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Achtsamkeit & Meditation

Gehen und Stehen erscheinen als das Normalste der Welt. Ruhig an einem Platz ausharren, erweist sich als gar nicht so einfach. Es kann aber Quelle einer großen Kraft sein.

Es gibt den Ausspruch: „Sei standhaft“ oder man fragt: „Hast du ein gutes Standing?“ Doch was ist Standhaftigkeit? Einfach gesagt: Standhaftigkeit ist die Fähigkeit, stehen zu bleiben. Bei Widrigkeiten nicht sofort aufzugeben. Stattdessen beharrlich zu sein und zu schauen, was die Situation benötigt. Von Augenblick zu Augenblick. Bei Standhaftigkeit geht es darum, seinen inneren Prinzipien treu zu bleiben. Wenn man sich in der Natur umschaut, verbindet man Standhaftigkeit oft mit einzelnen Bergen, ganzen Gebirgen oder Bäumen. Man sagt, jemand ist unerschütterlich wie ein Berg. Schauen wir uns die Synonyme für Standhaftigkeit an, finden wir unter anderem: ausdauernd, durchhaltend, eisern, konsequent, tapfer, unbeirrbar, unentwegt, willensstark, unnachgiebig, aber auch zäh, stur, verbissen.

Wenn man in China einen Qigong-, Tai-Chi- oder Kampfkunstlehrer gefunden hat, ist es üblich, dass man im ersten Jahr das Stehen lernt. Man beschäftigt sich immer wieder damit, wie man den Körper ausrichtet, um so Körper und Geist miteinander zu verbinden. Man lernt, wie man durchlässig wird, wie man die Energie ungehindert durch Körper und Geist fließen lassen kann. Wo hält man fest? Wo ist man verkrampft? Wo muss man loslassen? Man lernt, die Natur zu spüren. Die Erde unter sich, die einen aufrichtet und darüber der Himmel, der einsinkt und umhüllt. All das ist auch Teil der Stehpraxis, der Meditation im Stehen. Sie hat damit zu tun, den eigenen Platz zu finden, Wurzeln zu schlagen und trotzdem miteinander verbunden sein. Und dann ist über uns der Himmel: Offenheit, Raum, Möglichkeiten.

Stehen

„Der Himmel besteht dauerhaft, die Erde unentwegt. Dass Himmel und Erde dauerhaft und unentwegt bestehen, folgt daraus, dass sie nicht um ihrer selbst willen geschaffen sind; deshalb ist ihr Schaffen ewig. Aus diesem Grunde stellt der im Einklang stehende sein Selbst zurück, und er selbst geht allen voran; er bekümmert sich nicht um sein Selbst, und er selbst kann bestehen. Ist dies denn nicht so, weil er keinen Eigensinn hat? Genau deshalb kann er sein Eigenes verwirklichen.“ Ein Vers aus dem Dao de Jing

Die traditionelle chinesische Stehmeditation heißt „Zhan Zhuang“, auch bekannt als „Stehen wie ein Baum“. Sie ist einfach anzuwenden und vielfach wirksam. Zhan Zhuang ist ein stehendes Qigong-System, in dem sich Körper und Geist von selbst ausrichten. Je mehr Wochen man diese Stehmediation übt, desto mehr verlässt jede Spannung den Körper. Am Anfang hat man erst mal das gegenteilige Gefühl. Nach kurzer Zeit spürt man seine Verspannung im Körper. Der Atem wird schwer, und man denkt an alle Dinge, die eigentlich dringend erledigt werden müssten, statt rumzustehen. Doch mit einiger Übung entwickelt sich ein besonderes Körpergefühl nach außen und innen. Die Energie, auch „Qi“ genannt, die sich bei vielen Menschen heutzutage sehr im Kopf staut – auch durch die vielen Zoom-Calls der letzten Monate –, sinkt allmählich nach unten. Durch den festen Stand verwurzelt man sich dabei mit der Erde. Wenn die Spannung den Körper verlassen hat, wächst die innere Kraft. Die Mediation im Stehen wurde eigentlich für Kampfkünste entwickelt, bis man feststellte, wie gut die Übung für die körperliche und spirituelle Gesundheit ist. Viele unterschätzen die Stehmeditation aufgrund ihrer Einfachheit. Von außen sieht Zhan Zhuang nicht spektakulär aus. Doch im Inneren verändern sich mit der Zeit Körper und Geist radikal.

Wenn man Stehmeditation draußen in der Natur ausübt, ist es sinnvoll, dies in der Nähe von Bäumen zu tun. Bäume sind unsere natürlichen Lehrmeister. Unten fest und standhaft im Erdreich verwurzelt, oben flexibel und beweglich. Von außen sieht es so aus, als wenn sie sich nicht groß verändern. Doch innerlich arbeitet die ganze Zeit ein lebendiges System. Und die Farben und Formen ändern sich mit jeder Jahreszeit. Wenn man Stehmeditation draußen in der Natur übt, direkt vor Bäumen, arbeitet man nicht nur mit dem eigenen Qi, sondern bezieht auch die Energien der Natur, der Bäume, mit ein. Dass Bäume für Sauerstoff sorgen, ist bekannt. Auch, dass Bäume sich gegenseitig unterstützen, dass sie untereinander und mit anderen Lebensformen vernetzt sind, weiß man heute. Bäume geben ihre Energie weiter. In vielen alten Kulturen war es üblich, Bäume zu umarmen, um sich mit ihrer Energie zu verbinden. Das sogenannte Baum-Qigong, ist mehrere Tausend Jahre alt. Jedem Baum wurde eine bestimmte Energie zugeschrieben, die eine ganz eigene Wirkung entfaltet.

„Ein Fischreiher steht in der blauen Flussmündung, einsam und einzeln, weiß, unbeweglich für Stunden. Ein Fisch! Schnell stürzt der Vogel los; die Beute eingefangen.“ Ein Vers aus dem Buch: „365 Tao: Daily Meditations, Deng Ming Dao“.


Dieser Artikel erschien in der Ursache\Wirkung №. 117: „Meditation"

UW117 Cover


Der Fischreiher ist im Tierreich der Meister im Stehen. Geduldig, ausdauernd und ganz ruhig. Er schläft nicht oder träumt, sondern ist vollkommen wach, präsent und in einem kontemplativen Zustand. So wird ihm das Stehen zur Quelle, um im richtigen Moment das Richtige zu tun, die Möglichkeiten zu erkennen und wahrzunehmen, die ihm das Leben präsentieren – ohne Zweifel und ohne zu hadern.

Zhuang Zhuan

Eine Anleitung, wie man die Stehmeditation, „Zhuang Zhuan“, „Stehen wie ein Baum“, in den eigenen vier Wänden oder besser draußen in der Natur, zusammen mit Bäumen, praktiziert:

  1.  Die Füße parallel und schulterbreit ausrichten.
  2.  Die Fußgelenke sind gerade und nicht abgeknickt, die Knie leicht gebeugt.
  3. Becken entspannt nach unten und etwas nach vorn sinken lassen, sodass das Steißbein nach unten zeigt.
  4. Die Arme zunächst entspannt nach unten hängen lassen. Die Arme liegen nicht am Körper an, damit die Achselhöhlen frei sind. Danach die Arme im großen Bogen erst nach oben und dann nach vorne bewegen.
  5. Die Fingerspitzen zeigen zueinander und haben Abstand voneinander. Die Handinnenflächen sind auf Brusthöhe ausgerichtet. Die Handgelenke sind gerade und nicht abgeknickt.
  6. Die Ellenbogen werden nach außen ausgerichtet. Die Schultern sinken lassen. Der Brustkorb ist gerundet und sinkt ebenfalls etwas nach unten.
  7. Ruhig und gleichmäßig atmen, sich entspannen. Die Gedanken kommen zur Ruhe.
  8. Den Körper und den Geist miteinander verbinden. Oder wie man im Daoismus sagt: Himmel und Erde zusammenbringen! Dies geschieht, indem man mit voller Aufmerksamkeit bei seinem Körper verweilt und seinen Körper spürt. So kommt man vom Intellektuellen ins intuitive Gewahrsein. Geist und Körper können so miteinander verbunden werden.
  9. Am Ende der Übung löst man die Übung wieder so auf, wie man in sie hineingegangen ist (siehe Punkt 4–6).

Die Übung kann sich von anfangs fünf Minuten bis hin zu einer Stunde ausdehnen!

Bild Teaser & Header © Pixabay

Dennis Engel

Dennis Engel

Seit 2005 praktizierender und engagierte Buddhist. 2011 ausgebildet als Kommunikationstrainer. 2015 weitergebildet zum Meditationscoach. 2015-2016 Ausbildung zum Qi Gong Kursleiter absolviert. Durch meine langjährige Erfahrung als Trainer im Mobilfunkbereich, Teilnahme und auch Organisation von Ach...
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