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Leben

Unterdrückte Gefühle können krank machen. Lebenskrisen kommen oft plötzlich. Sie ziehen einem zuweilen den Boden unter den Füßen weg. 

Im Internet geben viele Expertinnen und Experten gut gemeinte Ratschläge, wie schwierige Situationen in kurzer Zeit zu bewältigen seien. Doch solche Schnellrezepte können nach hinten losgehen.

Nicht umsonst heißt es im Volksmund, dass Ratschläge auch Schläge sind. In der Psychotherapie halten sich Therapeutinnen und Therapeuten meist mit schnellen Tipps zurück. Sie versuchen, geduldige Begleitpersonen zu sein und bei den Menschen, die sie unterstützen dürfen, einen Prozess der Selbstentwicklung und Selbstentfaltung anzuregen. Dazu folgendes Beispiel: Eine Frau kam in die Therapie, weil ihr Mann fremdging. Mit dem Seitensprung brach für sie eine Welt zusammen. Die Frau hatte zuvor regelmäßig meditiert. Jetzt war sie voller Wut und Trauer. Sie war so aufgebracht, dass sie sich nicht auf ein Meditationskissen setzen konnte. Mit der Zeit gelang es ihr, die Gefühle zu unterdrücken. Damit kannte sie sich aus. Schließlich hatte sie als Kind von den Eltern gelernt, stark zu sein und sich nicht verletzlich zu zeigen. Wenn sie weinte, wurde sie gemaßregelt. Auch nach der Trennung von ihrem Partner ließ sie sich nichts anmerken.

Gefühle

Die Frau stürzte sich in die Arbeit. Momente der Stille hielt sie schwer aus, weil dann verschiedene Gefühle in voller Wucht hochkamen. Sie musste sich ablenken. Früher hatte sie vor dem Frühstück meditiert. Nun schaltete sie den Computer ein, um E-Mails zu beantworten. Doch das Verdrängungsmuster kostete viel Energie. Die Frau war gereizt. Sie wirkte wie ein Kochtopf, bei dem die Gefühle brodelten und bei dem sie mit aller Kraft den Deckel draufhalten musste, damit es zu keinem emotionalen Ausbruch kam. Das alles machte sie depressiv. Sie hatte vor anderen Menschen eine innere Mauer aufgebaut. Hinzu kamen körperliche Beschwerden wie angespannte Muskeln, Kopfschmerzen und ein Gefühl, dass sich im Hals ein Kloß befindet.


Dieser Artikel erschien in der Ursache\Wirkung №. 117: „Meditation"

UW117 Cover


Die Hausärztin riet ihr, in Psychotherapie zu gehen. Denn unterdrückte Gefühle können krank machen. In der Therapie lernte sie, den Schmerz, die Trauer und die Enttäuschung über das Verhalten des früheren Partners zuzulassen und auszuhalten. Sie weinte viel. Der Therapeut ermutigte sie, verschiedene Möglichkeiten auszuprobieren, um ihren Gefühlen Ausdruck zu verleihen. Sie entdeckte für sich die Malerei. Sie malte Bilder, in denen sie ihre Verzweiflung und Einsamkeit zeigte. Je mehr sie sich in der Therapie auf ihre Gefühlswelt einließ, umso besser konnte sie diese transformieren. Sie ließ langsam los und wagte einen Neubeginn. Doch das brauchte Zeit. Die Frau meditierte wieder. Kamen in der Stille heftige Gefühle hoch, lief sie nicht mehr davon. Nach der Meditation nahm sie sich oft Zeit, um zu malen. Die Geschichte zeigt, wie das Leben durch einen Prozess der Selbstentfaltung bunter und schöner werden kann.

Christian Höller ist Psychotherapeut und Coach in Wien. Er ist zur Verschwiegenheit verpflichtet und darf daher über keine realen Therapiesitzungen berichten. Er erzählt in dieser Kolumne fiktive Situationen aus dem psychotherapeutischen Alltag.

Bild Teaser & Header © Pixabay

Christian Höller

Christian Höller

Christian Höller, MSc., ist akademisch ausgebildeter Psychotherapeut und Coach in Wien. Seine Fachrichtung ist Integrative Therapie. Seine Praxis befindet sich im vierten Bezirk. Er ist unter anderem spezialiert auf folgende Themen: Achtsamkeit, Spiritualität, Krisen, Burn-out, Lebensbegleitungen...
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