Mehr Bücher gekauft, als man lesen kann? Vielleicht kennen Sie dieses Gefühl. Doch die Bibliophilie hat auch ihre Vorteile, und die auch noch zum richtigen Zeitpunkt.
Bestimmt gibt es Menschen, die sich darüber wundern würden, welche Bücher sich in meinem Regal nebeneinander tummeln. Ich versuche ja immer wieder, sie thematisch zusammenzupacken, doch in dem bunten Allerlei des Büchermarkts gibt es immer mehr Crossover-Literatur, die weder in das eine noch in das andere Regal hundertprozentig hineinpasst. Und wenn ich mich dann schweren Herzens, weil des Platzmangels und Übereinanderstapelns müde, zu einer kleineren Entrümpelungsaktion aufraffe, sind es meist diese Schmöker, mit denen ich die Geduld des Hortens verliere. Und mir einrede, dass es schon seinen Grund haben wird, warum sie immer noch ungelesen hinter Glas gehalten werden. Die Büchertankstelle im nahe gelegenen Shopping-Center freut sich.
Und dann gibt es da noch dieses eine Regal, in dem mit vollem Vorsatz alle Bücher stehen, die tatsächlich nirgendwo hineinpassen. Nicht in die Belletristik, nicht in die Spiritualität oder Religion, nicht ins Regal mit dem ganzen Hexenzeug. Vor diesem Regal steht ein pinkfarbener Ohrensessel mit Fußteil und violetter Kuscheldecke, in dem ich immer sitze, wenn ich einfach nur sitzen möchte. Dass da auch Bücher sind, schert mich normalerweise wenig, weil ich dort eben nichts tun will. Zu mir kommen möchte nach einem kopfvollen Tag, räucherstäbchengeschwängerte Luft atmen will und mir einfach nur Dinge vorstellen möchte. Im Idealfall angenehme, schöne Dinge wie einen Spaziergang am Strand, das nächste Menü für einen kommenden Einladungsabend, wie ich zum Geburtstagsgeschenk meiner Mutter komme, das heuer vermutlich den weltweiten Lieferschwierigkeiten zum Opfer fallen wird. Na gut, nicht ganz so angenehme Gedanken, aber manchmal drängen sich solche eben auch in den mentalen Strandspaziergang.
Und Ähnliches ist mir kürzlich wieder passiert, während die Katze auf meinen Beinen lag und wieder einmal nicht genug kriegen konnte vom Powerkraulen. Da drängte sich auf einmal der Gedanke ins Hirn, ob ich jemals eine ideale Beziehung hinbekommen würde. Also nicht mit dem idealen Mann, sondern mit dem idealen Mindset, also meinem. Mit voll50 hat sich da einiges an Prägungen angesammelt, von Erwartungen spreche ich jetzt gar nicht. Frau will auf der einen Seite das, hasst auf der anderen Seite jenes und erwartet am Ende etwas ganz anderes. Und weil das vielen Frauen nicht bewusst ist, scheitern auch Männer an ihnen. Denn eines habe ich gelernt: Einfache Botschaften sind das Um und Auf. Kürzlich saß ich mit dem Vater meiner Kinder beim Essen und erzählte ihm von einer Lektion aus dem Buch, das ich gerade lese: „Wenn es verletzt, ist es keine Liebe.“ Sie sehen, ich tue etwas für mein ideales Mindset. Auf jeden Fall stand da, dass man sich entschuldigen solle, wenn man an jemandem anderen etwas auszusetzen habe und so tun, als wäre man selbst schuld an der Situation. Ich lese dieses Buch gleich nach dem Aufstehen und schreibe meine Gedanken dazu auf. Das fiel mir an diesem Morgen ziemlich schwer, weil ich den Prozess einfach nicht nachvollziehen konnte. Doch aus Erfahrung weiß ich, dass es manchmal nur ein kleines Puzzleteil braucht, um das Bild zu vollenden. Mein Ex ist da normalerweise recht gut, weil er ganz anders gestrickt ist als ich und oftmals durch seine andere Perspektive genau dieses Puzzleteil findet.
Ich erzählte ihm also von dieser Lektion, während ich meine Nudeln auf dem Löffel drehte und dabei spürte, wie unlogisch das alles ist. Irgendwann hob ich den Kopf und schaute ihn an. Meinen Ex, nicht den Löffel. Ich glaube, er hat während des Starrens auch noch leicht den Kopf geschüttelt. In diesem Moment wurde mir klar: Wenn die Botschaft nicht einfach ist, sollte man sie loslassen. Wir haben noch versucht, das an einem Beispiel durchzuspielen, doch selbst daran sind wir gescheitert. Und seitdem ist mir klar: Wenn jemand in der Nase bohrt, werde ich mich sicher nicht dafür entschuldigen, als hätte ich in der Nase gebohrt. Das ergibt einfach keinen Sinn und spielt auch überhaupt keine Rolle beim idealen Beziehungs-Mindset.
Vielmehr ist es wichtig – und das hat mich mit dem Buch wieder versöhnt -, dass man sich beispielsweise aus Rollen herausbewegt, die einen zutiefst ermüden. Dass sich Fülle einstellt, wenn man auf „Empfang“ schaltet oder ein emotionales Risiko eingeht, wenn wir einer Situation überdrüssig sind. Da konnte ich andocken, weil es eh dem entspricht, was ich schon seit geraumer Zeit versuche. Meine bisherigen Rollen hinterfrage, zum Beispiel. Ich habe bemerkt, dass ich immer zum Manikürzeug greife, wenn ich nicht mehr zuhören kann. Seit ich das weiß, sage ich einfach: „Mein Kopf ist voll – können wir später weiterreden?“ Einfache Botschaft, die ankommt. Ich durfte mit Dankbarkeit erfahren, wie sehr mein Leben mit Fülle gesegnet ist. Und just in einem dieser Momente, wo mir das wieder einmal klar vor Augen stand, wurde ich zusätzlich beschenkt mit mehr, als ich es mir je ausmalen hätte können. Einfache Botschaft, dieses Mal vom Universum. Wenn es aber trotzdem einmal vorkommt, dass ich in eine Phase komme, wo mich der Township-Besuch vor sieben Jahren nicht gleich in die Realität zurückholen und mich einnorden kann – kurz, wenn ich schlechte Laune habe -, und das auch noch mit einem anderen Menschen zu tun hat, kann ich die Ehrlichkeit mir gegenüber aufbringen, mein Mangelgefühl zu definieren. Hinschreiben, worum es wirklich geht. Und dann einfach sagen: „Ich will nicht mit Hunden im Zimmer schlafen.“ Einfache Botschaft. Um es gleich zu sagen: Ich habe nichts gegen Hunde, zumindest solange sie meiner Katze nicht das Futter wegfressen. Und selbst dann habe ich Verständnis für sie. Soweit das eben geht als Mensch für ein Tier.
Dieses Bücherregal neben meinem Ohrensessel ist eine kleine Goldgrube, zumindest für meinen Seelenfrieden. Denn während ich meine Gedanken schweifen lasse, fällt mein Blick bestimmt auf einen Buchrücken, den ich im Grunde schon vergessen habe. Und der mir doch einen Weg weist, den ich versuchen könnte zu gehen. Ich mag neue Wege, ich mag Herausforderungen, die mir helfen, meine Prägungen loszuwerden, auch meine Erwartungen. Ein Glück, dass die Realität inzwischen alle Erwartungen übertrifft.
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