Es war eine ziemlich gute Idee, einen ganzen Kontinent zwischen mich und den Rest meines Alltags zu schaufeln. Aus der Entfernung sieht manches anders aus – doch wird daraus auch etwas Dauerhaftes?
Sitzt man 17 Stunden in Fliegern herum, hat man genügend Zeit, sich an die wachsende Distanz zu gewöhnen. Das Essen ist anders, plötzlich kann man Filme anschauen, für die man zuhause noch nicht einmal die Steckdosenleiste einschalten würde, und die Geräusche, die Passagiere während des Schlafens machen, muss man daheim auch nicht aushalten. Doch da man nicht entkommen kann, beobachtet man eben die Menschen, die man unter anderen Umständen tunlichst zu vermeiden sucht. Eine Atem-Meditation hilft dabei ungemein, Ohrstöpsel zählen zum unersetzlichen Equipment, wenn die Ameisen im Hintern zu krabbeln beginnen.
Doch das ist eben der Preis, wenn man weit weg will. So rund 9.000 Kilometer eben. Und dort ankommen möchte, wo es warm und entschleunigt ist. Ein Freund von mir fährt lieber nach Asien, doch dort ist es mir zu sehr lalalalalalalala. Ich brauche das bumm...bumm...bumm. Und anders als dieser Freund, der heuer einen Südafrika-Test machte und frühzeitig nach Thailand abgeflogen ist, macht es mir nichts aus, wenn etwas nicht pünktlich daher kommt. Zumindest im Urlaub. Da habe ich nämlich Zeit. Und muss ich warten, habe ich Tausend Dinge, die ich anschauen oder beobachten kann. Menschen. Architektur. Bewegung.
Anders als letztes Jahr, wo ich kaum zu dem kam, warum ich weg geflogen war, habe ich meinen Plan nahezu hundertprozentig eingehalten. Einen Tag Nichtstun, einen Tag Entdeckungen. Manchmal machte ich mir zwar ein wenig Druck, weil mir mein innerer Kobold zuflüsterte, dass ich zum Nichtstun nicht so weit hätte fliegen müssen. Doch sobald ich das merkte, habe ich Ethel (das ist der Name meines Kobolds) auf ihr Samtkissen zur Ruhe gebettet – und ich mich selbst auch. Dabei den Wellen beim Rauschen zugehört. Hin und wieder Stimmen vom Strand aufgefangen. Dem Wind zugeschaut, wie er die feingliedrigen Jakaranda-Blätter bewegt hat.
Und irgendwann einmal habe ich festgestellt, dass mir vieles wirklich einerlei geworden ist. All das, was mich in den vergangenen Wochen des alten Jahres umgetrieben hat – oder waren es Monate? - , war plötzlich weg. Die Gedanken, die ich mir über andere Menschen machte? Weg. Die Gedanken, was ich Neues in mein Leben bringen könnte? Weg. Die Gedanken, warum andere so sind, wie sie sind? Weg. Und das alles ohne Power-Meditation oder Geblitzdingswerden. Einfach nur deshalb, weil ich genau am richtigen Ort war. Wollte ich soziale Interaktion, hatte ich sie. Wollte ich alleine sein, hatte ich auch das. Keiner, der mich in eine reaktive Situation gebracht hätte. Keiner, der mich vor Entscheidungen gestellt hätte. Keiner, der irgendwas in mir getriggert hätte. Wundervoll!
Das in mir zu behalten, möchte ich nun in meinen Alltag überführen. Doch es ist mir klar, dass das keiner dieser Strandspaziergänge sein wird, die ich in den letzten Tagen so genossen habe. Die ersten Versuche, mich davon abzubringen, gab es bereits. Und zufrieden kann ich berichten, dass ich widerstanden habe. Früher ins Bett zu gehen, hilft immens. Auch wenn das vielen wahrscheinlich nicht in das Bild passen wird, das sie von mir haben. Doch das Wandel ist unterwegs. Vielleicht hat es mit dem Beginn des Wassermann-Zeitalters zu tun, das einige vor sechs Jahren ausgerufen haben. Vielleicht hat es aber auch nur damit zu tun, dass jede/r einzelne früher oder später für sich selbst beschließen muss, wie es mit ihrem/seinem Leben weiter gehen soll – nachhaltig. Das „Schneller, höher, weiter“- Motto hinterlässt uns irgendwann einmal atemlos. Und ich möchte atmen. Tief atmen. Und dazu brauche ich Raum und Zeit. In meinem Fall gilt also: „Weniger ist mehr.“ Mal schauen, wie lange ich es schaffe, Raum und Zeit zu verteidigen. Drücken Sie mir die Daumen!
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