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Wenn man klar die wesentlichen Argumente auf der eigenen Seite hat, aber ebenso klar in der Minderheit ist, und dazu noch in der Mehrheit durchaus viele ernst zu nehmende Menschen sind – inwieweit ist es dann richtig, deren Sichtweise zu übernehmen?

MoonHee beantwortet hier Fragen des alltäglichen Lebens oder Fragen, die ihr schon immer einmal stellen wolltet. In ihrem ersten Beitrag „Wie geht es dir heute? Danke, gut!“  findet ihr mehr Informationen dazu.

Antwort MoonHee:

Der brasilianische Erzbischof Hélder Pessoa Câmara sagte: „Wenn einer allein träumt, ist es nur ein Traum. Wenn viele gemeinsam träumen, ist das der Anfang einer neuen Wirklichkeit.“ Die gleiche Aussage wird auch Yoko Ono zugesprochen. Hier lässt sich wunderbar erkennen, dass sich trotz Individualität und Vielfalt an unterschiedlichen Plätzen der Welt ähnliche Überlegungen und Strömungen entwickeln.

So individuell und unterschiedlich wir alle auch sein mögen, sind wir doch nie frei von gesellschaftlichen Einflüssen und Zwängen. Der vorherrschende Zeitgeist prägt uns und zugleich erschaffen wir ihn. Individuelle und kollektive Gedanken, Ereignisse, Erfindungen, Theorien oder Ideologien beeinflussen sich gegenseitig. Die Welt ist pluralistisch – und doch ist sie ein Ganzes.

Jeder Mensch ist einzigartig. Aber der Mensch ist auch ein soziales Wesen, das bedürftig und von anderen abhängig ist. Mensch sein bedeutet soziale Interaktion. Sein bedeutet teilhaben. Auch wenn wir uns als Individuen wahrnehmen und auf individuelle Freiheit pochen, gehören wir uns nicht selbst allein. Wir tragen nicht nur Verantwortung für uns selbst, sondern auch für andere. Das betrifft alle Menschen und nicht nur ein paar wenige. Die Grund- und Menschenrechte basieren auf der Gleichheit, Bedürftigkeit und Gemeinschaftlichkeit der Menschen. So heißt es im ersten Artikel der Menschenrechte: „Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geist der Solidarität begegnen.“

Sichtweise

Mit Vernunft und Gewissen begabt bedeutet, zur sozialen Intelligenz befähigt zu sein. Genau diese Intelligenz hat unser Überleben gesichert und wird es weiterhin tun. Nur gemeinsam ist ein gutes Leben bzw. ist Leben überhaupt möglich. Aus diesem Grund darf Pluralismus nicht nur ein schönes Ideal sein, sondern muss gelebter Alltag werden. Der Pluralismus in seinem Anspruch an Gleichberechtigung und Chancengleichheit (keiner ist besser als der andere), Toleranz für verschiedene Lebensanschauungen und Lebensstile, Religions- und Meinungsfreiheit bildet die Grundlage einer demokratischen Gesellschaft. Im Gegensatz zu einem totalitären Regime wird im Pluralismus Dogmatismus abgelehnt. Die Rechte und Meinungen des Einzelnen werden zu gesellschaftlichen Anliegen und Belangen, wie umgekehrt. Das Motto eines wahren Pluralismus ist: Einer für Alle und Alle für Einen. Die Minderheit schaut nicht nur auf sich selbst, sondern auch auf das, was der Mehrheit guttut, so wie die Mehrheit Rücksicht auf die Wünsche der Minderheit nimmt.

Leider führen Pluralismus, Diversität und Unterschiedlichkeit auch zu Ängsten, Misstrauen, Konkurrenz und Machtansprüchen. Zwar wird man es nie allen rechtmachen können, doch wären die negativen Begleiterscheinungen des Pluralismus nicht so stark, wenn wir wahrhaftig verständen, dass wir uns alle gegenseitig brauchen. Und das ist auch gut so! Denn Brauchen ist nicht etwas Schlechtes – es vereint uns. Es macht uns weich, sensibel und mitfühlend. Brauchen oder gegenseitige Abhängigkeit sind per se keine Schwäche, sondern etwas Bereicherndes. Stärke ist immer dort, wo wir zugunsten aller, das schließt mich mit ein, denken und handeln. Unter diesen Kriterien können wir unsere eigenen Ansichten, Meinungen und Argumente überprüfen und uns dann entscheiden, ob wir an ihnen festhalten wollen oder ob anderes Denken und Handeln vielleicht sinnvoller wären. Sicherlich sind die Argumente überzeugend, die einen Perspektivenwechsel zulassen. Hierzu die Geschichte der drei Siebe des Sokrates:

Eines Tages kam ein Mann zum weisen Sokrates gelaufen und sagte: „Hey, Sokrates, ich muss dir etwas erzählen!“
„Einen Moment“, unterbrach ihn der Weise. „Hast du das, was du mir sagen willst, durch die drei Siebe gesiebt?“
„Drei Siebe?“, fragte der Mann voller Verwunderung.
„Ja, guter Freund! Lass uns sehen, ob das, was du mir sagen willst, durch die drei Siebe hindurchgeht: Das erste Sieb ist die Wahrheit. Hast du das, was du mir erzählen willst, geprüft? Bist du dir sicher, dass es wahr ist?“
„Nein, ich habe es erzählt bekommen …“
„Na gut. Aber sicher hast du es mit dem zweiten Sieb geprüft. Das zweite Sieb ist das der Güte. Wenn es nicht sicher wahr ist, was du mir erzählen möchtest, ist es wenigstens gut?“
Zögernd sagte der andere Mann: „Nein, ganz im Gegenteil …“
„Dann“, unterbrach ihn der Weise, „lass uns auch noch das dritte Sieb anwenden. Ist es wichtig und notwendig, es mir zu erzählen, was dich so aufregt?“
„Notwendig nun gerade nicht … und wichtig auch nicht.“
„Also, mein Freund“, lächelte der weise Sokrates, „wenn das, was du mir erzählen willst, weder wahr noch gut noch notwendig oder wichtig ist, so lass es lieber sein und belaste dich und mich nicht damit.“

Weitere Fragen & Antworten von MoonHee Fischer finden Sie hier.

Sie haben eine Frage? Schreiben Sie an m.fischer@ursachewirkung.com

Bilder Teaser und Text© Pexel
Bild Header © Sigurd Döppel 

Dr. phil. MoonHee Fischer

Dr. phil. MoonHee Fischer

„Was eines ist, ist eines. Was nicht eines ist, ist ebenfalls eines.“ (Zhuangzi) Jenseits eines dualistischen Denkens, im Nichtgeist, gibt es weder das Eine noch ein Anderes. Wo das Eine sich von einem Zweiten abgrenzt, ist keine Einheit, sondern Zweiheit. Die Erfah-rung des Einen – ich bin al...
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