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Heute schon ausgetickt auf der Jagd nach Weihnachtsgeschenken? Einen Hund fast zusammengetreten auf dem Christkindlmarkt, wo man seine eigenen Füße kaum mehr sieht? Fünfmal einen Rippenrempler bekommen an der Kasse? Es wird Zeit, sich umzuorientieren.

Vorweihnachtlicher Kaffee mit einer Freundin, die im Handelsumfeld tätig ist und feststellt, dass vor Weihnachten Menschen verstärkt austicken. Also nicht nur in Sachen Unfreundlichkeit, sondern richtig „krass“, wie die Jungen das sagen würden. So mit Pistolen und Geiselnahme. Und ich denke an die Telefonseelsorge, die gerade vor und zu Weihnachten alle Ohren voll zu tun hat. Und eine Meldung, wonach sich zu viel „Last Christmas“ auf die Psyche schlagen kann. Dass man aggressiv wird, auch wenn man „Last Christmas“ wirklich liebt. Ich werde ja aggressiv, wenn ich mit Black Fridays konfrontiert werde und für den Weg vom Eingang des Einkaufszentrums bis zur Trafik fünf Minuten brauche, der mich sonst 30 Sekunden kostet. Es wäre etwas anderes, wenn die Menschen, die mir in diesem Weg stehen, gut gelaunt wären, lachen, Freude zeigen würden. Doch der Hindernislauf führt über hochgezogene Schultern, unter hängenden Mundwinkeln durch und entlang von unentschlossenen Blicken.

Was passiert mit uns in dieser Zeit, die eigentlich der inneren Einkehr gelten sollte? Fast scheint mir, als würden viele Menschen noch mehr unter Druck geraten, als das im alltäglichen Restjahr der Fall ist. Und das auf mehreren Ebenen. Zum einen werden Geschenke erwartet, und weil man gar keine Zeit mehr hat, sich mit den Beschenkten zu beschäftigen, stresst die Auswahl. Kein Wunder, dass Gutscheine boomen. Das Lieblingsgeschäft einer Tante oder eines Freundes kann man sich noch merken, doch was es verkauft? Keine Ahnung. Meine Lieblings-App You regt zu „Go gift-free“ an, doch das ist wohl für viele zu spät. Für mich auf jeden Fall schon, denn ich war heuer richtig früh dran mit meinen Besorgungen. Für nächstes Jahr werde ich es mir überlegen, schon allein deshalb, weil es mich von den griesgrämigen Gesichtern fernhält.

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Was mich zur zweiten Ebene bringt. Ähnlich wie zu Silvester, wo man es einfach krachen lassen MUSS, weil ja ein neues Jahr beginnt und das möglichst happy begangen werden will, sehen sich viele Menschen dazu gezwungen, heile Welt zu „spielen“. Wenn ich mich so umschaue, dann hält sich der Spieltrieb in meiner sozialen Umgebung denkbar zurück. Zwei Freundinnen haben Null Bock auf das Familiengeklüngel und setzen sich ihm trotzdem aus. Eine andere macht beim Spießrutenlauf mit, der nach einer heuer erfolgten Trennung unweigerlich ansteht. Wieder eine andere blickt dem Fest mit mulmigem Gefühl entgegen, weil ihr das Neue Jahr möglicherweise den Zwang einer Fernbeziehung über Tausende von Kilometern auferlegt, und eine weitere plant schon jetzt die effizienteste Route durchs Land, um alle Familienmitglieder angemessen befriedigen zu können. Und da soll man noch auf „heile Welt“ machen? Durchatmen ist in solchen Fällen wohl das Höchste des Leistbaren. Kürzlich lese ich ein Interview mit Hansi Hinterseer – ja, ich gestehe es. Er ist normalerweise in keinster Weise meine Kragenweite, weder musikalisch, noch sportlich, noch dialektal. Das Blonde-Blauäugige macht das alles wirklich nicht wett. Auf jeden Fall: Unter der goldgelben Helmfrisur entsteht ein wirklich guter Gedanke: „Wir haben auch keine heile Welt daheim, aber eine heilbare Welt.“ Und das ist gerade in der (Vor-)Weihnachtszeit etwas wirklich Tröstliches. Denn wenn wir es schaffen können, nicht bloß gute Miene zum bösen Heimatfilm zu machen, sondern die Möglichkeit einer Heilung mitzudenken, dann öffnen wir die Tore unseres Inneren. Dann kann sich etwas entwickeln in dieser Zeit. Dann verkrampfen wir uns weniger, sondern können Leichtigkeit praktizieren. Dinge einfach stehen zu lassen, ohne sie persönlich zu nehmen, wird plötzlich möglich.

Auch für mich wird das eine Aufgabe, denn ich habe in den vergangenen Tagen selbst gemerkt, wie sehr Dinge und Situationen an meinen Nerven zerren, die durch unzählige Wiederholungen in diesem Jahr gerade jetzt das berühmte Fass leicht zum Überlaufen bringen. Dass ich schneller hadere als vielleicht im Juli, lauter schimpfe als im Oktober und definitiv weniger Energie habe als im April. Und gerade deshalb will ich genauer hinschauen, wo die Wurzel dieses Unmuts liegt. Weil nur so Heilung passiert. Und diesen Prozess will ich mit mir alleine austragen, weil andere gerade mal gar nicht helfen können. Insofern wäre es ungerecht, Scheingefechte auf ihren Rücken auszutragen. Sie mit schlechter Laune zu konfrontieren. Wir alle haben ein Recht auf friedliche Weihnachten, und dieser Friede beginnt mit Heilung. Sich zurückzunehmen, am besten aus überfüllten Christkindlmärkten und Einkaufszentren, und in Momenten des inneren Aufruhrs die Stille zu suchen, kann helfen. Denn wir sind heilbar, alle – vor allem durch uns selbst.

 

Claudia Dabringer

Claudia Dabringer

Studium der Germanistik und Publizistik in Salzburg mit allem, was zu einer Studentenzeit dazugehört. Mehrjährige Konzentration aufs Radiomachen, bis alles durchexerziert war und das Schreiben wieder im Kopf präsent wurde. Seitdem freie Journalistin und als Fachtrainerin & Schreibpädagogin...
Kommentare  
# Anna 2017-12-15 12:16
Weihnachten sollte eine Zeit der Besinnlichkeit und der Dankbarkeit sein und nicht des wahllosen konsums!
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# magclaudia dabringer 2018-01-12 14:10
liebe anna, da bin ich ganz ihrer meinung!
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