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Leben

Die queere Community war und ist schon immer ein Ort der Hilfe und Selbsthilfe. Wir stellen vier Buddhist*innen vor, die sich in der queeren Community engagieren. 

Freiwilligenarbeit während der AIDS-Epidemie 

Ken, 76, Tischler, Redakteur – jetzt im Ruhestand lebt er meist in Nordindien

Im Jahr 1989 verlor ich eine sehr liebe Freundin. Sie war für mich wie eine Mutter. Ihre Tochter bat mich um Hilfe. Ob ich mich um das Bett meiner Freundin kümmern würde. Ich könne es ja spenden, sagte sie. Das Bett stand im ehemaligen Zimmer meiner Freundin im Altersheim in San Francisco. In ihm hatte sie die letzten Jahre ihres Lebens verbracht.

Nach einer Reihe von Telefonanrufen gab mir ein schwuler Freund, der gerade Designarbeiten für das „Zen Center Hospice Project“, ein buddhistisches Hospiz, erledigte, Franks Nummer. Frank Ostaseski war der leitende Lehrer und Gründungsdirektor des Hospizes. Ich fragte, ob das Hospiz ein Bett gebrauchen kann. Frank wollte es. Jetzt mussten wir es nur noch quer durch die Stadt zum Hospiz bringen. Ich hatte einen Lastwagen, und wir vereinbarten, dass wir gemeinsam die Lieferboten spielen. Und so verabredeten wir uns.

Ich mochte Frank sofort, mit seiner aufgeweckten und positiven Art. Er entsprach überhaupt nicht meinem Bild von einem Sterbebettpriester. Er war auch sehr überzeugend: In dem Zeitraum, der zwischen dem Aufladen des Bettes in den Lkw und dem Abladen lag, meldete ich mich zum Hospiz-Trainingsprogramm des Zen-Centers an.

Dieser Nachmittag zeigte mir, wie Freiwilligenarbeit ablaufen kann: zuhören, einfache Bitten erledigen, sich um das kümmern, was gerade notwendig ist, und mit anderen zusammenzuarbeiten. Es sind keine besonderen Kenntnisse erforderlich.

Sechs Monate später traf ich Issan Dorsey Roshi, einen Zen-Mönch und Lehrer. Ich wurde Freiwilliger im Maitri-Hospiz, einem Hospiz für Menschen, die an AIDS starben. Von Issans Mitgefühl geleitet, hat mich die Betreuung von fast hundert sterbenden Männern verändert. Ich kochte Spaghetti und bemalte Wände, half den Männern, ihre letzten Dinge zu regeln, und rief ihre Mütter an. Nicht jede Aufgabe war einfach, aber ich selbst profitierte enorm.

Ich habe nicht wissen können, dass der Transport eines Bettes mich zum ersten buddhistischen Hospiz für Menschen mit HIV/AIDS führen würde. Ich habe eigentlich nur einem Mann helfen wollen, ein Bett quer durch San Francisco zu transportieren. Vielen Dank, Frank, Issan, J. D., Bernie und die anderen Männer, die in mein Leben kamen. Eure Geschenke waren unglaublich.
www.zencaregiving.org, www.maitrisf.org

queereFoto © Kumar Abhishek

Achtsamkeit und Tierbefreiung

Daniela, 45, Managerin und Aktivistin

Die wichtigste Aufgabe im Buddhismus ist für mich das Loslassen von Anhaftungen. Anhaftung an meine Wut, Anhaftung an mein Ego und Anhaftung an vermeintliche Sicherheiten.

Ich lernte, dass mir dabei zwei Seiten meiner Identität hilfreich sind: erstens meine Identität als Lesbe. Sie half mir seit meinem Coming-out in jungen Jahren dabei, mich so weit wie möglich außerhalb der patriarchalen Mann-Frau-Dualität zu bewegen. Zweitens meine Identität als vegane Tierbefreierin. Sie hilft mir, die Mensch-Tier-Dualität zu überwinden und zu erkennen, dass wir mit allen Lebewesen und der Natur verbunden sind.

Während ich diese Zeilen schreibe, befinde ich mich mitten in der Coronapandemie in Nepal. Ich will fünf Monate lang als Freiwillige ein großes Tierheim unterstützen. In bin in einem Land gestrandet, in dem für seine dreißig Millionen Einwohner*innen in den Krankenhäusern weniger Beatmungsgeräte zur Verfügung stehen als in einer durchschnittlichen deutschen Kleinstadt.

Meine Anhaftungen werden hier jeden Tag auf die Probe gestellt. Meine erlernten Denkmuster und Strategien funktionieren an diesem Ort nicht. Nepal wird alle paar Jahre von Katastrophen heimgesucht: Der Bürgerkrieg und Naturkatastrophen, wie das Erdbeben von 2015, haben den Menschen eine besondere Resilienz verliehen. Eine Widerstandsfähigkeit, die durch den Einfluss des Buddhismus sicherlich auch noch einmal gestärkt ist. In Nepal bin ich gezwungen, mich von Bequemlichkeit und Sicherheit zu lösen. Ich erfahre eine ganze neue Art der Freiheit.

Pema Chödrön, eine tibetische Nonne mit US-amerikanischen Wurzeln, schreibt, dass das Kultivieren der Fähigkeit, Erbarmen zu fühlen, ein Weg zum Erwecken von Bodhichitta ist – der selbstlosen Entschlossenheit, anderen zu helfen. Ebenso wie das Nähren unserer Fähigkeit zu lieben.

Gelebte buddhistische Praxis ist für mich, das Leid der Tiere zu sehen, die Verbundenheit mit allen Lebewesen zu erkennen und dabei nicht das Herz zu verschließen. Die Arbeit im Tierheim lässt mich dies jeden Tag üben. Als Tierbefreiungsaktivistin kenne ich die schrecklichen Schicksale, die Millionen von Lebewesen unentwegt ertragen müssen. Sie jeden Tag vor Augen zu haben, erfordert eine besondere Hingabe an das Leben.

Immer, wenn mich das Leid um mich herum zu verschlingen droht, erinnere ich mich daran, dass ich mit den Dingen arbeiten kann. Ich muss nicht gegen sie kämpfen. Oft höre ich von Menschen, dass sie ein solches Engagement im Tierheim nicht leisten könnten, weil ihnen die Schicksale der Tiere zu nahe gehen würden. Aber wird das Leid der Tiere weniger, nur weil wir es nicht sehen? Es gibt immer wieder Anlässe, da möchte auch ich weglaufen. Etwa wenn ein Tier eingeschläfert wird, weil jeder weitere Moment nur unnötige Qualen bedeutet. Dann versuche ich eine Verbindung zu diesem Lebewesen herzustellen. So kann ich es spüren lassen, dass es mit mir und allem anderen eins ist.

Ich befasse mich erst seit zwei Jahren mit der buddhistischen Praxis. Für mich sind die schönsten Momente diejenigen, die mir Kraft geben, genau hinzuschauen, um Selbsttäuschung zu überwinden. Schon alleine dadurch kann Leiden gelindert werden.  

www.snehacare.de, www.the-vegan-rainbow-project.org

queereFoto © privat

Rechtsberatung für die Mainzer und Wiesbadener AIDS-Hilfe

Dominic, 39, Rechtsanwalt

HIV und AIDS sind noch nicht „erledigt“. Wissenschaft, Gesellschaft, Verwaltung und Justiz haben im Umgang mit der Krankheit viel dazugelernt und gegenüber den Betroffenen einige Stigmata abgebaut. Doch mangelnde gesellschaftliche Teilhabe, Scham und Diskriminierung sind immer noch sehr präsent. Als ich vor über zehn Jahren als Berater einer Landesregierung im Bereich „gleichgeschlechtliche Lebensweisen“ aufhörte, wo ich den Bereich „HIV und AIDS“ verantwortete, suchte ich eine ehrenamtliche Tätigkeit. Ich wollte meine berufsspezifischen Kenntnisse und Fähigkeiten weiter einsetzen, um die Angst der Betroffenen und Tabuisierung abzubauen. Mir geht es dabei um die Würde jedes Einzelnen, die Rechtsstaatlichkeit und eine Verringerung von Diskriminierungen in unserer Gesellschaft.

Nicht selten fühlen sich HIV-Positive ausgegrenzt oder trauen sich nicht, Fragen zu stellen. Sie verschließen sich damit aber selbst den Weg zur angemessenen Wahrung ihrer Rechte. Wie ist das mit der Mitteilungs- und Schweigepflicht? Welche Versicherungen darf ich als Infizierter noch abschließen? Hat die Infektion einen Einfluss auf meine Sozialleistungen? Welche Rechte haben Partner*innen?

Viele Rechtsfragen sind alltäglich. Einige ganz besonders. Sie treffen eine Person in ihrem Kern. Ein Medizinstudent etwa ist seit zwei Jahren HIV-positiv und unter der Nachweisgrenze. Das bedeutet, er ist bei regelmäßiger Medikamenteneinnahme nicht infektiös. Mit dem Beginn seines praktischen Jahres und der Entscheidung, sich als Chirurg zu spezialisieren, kommen Zweifel auf, ob die HIV-Infektion dem Berufswunsch entgegenstehen könnte. Oder eine verheiratete Mutter von zwei Kindern wurde vor dreißig Jahren gewaltsam angesteckt und kann erst heute über die Infektion sprechen und ihre Rechte durchsetzen.

Im Rahmen meines Ehrenamts habe ich das große Glück, Vertrauen und Dankbarkeit zu erfahren. Ich kann die Betroffenen stärken, ihre Zweifel zerstreuen und, ganz wichtig, motivieren, ihren Weg weiterzugehen. Denn es gibt nur den einen.

www.kaiser-rechtsanwaelte.com/kanzlei/pro-bono/

 queereFoto © privat


Dieser Artikel erschien in der Ursache\Wirkung Special №. 1: „Buddhismus unter dem Regenbogen"

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Hilfe für queere Geflüchtete

Tobias, 49, Software-Architekt

Als Ende 2015 in der Mainzer Erstaufnahmeeinrichtung Leyenhof ein schwules Paar aus Syrien mit dem Leben bedroht wurde, musste schnell gehandelt werden. Es wurde klar, dass dies kein Einzelfall ist: Queere Geflüchtete müssen sich in Gemeinschaftsunterkünften verstecken oder sind Ausgrenzungen und Anfeindungen ausgesetzt. Das heißt nicht, dass alle Geflüchteten homo- oder transphob sind. Wie üblich reicht eine kleine aggressive Minderheit. 

Aus diesem Anlass gründeten Angehörige der queeren Community die „Rainbow Refugees Mainz“, die eine Anlaufstelle und Selbsthilfegruppe für queere Geflüchtete in Mainz und Rheinland-Pfalz wurde. Wir sensibilisierten in Workshops das Personal in den Unterkünften. Wir helfen Geflüchteten bei Fragen des Alltags, beim Umgang mit Behörden, beim Finden von Wohnungen oder Jobs. Ein weiteres Arbeitsfeld ist die Asylberatung. Queere Geflüchtete haben wenig Chancen im Asylverfahren. Sie vertrauen den Behörden und Dolmetschern aufgrund der Verfolgung in der Vergangenheit oft nicht. Viele sind durch massive Gewalterfahrungen traumatisiert. 

In den letzten fünf Jahren hatten wir aber auch viele Erfolge. Wir sind in allen Beratungsstellen des Landes Teil der Beratungskultur. Im Jahr 2019 erhielten wir für unsere Arbeit den Brückenpreis des Landes Rheinland-Pfalz. 

Die Arbeit mit queeren Geflüchteten ist eine große Herausforderung. Ich werde mit Leid konfrontiert und erlebe Machtlosigkeit. Bei Abschiebungen bin ich oft nicht in der Lage, Lebewohl zu sagen. Die Coronapandemie hat das Leid noch einmal verstärkt und viele Integrationserfolge zunichte gemacht. Meine buddhistische Praxis hilft mir aber, mich diesem Leid zu stellen. Und ich lerne auch zu akzeptieren, dass in manchen Situationen Zuhören das Einzige ist, was ich tun kann. 

queereFoto © privat

Weitere Informationen hier.

Rainbow Refugees Mainz www.rainbow-refugees-mainz.jimdosite.comrainbow-refugees-mainz.jimdosite.com

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