Das Feld, auf dem unsere Gedanken wachsen, liegt Buddha besonders am Herzen.
Feld- und Gartengewächse zu säen, beim Wachsen zu unterstützen, zu ernten, was zu ernten ist – Knollen, Blätter, Sprossen, Stile, Blüten, Blütenstände, Früchte –, all das haben Menschen erforscht und von Generation zu Generation weitergegeben. Giftige Pflanzen waren stets darunter oder das Wissen um ihre Heilkraft wurde gehütet, wie überhaupt das gesamte Wissen wie ein kostbarer Juwel gehütet, manchmal versteckt und geheim oder offen weitergegeben wurde. Menschen kannten sich aus mit der Erde, auf der sie lebten, und mit deren Geschöpfen.
Wir brauchen nicht zu betonen, wie viel uns verloren gegangen ist als Folge der Hexenverfolgungen und -verbrennungen und nicht zuletzt durch die beiden Weltkriege. In allen Kriegen wird auch die Erde geschändet, werden nicht nur Menschen vertrieben, ihrer Sprache, ihren Gebeten, Liedern und Gräbern entfremdet. Nicht, dass es nicht immer auch Menschen gegeben hätte, die es in die Ferne zog und die Samen, Früchte und Erkenntnisse mitbrachten oder ihre Familien irgendwo auf vorher fremder Erde gründeten. Wenn dies nicht auch stattfinden würde, hätte es wohl weniger Entwicklung der Menschheit und wechselseitige Befruchtung gegeben. Ebenso vermischten sich sogenannte Sieger und sogenannte Besiegte.
Doch es werden ja nicht nur heilsame Gedanken gedacht, edle und nützliche Ideen geboren, sondern der Schlamm und Dreck der Welt bahnt sich ebenfalls seinen Weg in unseren Geist. Und hier möchte ich Buddha und seine Lehren ins Spiel bringen. Dabei bemühe ich mich darum, mich so ausdrücken, dass meine Worte wirklich meine Erfahrung widerspiegeln und nicht, was sein sollte oder was ich in Büchern gelesen oder in Vorträgen gehört habe, ohne es mir in einem alchimistischen Vorgang tief zu eigen zu machen. Letzteres findet natürlich andauernd statt, immer dann, wenn wir einen – im weitesten Sinne – spirituellen Weg gehen.
Die buddhistische Lehre bietet so ungeheuer vieles und Praktikables an, um unser Denken, Fühlen, Empfinden und wie alles zusammenhängt, zu bemerken, zu untersuchen, umzuwandeln. Als würden wir die Erde ständig umgraben oder zumindest mit unseren Händen berühren und die Krümel ihrer Oberfläche durch unsere Finger rieseln lassen, sie dabei kennenlernen und aussieben. Dabei fällt mir meine Großmutter ein, die sicherlich fast täglich ihren Gang durch den großen Garten machte: durch den Vorgarten mit der gepflegten Wiese, auf der wir Kinder spielten, und hinten, durch den Nutzgarten. Ich lernte die Beeren unserer Heimat kennen, pflückte mir nach Bedarf Himbeeren, Brombeeren, Stachelbeeren, Johannisbeeren. Äpfel, Birnen, Kirschen, Mirabellen wuchsen an den Bäumen, und Kartoffeln, Möhren, Zwiebeln, Kohlsorten, Salat, ich glaube sogar Spargel, wurden geerntet und in der eigenen Küche verarbeitet. Wir erkannten die Früchte wieder im Apfelmus, im Kompott im Winter, in Marmelade und Gelee, in Saft, der mit Wasser verdünnt wurde, in Gemüse und Salat auf dem Teller. Zum Pilzesammeln begleitete ich meine Oma und den Dackel – oder hatte sie immer nur Schäferhunde? Und auch diese köstlichen Früchte des Waldes kamen im Winter aus Gläsern in die Pfannen. Das hört sich jetzt alles vegetarisch, ja fast vegan an. Es stimmt aber nicht, denn damals wurde Fleisch gegessen, nicht nur sonntags. Frikadellen waren dabei, Bratwürste, Suppen mit Einlagen, Mett, Speck und Fisch. Wie viel Arbeit der Garten machte und die Weiterverarbeitung der geernteten Früchte, das können sich heute nur noch wenige vorstellen. Zumal noch Öfen geheizt werden mussten, Holz dafür gesucht, gekauft, gehackt werden musste und Öfen gereinigt wurden. Von den Prozeduren mit dem Wäschewaschen usw. bis hin zum Bügeln ganz zu schweigen.
Ich spreche das so deutlich an und aus, weil viele von uns, auch ich als wieder Alleinstehende, fast der Kultur oder Unkultur des Essens und Trinkens „to go“ erlegen sind, mit allen Nachteilen und den wenigen Vorteilen. Natürlich sind die meisten von uns in der Dienstleistungsgesellschaft, in der wir leben, von diesen Tätigkeiten befreit, entfremdet, entwöhnt, und diese Entwöhnung scheint mir mit ein Grund zu sein, warum wir die konkrete Erde („soil“) zugrunde gehen lassen. Sie ist mittlerweile so steril geworden, so bar jeden Lebens und damit jeder Wirkmacht, dass weitere Dürren nicht nur wegen der Hitze zu erwarten sind. Ich weiß nicht, warum wir denken, glauben, hoffen, dass wir ohne eine innige Wiederbelebung unserer Beziehung zur Erde, zur Krume, wie man früher sagte, zu den Grundlagen unserer Ernährung einigermaßen gesund und eingebunden in das Netz des Lebens weiterleben könnten. Ich glaube, dass Frauen, weil sie ausgestattet sind mit magischen Verwandlungskräften („sie“ können Blut in Milch verwandeln und ihren Leib anderen Wesen zur Verfügung stellen) eine wesentliche Rolle in diesem Heilungswerk spielen und natürlich die Männer auch, indem sie diese Hingabe lernen, dem Leben und damit den Frauen zu dienen. (Ich gehe hier nicht auf die unbotmäßige Vereinfachung und auf Zwischentöne von „weiblich“ und „männlich“ ein, weil man damit auch viel zerreden kann. Natürlich gibt es eher weibliche Männer und eher männliche Frauen und alles dazwischen. Doch noch bekommen Frauen mit der entsprechenden Ausstattung Kinder, und Männer zeugen diese hoffentlich in einem Liebesakt, der diesen Namen verdient.)
Und Buddha? Dharma-Praxis verlangsamt uns, vielleicht ist das das größte Geschenk. Wir Menschen als Spezies müssen gründlich verlangsamt werden. Früher galten noch Weisheiten, die zum Beispiel sinngemäß infrage stellten, ob die Seele bei einer Zugreise – geschweige denn nach einem Flug – auch wirklich mitgekommen sei oder vielleicht eine Woche länger bräuchte als der aufs Körperliche reduzierte Mensch. Und dabei ist das doch so wahr. Der reizüberflutete Mensch der Postmoderne ist ohne Fernseher, abgelöst durch entsprechende Programme auf den Handys und Laptops, mobil mit Auto nach Möglichkeit und mindestens mit Fernbussen unterwegs (wenn der Mensch arm ist), nicht mehr denkbar. Aber kann er oder sie noch zu Fuß laufen, auf Gras, staubigen Wegen, außer in Afrika, auf dem Land im Süden oder in anderen ländlichen Gegenden? Kann Mensch sich noch beheimatet fühlen in seiner Nachbarschaft, im nächsten Park Bekannte treffen, auf dem Markt einkaufen, vielleicht ein Stückchen Land sein Eigen nennen?
Setzen wir uns noch richtig hin zum Essen, Danken, Gedenken? Kommen wir zusammen zum (nach Geschmack: Beten), Bitten, Singen? Lassen wir die Erde durch unsere Finger rieseln, genießen ihren Duft?
In Stille sitzen und gehen, sitzen und gehen, eine Tasse Tee trinken, ein erbauliches Lied singen, Glocken hören, in Stille sitzen, Worte der Weisheit hören, verlangsamen uns grundlegend. Atem- und Blutkreislauf beruhigen sich, unser Geist, oft noch aufgeregt, hochgeputscht, unendlich beschäftigt, bietet sich uns dar: Wir können gar nicht anders, als ihn wahrzunehmen, ärgerlich oder annehmend, ruhig oder richtend. Wir können üben, die Erde, die Krumen unseres Geistes zu erforschen, sie durch unsere Wahrnehmung rieseln zu lassen, die Felsbrocken zu ertasten und zur Seite zu rollen oder zu umgehen, Unkraut wirklich kennenzulernen und nur das Unnötige, Schädliche herauszureißen. Dieses, täglich gemacht, wie meine Großmutter im Garten, garantiert nicht unbedingt gute und reiche Ernten. Dafür sind wir und unsere Gärten von zu vielen Faktoren abhängig. Aber die ehrliche und gründliche Beschäftigung mit den Notwendigkeiten unserer Nahrungsbeschaffung erdet uns und macht uns zu einigermaßen gesammelten Menschen. Und dazu lernen und üben wir, wie wir das Feld unseres Geistes so bestellen, dass wir Gemeinheit, Faulheit, Niedertracht (Eifersucht, Neid), übertriebene Angst, Gefallsucht, Kaufzwang und andere Zwänge herausreißen und ein gemütliches Kartoffelfeuer entzünden, in das wir, immer wieder, diese Geistesgifte hineinwerfen. Ich hege die leise Hoffnung, dass sich unser so gepflegter Geisteszustand auch auf die konkrete Erde auswirken möge, die nämlich, so hörte ich, am Siechen ist. Schaffen wir das? Schaffen wir es, das Gute und Richtige zu wollen und aktiv zu verfolgen?
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