Wir führen ein Leben in Wohlstand und Frieden, mit Rentenanspruch, Krankenversicherung und sonstigen sozialen Leistungen. Warum sind wir Menschen im Westen dennoch so unzufrieden, so unglücklich, so unleidlich?
„Alles ist gut. Der Mensch ist unglücklich, weil er nicht weiß, dass er glücklich ist. Nur deshalb. Das ist alles, alles! Wer das erkennt, der wird gleich glücklich sein, sofort im selben Augenblick." (Dostojewski)
Das Schlagwort Zufriedenheit taucht in vielen Lexika erst gar nicht auf, man findet aber Glück. Ist das etwas ganz anderes? ‚Kröners Philosophisches Wörterbuch' beschreibt Glück als den ‚Zustand vollkommener Befriedigung, vollkommener Wunschlosigkeit'. Der ‚Brockhaus' hält Glück für die ‚Erfahrung der Freude angesichts der Erfüllung von Wünschen, des Eintretens positiver Ereignisse'. Und ‚Metzlers Philosophisches Lexikon' fragt, ‚ob die Erfüllung der Begierden das Glück nach sich zieht, oder ob das Glück nicht vielmehr dann eintritt, wenn sich der Mensch von allen Begierden und Leidenschaften frei gemacht hat'. Was ist nun also Glück? Etwas erlangen oder nichts wollen?
In manchen Texten werden Glück und Zufriedenheit synonym verwendet. Andere verwenden beide Begriffe für Unterschiedliches. Zufriedenheit wird dann eher als stabile innere Haltung verstanden, also als Einstellung, und Glück als ein instabiles Hochgefühl der Freude, also als eine Emotion. Einig ist man sich von der Antike bis in die Gegenwart, dass Glück das höchste Ziel und Gut des menschlichen Lebens ist. Das buddhistische Land Bhutan hat das Gesamtglück seiner Bevölkerung sogar zum Staatsziel erklärt und hält rein ökonomische Ziele für ungeeignet. Glück und Zufriedenheit schließen gesundes Wohlbefinden ein. Gesundheit ist laut WHO ein ‚Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlergehens und nicht nur das Fehlen von Krankheit oder Gebrechen'.
Eines ist sicher: Alle Anstrengungen aller Menschen haben immer direkt oder indirekt den Zweck, zufriedener oder glücklicher zu machen, auch wenn das oft nicht offensichtlich ist. Denn im Lauf des Lebens können sich ursprüngliche Ziele, etwa der Zugehörigkeit oder des Geliebtseins, durch Umwandlungen hinter sekundären Zielen wie Ehrgeiz oder Machtstreben verbergen. Wegen solcher Irrtümer kommt beim Glücksstreben am Ende nicht selten das genaue Gegenteil heraus. Und so erscheint es vielen Menschen ganz normal, unglücklich, resigniert oder schlecht gelaunt zu sein. Zufriedenheit ist dagegen die Abwesenheit solch negativer Emotionen, eine wohlige Grundspannung, bereithaltend und offen für das Leben, gegenwärtig, freundlich, optimistisch und vertrauend. Wie eine freie Haltung, von der aus man sich unverkrampft und freudig in jede Richtung bewegen kann, die die jeweilige Lage erfordert.
Bewusstseinswissenschaftlich ist eine Rückwärtserklärung von Zufriedenheit oder Glück aus bestimmten neuronalen Mustern oder ‚Glückshormonen' ein Irrweg, weil sie primäre Geistesphänomene als sekundäre Folge materieller Prozesse missversteht und damit die Wirklichkeit und den Erkenntnisweg auf den Kopf stellt. Streng genommen ist nämlich etwa ‚das Gehirn' selbst ein Konzept des Geistes. Ein altbekanntes Pyramidenmodell menschlicher Bedürfnisse des Psychologen Abraham Maslow (1970) geht davon aus, dass sich höherstufige Bedürfnisse – wie etwa Selbstverwirklichung – erst bilden, wenn fundamentale – wie Nahrung oder Sicherheit – befriedigt sind. Dies wird leider oft missverstanden als ‚Erst das Fressen, dann die Moral'. Die Erfüllung existenzieller Grundbedürfnisse ist zwar sicher die Voraussetzung für Zufriedenheit, doch ‚satt und sauber' ist nicht genug. Eine weitere unverzichtbare Bedingung für ein zufriedenes Lebensgefühl ist die Erfahrung von Zugehörigkeit zu anderen Menschen. Der Säugling braucht menschliche Nähe genau wie Muttermilch. In den 40er Jahren belegte der Psychoanalytiker René Spitz, dass hospitalisierte, körperlich gut versorgte Kinder ohne menschliche Zuwendung schwer erkranken. Das Soziale ist ebenso existenziell wie Nahrung, und zwar lebenslang.
Auch Vertrauen, Mut und Angstfreiheit sind Grundbedingungen für Lebenszufriedenheit und Begleiter des Zugehörigkeitsgefühls. Wir können äußere Freiheit erst leben, wenn wir einen sicheren inneren Raum bewohnen, der uns mutig, neugierig und unabhängig macht. Zufriedenheit ist darum ein Bestandteil emotionaler Stabilität, ein wichtiger Schlüsselfaktor in der Persönlichkeitspsychologie. Nicht zuletzt ist Zufriedenheit eine gängige Variable in Demografie und Marktforschung, etwa als Arbeits-, Lebens- oder Produktzufriedenheit. Sie wird dort definiert als Ergebnis eines Vergleiches von Soll- und Ist-Werten, abhängig vom Anspruchsniveau einer Person. Nach der Theorie der Person-Umwelt-Passung müssen in einer gegebenen Lebensumwelt 1. die Angebote zu den Bedürfnissen und 2. die Anforderungen zu den Fähigkeiten einer Person passen. Verschiedene Ausprägungen dieser Faktoren bedingen dann verschiedene Arten von Zufriedenheit bzw. Unzufriedenheit, die wiederum unterschiedliches Anpassungsverhalten nach sich ziehen. Wenn sich jemand zum Beispiel als wenig kompetent erlebt, wird er in einer gegebenen Situation eher ‚resignativ zufrieden' sein, ein Mensch mit hoher Selbsteinschätzung dagegen eher ‚konstruktiv unzufrieden', das heißt, er wird seine Lage verbessern wollen.
Die optimale Passung aller Faktoren würde einen Flow-Zustand begünstigen, in dem eine Tätigkeit anregend und befriedigend ‚wie von selbst läuft'. Das Erreichen von Zielen kann zufrieden machen, etwa wenn eine unbefriedigende Situation aktiv verändert wurde. Alle Organismen agieren nicht kausal, sondern final und streben nach Selbstaktualisierung, d.h. nach Realisierung der in ihnen angelegten Wachstums- und Aktionsmöglichkeiten. Werden sie darin eingeschränkt, folgen Stress und Unglück beziehungsweise kann dies bis zu Krankheit und Tod führen. Zufriedenheit kann abhängen vom Vergleich mit anderen. Nicht das absolute Einkommen zählt, sondern der Abstand zu den Kollegen. Eine Befriedigung kann neue Unzufriedenheit auf höherem Niveau freisetzen. Man hat zum Beispiel lange an einem Diplom gearbeitet, um sich ‚gleichwertiger' zu fühlen, und dann glaubt man, erst ein Doktortitel sei wirklich ‚genug'. Buddhistisch erkennen wir im Messen mit anderen die Geistesgifte Stolz, Neid und Eifersucht. Je unzufriedener und ängstlicher man ist, desto mehr haftet man an Status, Dingen oder Bedingungen. Äußere Ziele sind jedoch nicht als Kompensation für innere Defizite tragfähig.
Zufriedenheit beinhaltet also eine bestimmte Beziehung zu sich und der Welt und wurzelt im tiefen Sinn, den man dem Leben schon als Kind gibt. Vor allem unsere frühen vorsprachlichen, oft irrtümlichen Sinnüberzeugungen durchdringen als globales Selbst-, Welt- und Lebensgefühl, als Selbstinstruktionen, Wertempfinden oder Gewissen unser ganzes Denken, Sprechen und Tun. Beispielsweise erleben unzufriedene Menschen selten Glück, weil sie eher feindlich und misstrauisch in die Welt schauen. Sobald wir uns diese Muster und ihre Ursprünge bewusst machen, erkennt der Geist sich selbst und wir können freier handeln. Zufrieden zu sein hat viele positive Folgen, etwa eine erhöhte Beziehungsfähigkeit oder eine bessere Gesundheit. Menschen in glücklichen Partnerschaften leben länger und bewältigen Schwierigkeiten besser. Zufriedene Menschen erleben die Mitmenschen wohlwollend und freundlich als Mitwesen, die ebenso glücklich sein möchten wie sie selbst. Es gibt auch keinen vernünftigen Grund, sich anderen gegenüber überlegen oder unterlegen zu fühlen.
In einer psychologischen Fortbildung fragte der Dozent: „Wie genau erzeugen Sie eigentlich ein Problem?" Diese Frage löste allgemeine Verwunderung aus, nehmen doch die meisten Menschen an, Probleme seien etwas Objektives außerhalb von ihnen selbst. Doch analysiert man, was genau geschieht, so kommt man immer zu dem Ergebnis, dass es Probleme nicht gibt, es gibt erst einmal nur neutrale Phänomene. Zu Problemen machen wir sie erst durch unsere Stellungnahme und allerlei Mitgedachtes, das nicht in den Dingen selbst liegt. Glück und Unglück sind immer Zustände des Geistes, keine äußeren Tatsachen. Es ist so, wie der indische Verwirklicher Tilopa (988-1069) seinem Schüler Naropa (1016-1100) erklärte: „Nicht die Erscheinungen binden dich, sondern dein Haften an ihnen bindet dich."
Viele unserer sekundären Lebensziele sind Verdeckungen ursprünglich primärer Ziele. Man erreicht zwar, was man will, spürt aber nicht, was man braucht. Vielleicht will einer viel Geld verdienen, sucht aber eigentlich Sicherheit oder Wertschätzung. Der Dalai Lama weist darauf hin, dass es manchmal ein großes Glück sein kann, nicht zu bekommen, was man will. Buddhist zu sein bedeutet nicht das Aufgeben von Lebenszielen, sondern von falschen Zielen, festen Vorstellungen, Anhaftung und Ablehnung. Unangenehme Gefühle erlebt man natürlich weiterhin. Man kann sich aber ihre Vergänglichkeit bewusst machen und üben, sie wie Wolken durch den Geist ziehen zu lassen, sie zu beobachten und vielleicht sogar ihr Wesen und ihre Substanzlosigkeit zu begreifen, statt aus ihnen heraus dumm zu handeln. So weitet sich der Blick für die reichen Möglichkeiten im Raum, der der eigene Geist ist.
Sobald wir dann in unsere Lebensorientierung noch das Glück aller anderen mit hineinnehmen, verwandeln sich unsere egozentrischen Ziele langsam in überpersönliche und zeitlose. Es geht dabei aber nicht um karitativen Aktionismus, das wäre ‚Mitgefühl, das zum Feind geworden ist'. Gemeint ist die Umgestaltung der Sichtweise. Wer den Mitmenschen liebevoll begegnet und sie unterschiedslos schätzt, handelt sinnvoll und ist glücklicher. Das funktioniert garantiert. Man nimmt seine Probleme nicht so ernst und erlebt die Welt mit potenziellen Freunden bevölkert, unter denen man sich schöpferisch bewegen und etwas beitragen kann. Man kann sich auch immer wieder klarmachen, dass unsere Probleme meist aus fiktiven Gedankenwolken entstehen, die Vergangenes reproduzieren. Füttert man sie nicht und bleibt in der Gegenwart, gibt es kein Problem. Sobald wirklich eines auftaucht, geht man mutig durch. Manches Leiden ist eine Hypothek aus Kindertagen, in denen Hilflosigkeit nützlich war. Es ist ein Irrtum.
Wir müssen unsere persönlichen Bedingungen der Möglichkeit für Zufriedenheit selbst schaffen. Dabei sind äußere Hindernisse Spiegel unseres Geistes. Wenn uns zum Beispiel die Zeit fehlt, müssen wir unerschrocken schauen, was wichtig und was änderbar ist. Mit unserer Aktivität in der Welt strukturieren wir zeitliche, physische, soziale, energetische, emotionale und inhaltliche Räume, die unserem Geist entspringen und wieder auf ihn zurückwirken. Alle Lebensbedingungen sind aus eigenen Absichten und Taten entstanden und werden ununterbrochen von uns erzeugt. Karma ist unbestechlich: „Feuer kann erkalten, Wind kann mit einem Netz eingefangen werden, Sonne und Mond können auf die Erde fallen, doch das Reifen von Handlungen kann nicht fehlschlagen."
Als Buddhist hat man es sehr klar: Man muss, um glücklich zu sein, überhaupt nichts Zusätzliches erlangen oder zum Gegebenen hinzutun. Man muss nur etwas entfernen beziehungsweise loslassen. Glück ist also gerade nicht das Mehr von etwas, sondern das Weniger von etwas anderem. Und das sind die Verschleierungen des Geistes, die fünf Geistesgifte Unwissenheit, Anhaftung, Zorn, Stolz und Eifersucht. Der ursprüngliche Geist aller Wesen hat seit anfangsloser Zeit die Buddha-Natur. Er ist furchtlos, weit wie der Raum, mitfühlend und freudvoll. Wenn das nicht so wäre, könnten wir gar keinen Wunsch nach Befreiung vom Leid spüren. Weil unser Leben von so vielen Bedingungen abhängig ist, können wir es nicht hoch genug schätzen, jetzt als Mensch unter günstigen Umständen in einem freien Land geboren zu sein und mit dem Geist arbeiten zu können.
Es gibt keine Vorläufigkeit im Leben, man kann Glück und Zufriedenheit nicht in die Zukunft verschieben und von immer neuen Bedingungen abhängig machen. Auch den Mitmenschen gegenüber haben wir eine Art Verpflichtung, das Beste und Freudigste aus unserem Leben zu machen – nur so können wir ihnen nutzen. Werden wir selbst die Menschen, denen wir gerne begegnen würden. Das heißt nicht, immer zwanghaft grinsend durch die Welt zu laufen, es kann auch das unbeirrbare, geduldige Durcharbeiten schwieriger Lagen bedeuten. Mut macht zufrieden, Angst deprimiert. Wir sollten auch die Meditationspraxis nicht an Bedingungen knüpfen oder auf einen fiktiven Zeitpunkt verschieben, wo wir ‚genug Zeit' haben, ‚wohlhabend' oder ‚problemfrei' genug sind. Wenn wir es jetzt nicht tun, mitten im unvollkommenen Leben, tun wir es nie. Geistige Entwicklung ist keine Sonntagsbeschäftigung, es ist der höchste Sinn und sehr kostbar. Es ist eine unwiederbringliche Gelegenheit, genau jetzt diesen Menschenkörper zu haben und Buddhas Lehre zu verstehen. Verschiebt man es, steht bald der Tod vor der Tür und man bemerkt, dass es zu spät ist. Jetzt ist der Anfang von allem.
Der kapitalismus ist kein freier markt mehr und jede kuenstlichkeit macht den ach so super civilisierten menschen kaputt
Er ist ja eh auf seiner wirtschafts productions factor reduziert denn die vorteile des wohlstandes sind nur kleine zueckerli damit wir ja auch so funktionieren wie die multiconcerne am besten profite machen
).
Das Wissen zu Medizin ist zu umfassend, als dass es ausschließlich
eine Methode gibt.