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Frag die Dharma-Lehrenden

Ich bin in eine gläubige christliche Familie hineingeboren. Das hört sich zwar etwas beengend an, aber ich hab das so empfunden.

Vielleicht deshalb, weil vor allem meine Mutter immer sehr offen für andere Überzeugungen war. Jesus war für sie zwar der Mittelpunkt ihres Denkens, nie aber der Endpunkt.

Nun bin ich schon vor geraumer Zeit mit dem Buddhismus in Berührung gekommen. Vor allem die Meditationspraxis gibt mir viel. Ich tendiere immer mehr zum Buddhismus, möchte mich aber von meinen christlichen Wurzeln nicht ganz abschneiden. Sie sind Teil meiner Identität. Ich fürchte, dass ich mich ohne sie verloren fühlen würde. Kann ich Christ bleiben und dennoch Buddhist werden?

Harald Melling

Christ

Lieber Harald,

meine Antwort wäre ein beherztes Ja.

Mir kommen da sofort Äußerungen des Dalai Lama in den Sinn, auch von Thich Nhat Hanh und anderen buddhistischen Lehrern. Sie haben immer wieder betont, dass man seine spirituellen oder religiösen Wurzeln nicht abschneiden sollte. Das kann unheilsame Auswirkungen haben, da sie sehr tief in uns angelegt sind. Der Dalai Lama ging so weit zu sagen, dass es sehr gut sein könne, wenn man zwei Religionen hat oder diese zumindest so gut zu kenne, dass man interreligiös denken und fühlen kann und so eine einzige Weltanschauung nicht für die absolut wahre hält.

Manchmal werden wir vielleicht auf größere Widersprüche stoßen. Etwa auf Fragen wie: Gibt es nur einen einzigen Gott, gibt es viele oder gar keinen? Ist es Menschen möglich, die Erleuchtung eines Buddha zu finden? Gibt es mehr als einen Buddha?

Man könnte sich zum Beispiel auch fragen, ob alles Glück nur Gottes Gnade ist oder ob man sich das Buddha-Erwachen, und damit das Glück, durch Erkenntnis- und Übungswege selbst erschließen kann? Auch innerhalb des Buddhismus und des Christentums gibt es viele verschiedene Antworten auf solche Fragen und keine einheitlichen Sichtweisen. Und daraus werden sich wieder neue Fragen ergeben. „Man muss die Fragen lieb haben“, heißt es irgendwo bei Rainer Maria Rilke.

In unserer Zeit dürfen wir alle Fragen freimütig stellen und gerade diese als spirituelle Übungsaufgaben sehen. Religionen und Weltanschauungen sind nicht mehr exklusiv. Sie vermischen sich auch. Genau das könnte die gute Spiritualität unserer Zeit ausmachen. Es kann auch geschehen, dass wir durch Reflexion und Meditationspraxis den einen Weg finden, der für uns passt, den wir verstehen und der alles bietet, was wir suchen: ein Weg, der alle unsere Fragen beantwortet. Wir haben also nicht nur die Wahl zwischen mehreren Religionen und einer einzigen, sondern auch noch für einen ganz eigenen Weg.

 


Dieser Artikel erschien in der Ursache\Wirkung №. 119: „Zukunft gestalten"'

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Yesche U. Regel ist seit vielen Jahren buddhistischer Lehrer. Gemeinsam mit seiner Frau Angelika Wild-Regel betreibt er eine Praxis für Achtsamkeit, Meditation und Stressbewältigung – das „Paramita Bonn und Online“. www.paramita-online.de. www.yesche.de

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