus meiner Sicht oberflächlichen und damit überflüssigen Diskussionen vergangen. Machen wir uns nichts vor: Geht es nicht in Wahrheit darum, die oben genannte Diagnose unserer Gesellschaften, der Politik, des Bewusstseinszustands der Bürger dieser Welt zu kontemplieren? Die Diagnose heißt: Es gibt Massenvernichtungswaffen. Sie werden gebaut – übrigens ohne meine Zustimmung (das zum Thema Demokratie). Sie werden ganz offensichtlich gebilligt und sicherlich von anderen Staaten in Auftrag gegeben. Ich fürchte, in Deutschland sind wir wieder führend bei der Produktion derartiger „Güter“. Menschen verdienen ihr Geld für sich und ihre Kinder bei der Arbeit in der Rüstungsindustrie und werden das sicherlich vor sich selber schönreden. Die Waffen werden – womöglich und sehr wahrscheinlich – ausprobiert (im Jemen vielleicht? oder ist das gemein, so etwas Schmutziges anzunehmen?), damit man für den Ernstfall „gerüstet“ ist. Und jetzt kann man ihre Tüchtigkeit endlich mal wieder, sozusagen vor der Haustür, studieren und sich daran erfreuen. Vielleicht gibt es sogar Deutsche, die in diesem Industriezweig ihr Geld verdienen, die eine ukrainische Familie aufnehmen. Sind wir so schizophren geworden, nicht im klinischen Sinne, sondern im Sinne einer Störung im Erkennen von Zusammenhängen und einem selbstständigen Weiterdenken? Wirklich, ich glaube, wenn wir es überhaupt einmal konnten, dass wir nicht mehr selbst denken. Auch das wird uns in Werbung, Propaganda, Fünf-Minuten-Nachrichten, bei Vorschriften aller Arten, die wir zu befolgen haben, durch Nötigung und Manipulation in immer kürzeren Slogans abgenommen, gerne noch auf Englisch.
Dieser Staat braucht keine selbstständigen Arbeiter und Handwerkerinnen mehr, keine kreativen Lehrer und pfiffigen Friseurinnen (doch, gestern habe ich eine kennengelernt!). Viele von uns, darunter auch ich als Kleinrentnerin, stehen ökonomisch gewaltig unter Druck. Wir haben berechtigte Sorgen, irgendwelche Übergangsgelder wieder zurückzahlen zu müssen.
Waffen verleihen uns ein Gefühl von Macht und Kontrolle über Leben und Tod. Wir denken, mit kranken Gehirnen, dass, wenn wir über Tod und Leben der Feinde, die uns alles wegnehmen wollen – diese Kriminellen! diese Nichtsnutze! – bestimmen, aus dem Schneider sind.
Ach, wie dämlich ist und wie kurzfristig währt dieser Triumph! Wie teuer ist er bezahlt! Unsere Kinder schämen sich für uns, jetzt oder später, wenn sie nicht selbst im Kugelhagel „fallen“ (tolles, unblutiges Wort!), und wenn wir noch in den Spiegel gucken, dann sehen wir einen leidenden Schuft oder das Gesicht der Ukrainerin oder einer Russin, die wir aus purer Verzweiflung vergewaltigten. Ja, auch das waren unsere Großväter, auch das sind wir.
In Massen werden hier Seelen vernichtet, viele werden sich, wie immer im und nach dem Krieg sofort oder durch Alkohol oder Sonstiges umbringen, Liebesbeziehungen sind stärksten Belastungsproben ausgesetzt, jede oder jeder sieht nicht mehr die geliebten Augen vor sich, sondern die terrorisierenden inneren Bilder zerfetzter Körper, Häuser, Straßen ohne Blumen und Vögel.
Mut und Anstand verlangen, dass wir es wenigstens ansehen und zu Ende denken, mit unseren noch einigermaßen intakten Bauchgehirnen und Herzen. Die Herzen brauchen wir, um nicht in Bitterkeit und Passivität, beim Bier vor dem Fernseher, beim Wein beim Italiener oder beim Whiskey im Club zu versinken. Den Verstand brauchen wir, um den Überblick zu behalten und an richtiger Stelle von wirklichem Nutzen zu sein: freundlich, geduldig – ein Mitmensch, Mitwesen eben.
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