Das entscheidende Kriterium für ein gelingendes Leben scheint mir die Zufriedenheit mit dem eigenen Leben zu sein. Ein Gefühl des Erfülltseins, das sich aus gelungenen selbständigen Entscheidungen und Handlungen ergibt.
Ein solches Leben könnte in stiller Freude enden. Damit es dazu kommen kann, sollte man es in ganzheitlicher Weise führen. „Ganz“ im Sinne eines ausgewogenen Verhältnisses zwischen den Lebensbereichen
- Beruf und Arbeit
- Körperliche und mentale Beweglichkeit
- Soziale Kontakte und Engagement
- Selbstachtsamkeit und Spiritualität
Beruf und Arbeit
Wir müssen aufpassen. Die Leistungsgesellschaft schafft den Rahmen für eine Selbstoptimierungskultur, in der Vergleichs- und Konkurrenzdenken sowie Perfektionsstreben gewollt sind. Dabei neigt sie zur Reduzierung des Menschen auf seine arbeitstechnische Funktionalität. Zugleich aber definieren wir unseren Selbstwert allzu stark über unseren Arbeitsplatz, als hinge unsere Existenzberechtigung von ihm ab. Doch „Der Mensch ist das Wesen auf der Suche nach Sinn“ (Viktor Frankl). Und eben den erkennen viele in ihrer Arbeit nicht. In regelmäßigen Gallup-Studien zur Arbeitszufriedenheit liegt der Anteil derjenigen, die gerne arbeiten und von Arbeit und Arbeitgeber überzeugt sind, bei ca. 15 %. Alle anderen arbeiten, weil sie Geld verdienen müssen.
Wir opfern der Arbeit so viel Lebenszeit; sollten wir nicht alles tun, um Tätigkeiten auszuüben, die wir gerne machen, uns sinnmäßig erfüllen, auch wenn wir weniger dabei verdienen? Insofern kann ein Weniger an Wohlstand bereichern. Und wenn wir doch bei der ungeliebten Arbeit bleiben zu müssen glauben, so sollten wir Lebenssinn außerhalb der Arbeit suchen (Punkt 3) und versuchen, die Arbeitszeit zu reduzieren.
Körperliche und mentale Beweglichkeit
Körper und Geist bedingen einander, sind eins. Bewegen wir das Eine, wird das Andere angeregt – so wie das Ruhen des Einen das Andere beruhigt. Sport ist gut. Der An- und Ausspannungseffekt bewirkt Ausgeglichenheit und Wohlbefinden, doch nur im mir gemäßen Maße. Leistungsvergleiche mindern den Entspannungseffekt und beunruhigen den Geist. Und sicherlich ist Schwimmen wohltuender als Boxen.
In den Alltag lässt sich Bewegung oft gut integrieren. Was ich ohne motorisierte oder elektrische Transportmittel (Rolltreppe, Aufzug …) bzw. Fahrzeuge erledigen kann, kann ich zu Fuß oder mit dem Rad tun. Körper und Geist (Umweltschutzgedanke) profitieren davon. Es gibt Entspannungs- und Meditationsmethoden, die Körper und Geist miteinander verbinden, sodass sie als Entspannung bzw. Meditation in Bewegung verstanden werden können: Wege zur inneren Harmonisierung: Yoga, Thai Chi, Geh-Meditation, Chi Gong, Progressive Muskelentspannung …
Zur mentalen Beweglichkeit ließe sich so vieles sagen. Gottfried Ephraim Lessing brachte es auf den Punkt (sinngemäß): Lese jeden Tag etwas, was andere nicht lesen. Denke jeden Tag etwas, was andere nicht denken und tue jeden Tag etwas, wozu andere nicht albern genug sind, es zu tun. Es ist nicht gut für Seele und Geist, immer nur Teil von Einmütigkeit zu sein. D. h.: Mainstreamhörigkeit und Zeitgeistgehorsam lassen dich das Leben der Anderen leben. Ob das zum Gelingen des eigenen Lebens beiträgt, sollte jeder ganz bewusst entscheiden.
Der Autor schrieb ein Gedicht, darin die Worte „… Leg allen Kollegen eine Blume auf den Tisch / und gib vor, der Chef lasse dankend grüßen / wünsch fremden Menschen einen schönen Tag / und durchbreche so das Gesetz der Zurückhaltung / schlendre pfeifend durch Straßen und Gassen / und überrasche die Leute mit der Freude am Sein / geh mit leerem Einkaufswagen zur Kasse / und verkünde den internationalen Antieinkaufstag / Frag am Bahnhof nach ´ner Flugverbindung / und freue dich über jede Antwort …“ Lebt man auch solche schrägen Vorhaben, so wird das Großhirn einmal feucht durchgewischt.
Soziale Kontakte und Engagement
In einer hyperindividualistischen Gesellschaft droht die Gefahr der Einsamkeitsfalle. Nicht nur Alleinstehende, auch Partner und Familienmitglieder kennen das Gefühl belastender Isolation. Daher sind Freunde, gute Bekannte und Kollegen wichtig. Sie spiegeln Verhalten, Rede und Handeln, versorgen uns mit anderen Perspektiven und geben uns Halt, Bestätigung, Anerkennung. Sie tragen wesentlich zu unserer Lebenszufriedenheit bei und dienen der tröstlichen Einsicht, dass meine einzigartig geglaubten Probleme allzu menschlich sind.
Soziale Kontakte fallen nicht vom Himmel. Offenheit, Bereitschaft und Bemühen sind erforderlich. Habe ich neue Bekannte gefunden und sind sie mir wichtig, bedarf es der Kontaktpflege, um tragfähig zu bleiben. Freunde und Freude sind nicht nur orthographisch eng beieinander. Engagement für andere oder mir sinnvoll erscheinende Zwecke versorgen mich mit guter Energie. Niemand ist zu klein, dass er nicht auch anderen behilflich sein könnte. Niemand zu gering, dass er nicht einen Beitrag zu einer guten Sache leisten könnte. Solches Mitmachen für ein gemeinsames Ziel kann mir auch neue Bekanntenkreise erschließen. Die Erfahrung, zusammen an einer mir wichtigen Sache zu arbeiten, lässt mein Ich in etwas Größeres aufgehen und führt zum Gefühl von Zugehörigkeit und Aufgehobensein.
Selbstachtsamkeit und Spiritualität
Immer wieder sollten wir uns Zeiten der Ruhe, der Achtsamkeit und Besinnung schaffen, um bewusster und mitfühlender mit uns und der Umwelt umzugehen. Widerstandskämpfer sollten wir sein gegen die Beschleunigungsdynamik im gesellschaftlichen Leben, das immer oberflächlicher zu werden scheint. Die unruhige, flüchtige Lebensweise macht unzufrieden, hinterlässt ein Gefühl der Leere. Wir leben in einem Meer verpasster Augenblicke, weil wir meist sorgenvoll in Vergangenheit und Zukunft schlafwandeln. Um zufriedener zu leben, braucht es ein Leben, das wir langsamer, bewusster, bescheidener, dankbarer und damit ausgeglichener führen sollten. All diese Adjektive sind durch bewusste Denk- und Lebensweise und mit Hilfe regelmäßiger Entspannungs- und Achtsamkeitsübungen erreichbar (z. B. Punkt 2).
Die Lehre des Buddha bringt uns auf den Weg zu Erkenntnis und innerem Frieden. Sie will den Menschen in heilender Absicht ent-täuschen, ihn von seinen narzisstischen Träumereien befreien, ihn aus seinem Illusionen herausholen, um Leiden zu vermeiden. Auch das ein Beitrag zum gelingenden Leben: Wahrhaftigkeit mir selbst gegenüber durch bewertungsfreies Selbstbeobachten: meiner Gedanken, Gefühle, Verhaltensweisen. Wir Menschen versuchen aus narzisstischen Gründen immer wieder, Masken aufzusetzen, Fassaden aufzubauen, Rollen zu spielen. Doch wer sich nichts vormacht, der braucht auch anderen nichts vorzumachen, der lebt sein Leben leichter. Welch eine Befreiung: sei, wer du bist!
Du kannst auf zweierlei Weisen dein Leben führen: So, als gäbe es keine Wunder – oder so, als sei alles ein einziges Wunder. Sobald ich mich als ein Geschenk, als ein Wunder der Evolution verstehe, stellt sich Dankbarkeit ein. So weißt du dich in zahlloser Weise bezogen und verbunden; weißt oder ahnst von all den Abhängigkeiten, dem Ineinander-Verwobensein alles Lebendigen. Ein Gefühl tiefer Geborgenheit: Wie kann man sich da noch einsam fühlen?
Die wichtigste Voraussetzung für ein gelingendes Leben
Schließen möchte ich den Beitrag mit vier Worten von Joachim-Ernst Berendt: „Verbunden sein heißt Lieben“. Vielleicht die wichtigste Voraussetzung für ein gelingendes Leben: Liebesfähigkeit.
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