„Ich finde den Buddhismus philosophisch interessant. Zum Beispiel die Vorstellung, dass alles im Fluss ist und nichts einen ewigen Kern hat. Das hat mir in der Vergangenheit tatsächlich geholfen, so manche Sorgen zu vergessen.
Wenn der Augenblick eh nur zusammengesetzt ist und sich dadurch nur temporär etwas ergibt, was im nächsten Moment schon wieder etwas anderes ist, warum sich Sorgen machen? Da ich mir dieses philosophische Konzept grundsätzlich zu eigen gemacht habe, würde ich mich eigentlich als Buddhist bezeichnen. Aus verschiedenen Gründen meditiere ich aber nicht, und die viel gepriesenen Achtsamkeitsübungen sagen mir auch nicht zu. Kann ich ohne eine meditative Praxis dennoch Buddhistin sein?“
Margarete Waldner
Wer legt offiziell fest, wer Buddhist ist? Niemand außer dir selbst. „Es gibt keine andere Zuflucht im Leben als die Lehre. Sei dir selbst eine Leuchte“, erklärte Buddha vor seinem Tod. „Keine andere Zuflucht“ bedeutet für dich, die Aufgabe, die Lehre, das Dharma, ins eigene Leben zu integrieren. Jeder benutzt dafür die Mittel, die persönlich hilfreich sind bei der Entwicklung von Einsicht und Ethik. Den Weg zur Meisterung der existenziellen Herausforderungen als sterbliche Wesen geht jeder auf seine Weise. Traditionelle buddhistische Gruppen oder die Deutsche Buddhistische Union haben Listen von Glaubensinhalten, Gelöbnissen, Ritualen und vieles mehr, die aus ihrer Sicht einen Buddhisten definieren. Übernimm solche willkürlichen Festlegungen nicht, ohne sie zu hinterfragen, rät Buddha im Kalama-Sutta. Du bist selbst verantwortlich für deinen Weg.
Musst du meditieren, wenn du Buddhistin bin? Nein. Die wenigsten Buddhisten meditieren. Für Jahrtausende bis heute hat der überwiegende Teil der buddhistischen Laien nie meditiert, sondern in Asien als hauptsächliche buddhistische Praxis die Klöster unterstützt. Sie würden jedoch deshalb nie auf die Idee kommen, sich nicht als Buddhisten zu bezeichnen.
Du beschreibst, dass du durch Kontemplation, also Nachdenken, erkannt und in deinem Leben erfahren hast, wie die Merkmale der Existenz – Unbeständigkeit, Bedingtheit und Unpersönlichkeit – mit unseren Leiden und Sorgen zusammenhängen. Genau diese Einsicht und die Erfahrung, wie das Leben durch diese Einsicht leichter wird, sind die ersten drei Aufgaben, oder auch „Edle Wahrheiten“, die du somit übst. Buddha hat drei gleichberechtigte Wege zur Erkenntnis der Lehre beschrieben: Nachdenken, Lernen von anderen und Meditation. Im optimalen Fall ergänzen sich alle drei bei der Kultivierung von Buddhas Weg.
Herzlich
Jochen Weber
Dieser Artikel erschien in der Ursache\Wirkung №. 117: „Meditation"
Dr. Jochen Weber, Arzt, lehrt seit zwanzig Jahren Vipasassana/Achtsamkeit/MBSR und hat 2002 die gemeinnützige Buddha-Stiftung für säkularen Buddhismus und das Säkulare Buddhistische Netzwerk gegründet. www.buddhastiftung.org
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