Es mag ja ganz romantisch klingen, wenn Nachrichten des sozialen Zirkels aus dem Ausland eintreffen. Doch nicht immer steckt dahinter ein Urlaub.
Ein Freund von mir ist früher immer zum Arbeiten nach Thailand geflogen. Nicht dass er dort einen Job angenommen hätte: Seine Arbeit befand sich im Rucksack, denn er hatte sie in Form seines Laptops eingepackt. Nicht dass er während des Jahres zu Hause nicht gearbeitet hätte: In Thailand fand er endlich die Möglichkeit, Liegengebliebenes abzuarbeiten und neue Ideen zu entwickeln.
Eine Freundin von mir hat das im letzten Frühling ausprobiert, in Kombination mit Arbeiten vor Ort. Den halben Tag hat sie eine Finca aufgeräumt, den anderen halben Tag an eigenen Projekten getüftelt. Für sie war es das erste Mal; der erwähnte Freund war darin schon fast ein Weltmeister. Und auch ich bin nicht ständig auf Urlaub, nur weil ich seit einiger Zeit öfters im Ausland bin. Wir sind drei von etwa 35 Millionen digitalen Nomaden, die es schätzungsweise auf diesem Planeten gibt.
Für alle, denen das nichts sagt: Das sind Menschen, die von überall aus arbeiten können – sei es vom Küchentisch, von einem Co-Working-Space aus, in einem Internetcafé oder während ihrer Reisen um die Welt. Und deren wichtigste Arbeitsgeräte ein Laptop, eine Internetverbindung und die eigene Kreativität sind. Ich erinnere mich gerne an den Besuch eines Co-Working-Spaces auf Bali, zu dem mich ein anderer Freund geschickt hatte, weil er sich überlegte, auch einmal im Ausland leben und arbeiten zu wollen. Und zugegebenermaßen machte mir dieses Bambushaus unter Palmen selbst Lust darauf. Ich erinnerte mich wieder daran, dass ich dem Universum einmal den Wunsch überreicht hatte, ortsunabhängig arbeiten zu können. Meine Cousine übrigens auch, beiden ist es gelungen – nach einer mehr oder weniger langen Vorbereitungsphase.
Natürlich mag es sich für Menschen mit einem regelmäßigen Arbeitsrhythmus an einem festen Ort exotisch anfühlen, wenn wiederum andere einfach zusammenpacken und sich – wie mein Thailand-Freund – in einer Hütte am Strand einmieten und bei Meeresrauschen vor sich hin werkeln können. Wenn meine Freundin im tiefsten österreichischen Spätwinter Bilder von blühenden Bäumen postet, unter denen sie arbeitet. Oder ich vom Strand erzähle, während Menschen zu Hause Schnee schaufeln. Doch es ist nicht alles so kunterbunt, wie es auf den ersten Blick scheint.
Punkt 1. Viele dieser digitalen Nomaden sind selbstständig. Sprich: Ihr Einkommen füllt nicht zwangsläufig in regelmäßigen Abständen ihr Konto auf. Da kann es oft hilfreich sein, an einem Ort zu arbeiten, wo die Lebenshaltungskosten geringer sind als zu Hause. Punkt 2. Das Arbeiten im Ausland ist mit sehr viel Organisation verbunden, die eng mit einer Internetverbindung verknüpft ist. Und Strom, wie in meinem Fall. Fehlt beides, müssen Lösungen gefunden werden. Um am vergangenen Wochenende einen Onlineworkshop halten zu können, musste ich einen Ort finden, der mich in einem Land der stundenweisen Stromabschaltungen trotzdem mit Elektrizität versorgt. Und während ich nur ein paar Straßen weiterziehen musste, erinnere ich mich an ein Jahr, wo der Thailand-Liebhaber das Land wechselte, nachdem er den Fehler gemacht hatte, einmal NICHT nach Thailand zu fliegen. Weil er eben NICHT arbeiten konnte wie gewohnt. Punkt 3. Man braucht ein hohes Maß an Selbstdisziplin, denn an schönen Orten zu arbeiten bedeutet auch, von deren Schönheit verführt zu werden. Dieses Problem haben Menschen in Großraumbüros nicht.
Wer also im Ausland arbeitet, hat einiges zu bewältigen, eben auch den Preis der Freiheit zu zahlen. Während es für die einen zweckmäßig ist, sich über eine regelmäßige Arbeitssituation zu freuen, ist es heutzutage ebenso möglich, anderen Arbeitsformen nachzugehen. Ich erinnere mich an einen „Urlaub“, wo ich nach drei Wochen eine Nachricht mit dem Inhalt „Hört Dein Urlaub auch irgendwann einmal wieder auf?“ bekam. Dass ich in dieser Zeit gearbeitet, Pläne geschmiedet und an Projekten gearbeitet hatte, schien für den Absender keine Option zu sein. Doch angesichts von 32 Millionen Menschen, die dieses ortsunabhängige Arbeitsdasein zelebrieren, kann man sich schon einmal daran gewöhnen – wenn man es schon während der Lockdown-Zeit nicht geschafft hat, umzudenken. Die Generation Z ist schon dabei, die Arbeitsmodelle umzukrempeln. Jungen Menschen, die zwischen 1997 und 2012 geboren wurden, bevorzugen das ortsunabhängige Arbeiten in hohem Maße. Und ob diese 60 Prozent dann von Zuhause oder Ouagadougou aus arbeiten, muss den Arbeitsgebern dann egal sein. Wir werden sehen, wie schnell das gehen wird. Und hoffentlich brauchen wir dafür nicht wieder einen Lockdown, auch wenn „Pirola“ schon an die Türe klopft.
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