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Heute las ich bei einem Freund auf Facebook eine Kontroverse über Gebete. Klassisches Zen und Gebete, das geht sicherlich nicht zusammen.

Eine andere Stimme war zu hören: Zen sei eigentlich ein einziges, langes Gebet. Ich erinnere mich an meine Zeiten in tibetisch- oder vietnamesisch-buddhistischen Gemeinden, und was wir dort über längere Zeit rezitiert haben, waren ganz klar Gebete. Unsere „Liebende-Güte-Texte“: Gebete. Tonglen-Übungen: Gebete. Wenn wir den Begriff sehr weit fassen_ Gerichtete, segensreiche Wünsche könnte man sie vielleicht nennen.

In der Kontroverse war auch die Rede davon – und uns natürlich nicht unbekannt –, wie albern sich das für manchen Menschen und zu manchen Zeiten anfühlt, wenn um etwas gebetet wird, was nicht da ist: Regen, Versöhnung, Heilung, ... zum Beispiel. Wenn es ersehnt wird. Natürlich sagt der buddhistisch Praktizierende: Die Realität, wie sie ist, anzuerkennen und vollkommen zu akzeptieren, sei – unter anderem – das eigentlich Befreiende. Wobei, von welcher Realität sprechen wir hier? Aber lassen wir das für diesen Moment beiseite.

Ich konnte auf zwei, vielleicht auf drei Ebenen den Segen von Gebeten bezeugen. Und zwar weniger an dem Eintreten der gewünschten Wirkung als an dem Geist, der durch das Gebet und im Vollzug des Betens erzeugt wird. Meines Erachtens wird dieser Faktor unterschätzt. Vielleicht liegt er jedoch für regelmäßige Kirchgänger auf der Hand. Mit dem Gebet treten wir, so will es mir scheinen, in einen verwandelten Raum ein. Früher hätte man gesagt: Wir erheben unsere Seele (zu Gott). Wer mir bis hierher folgt: Müssen Sie nicht einräumen, dass dieser Vorgang schon ganz und gar großartig ist? Wir erheben unsere Seele, die vielleicht vorher kleinmütig, verzweifelt oder einfach normal abgestumpft war oder sogar in der Tiefe eines Brunnens feststeckte. Und wir drücken durch unser Gebet aus, dass wir etwas für möglich halten. Wir halten es für möglich, dass ein anderes Wesen durch unsere ausgesandte „Liebende-Güte-Übung“ berührt und durch diese Berührung verändert wird. Oder, falls wir uns an ein göttliches Wesen wenden, bitten wir dieses, sich dieser Angelegenheit anzunehmen. Indem ich in diese Beziehung, die zu bereinigen, zu klären, zu verschönern ist, tief empfundene Gefühle, Reflexionen, gefolgt von innigen Wünschen, hineinlege, verändert sich die Beziehung schon. Und das, liebe Leser, IST das Wunder. Ich halte Veränderung, Verständigung und was immer es noch sei, für äußerst wesentlich und uns Menschen für veränderbar und beeinflussbar. Zum Besseren und Guten.

Es muss sich authentisch anfühlen
Seit ich zusätzlich zu den Zen-buddhistischen und buddhistischen Rezitationen auch Gebete spreche, wie sie mir auf die Lippen kommen oder wie sie seit Jahrhunderten gesprochen werden, hat sich mein Inneres verwandelt. Ich bin im besten Sinne, finde ich und finden einige andere, „kindlicher“ geworden, sanfter, unabhängiger von außen. Kann das nicht anderen ganz ähnlich gehen? Außerdem fühle mich gereinigt und gesegnet, mir fällt kein passenderes Wort ein. Vielleicht auch, weil ich mit dieser Praxis zugebe, dass ich ein bedürftiges, lernendes Geschöpf bin, das eine Kraft um Hilfe bittet, die uns übersteigt oder in uns liegt als zu befreiendes Potenzial. Wie sich das genau verhält, ist mir letztlich gleichgültig. Es muss sich authentisch anfühlen.

Es gibt noch ein Argument, das für die Kraft des Gebetes spricht: Wir alle kennen Atmosphären, in denen „dicke Luft“ herrscht, wo die „Luft zum Schneiden“ dick ist.
Es kann auf Dauer krank machen, wenn Kinder oder Erwachsene länger unter starken Spannungen zwischen ihren Mitmenschen oder unter eigenen starken Spannungen leben und leben müssen. Wir kennen die zerstörerische Wirkung von Hassreden, übler Nachrede, Mobbing, Bitterkeit und anhaltendem, unterdrücktem Zorn. Meint man nicht manchmal, die misstrauischen Gedanken anderer hören und fühlen zu können? Wie ist es dann mit dem Entgegengesetzten? Stellen wir uns eine Zusammenkunft, eine Gemeinschaft, eine Gruppe, ein Team vor, wo Vertrauen und Zutrauen gelebt werden, Gutmütigkeit und Wertschätzung glaubwürdig und überwiegend spürbar sind und Konflikte ausgetragen werden, bevor sie riesig geworden sind.

Also: Das gedachte und im Stillen ausgesandte Wort hat Wirkung. Die Intensität der Gedanken – also die energetische Ladung – spielt auch eine Rolle. Wenn ich an Gott glaube, dann lasse ich Sie (die Göttin) machen und wirken. Was für eine Erleichterung! Ich stelle mir vor, dass wir gelassener in unsere Bezugsgruppe (siehe oben) zurückkehren, wenn wir unseren Geist aufgeräumt haben.

Können gute Wünsche, die in Einklang mit ethischen Werten stehen, in Erfüllung gehen? Warum nicht? Vielleicht nicht so, wie wir es uns dachten, und nicht zu unserer Zeit. Das richtige Wünschen will gelernt sein, davon handeln zahlreiche Märchen, die für Erwachsene geschrieben wurden. Das „richtige“ Beten auch. Denn oft haben wir es als Kinder und Jugendliche verlernt und auf den Müllhaufen geworfen. Wenn wir sehr enttäuscht wurden, der Schmerz unerträglich war, wir kein lebendes Beispiel eines uns zugetanen elterlichen Freundes oder einer Freundin hatten, dann kann es ein für alle Mal vorbei sein mit Gott oder mit einer anderen religiösen Tradition, in der wir uns verletzt fühlten.

Mögen alle Wesen sich und der Welt gegenüber voller Wohlwollen sein.

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Monika Winkelmann

Monika Winkelmann

Monika Winkelmann, geboren 1952, Mutter einer erwachsenen Tochter, geschieden seit 2019, hat 1980 mit 28 Jahren ihr erstes Meditationswochenende in Hamburg besucht. Diese tiefgreifende Erfahrung sowie ihr Leben als Alleinerziehende der Tochter Lisa, geb. 1984,  bewirkten, dass sie viele Jahre a...
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