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Diskurs

Buddhistische Kunst im Humboldt Forum in Berlin. Ein Bericht über die Dauerausstellung.

Mindestens 1.800 Jahre alt sind die grauen Schieferreliefs mit Szenen aus dem Leben Buddhas. Wundergeschichten über die Kräfte des Religionsstifters finden sich hier in Stein gehauen wieder. Im ersten Raum des Museums für Asiatische Kunst im Berliner Humboldt Forum kann man Highlights buddhistischer Kunst aus dem Großraum Indien bestaunen. Nur die Erläuterungen über die religiösen Konzepte dahinter fallen eher spärlich aus.

Die frühsten erhaltenen Darstellungen Buddhas um die Zeitenwende zeigen vor allem Symbole, zum Beispiel den Bodhibaum, unter dem Siddharta Gautama erwacht sein soll. Ein leerer Thron, von Gazellen umrahmt, erinnert an seine erste Predigt im Gazellenhain von Sarnath. Außerdem werden Bilder von einem Rad auf einem Sockel ausgestellt, das für die Lehre des Buddha steht. Diese Motive muss man deuten können, denn erst nach der Zeitenwende beginnen die Steinmetze – stilistisch beeinflusst von Griechenland –, den Buddha in menschlicher Gestalt abzubilden. Und dann tauchen auch hinduistische Götter in seinem Gefolge auf, die sich ihm unterordnen. 500 Jahre nach dem Tod des Erwachten ist die Legendenbildung weit fortgeschritten.

Gleich im vorderen Teil des Raums steht ein rotes steinernes Tor an der Wand, das bis unter die Decke reicht, übervoll mit Symbolen und Figuren: Elefanten als Herrschaftssymbole, geflügelte Löwen. Und alles dreht sich um den Buddha und seine Lehre.

Kunst

Das Tor ist eine Replik aus einem Gipsabdruck aus dem 19. Jahrhundert aus Indien. Das prächtige Tor wurde im ersten Jahrhundert unserer Zeitrechnung in Sanci gefertigt. Pilger, die zum alten Stupa kamen, einem Grabhügel mit der Asche Buddhas, mussten an dem Prunktor vorbei. In jeder Himmelsrichtung ist ein Tor aufgestellt. Dieses hier zeigt beispielsweise den Bodhibaum, den Kaiser Ashoka (304–232 v. u. Z.) in der Szene verehrt und gießt.

Auch die Flucht aus dem Palast des Buddha ist in Stein festgehalten, aber ohne den Buddha selbst zu zeigen. Das Pferd mit dem Ehrenschirm ist ohne Reiter dargestellt. Andere Symbole verweisen auf die Fruchtbarkeit, so etwa eine Yakshi, eine Baumnymphe, die mit üppigem Busen und ausladenden Hüften abgebildet ist. Sie steht unter einem Baum und greift in seine Äste. Mit einem Fuß gibt sie dem Baumstamm einen kleinen Stoß, der Baum reift zu voller Blüte und bringt Mangofrüchte hervor – ein altes indisches Motiv.

Mehr als vier Jahre waren die Schätze indischer Kunst aus der „Sammlung Preußischer Kulturbesitz“ nicht zu sehen. Der abgelegene Standort Dahlem, wo das indische Museum früher ausstellte, ist nun geschlossen. Die Kunst sollte weiter in die Mitte Berlins rücken, ins wiederaufgebaute Stadtschloss, eben das Humboldt Forum.

Die indische Sammlung verblüffe das Fachpublikum aus Asien immer wieder, sagt Kuratorin Martina Stoye. Sie hat im Ausstellungsbereich von Indien bis Myanmar mehr als 500 Stücke in Szene gesetzt.

Vor einer goldenen Tapete im ersten Raum stehen auf Sockeln die schönsten Buddhastatuen aus der Berliner Sammlung. Darunter ist auch das Lieblingsexponat der Kuratorin: ein stehender Buddha aus Pakistan, aus der Gandhara-Zeit, gefertigt im zweiten oder dritten Jahrhundert nach der Zeitrechnung. Hinter seinem Kopf mit der Asketenfrisur, dem hochgebundenen Dutt, erstrahlt ein großer Nimbus. Sein Gewand bedeckt beide Schultern und hat einen griechischen Faltenwurf. Der Buddha blickt wie in Meditation versunken nach unten. Martina Stoye schwärmt: „Die Figur ist von unglaublicher Schönheit.“ Schon das Gesicht drücke einen „tiefen inneren Frieden“ aus. Sein leichtes Lächeln sei „auf unnachahmliche Weise in Balance mit tiefem Ernst“. Die ganze Körperhaltung zeige sich „tiefenentspannt und ausbalanciert“. Für Stoye drückt der Buddha die Ziele des Buddhismus aus: tiefen inneren Frieden zu erleben durch den buddhistischen Weg. Zweifellos ist er eines der Meisterstücke der Steinmetzkunst.

Die indische Kunst zeigt sich in diesen frühen Werken schon mit ihren eigenen Gesetzen. Die Figuren haben meist keine sich abzeichnenden Muskeln oder Sehnen. Vielmehr sind die Körper der Buddhafiguren und später auch die Hindu-Götter von einer übermenschlichen Schönheit, androgyn und ohne Spuren des Alterns, auch wenn von der früheren Bemalung nichts erhalten geblieben ist.

Auf den Bildbeschreibungen unter den Exponaten steht übrigens auch, wann das Stück in die Sammlung kam. Der Gandhara-Buddha zum Beispiel wurde „1910 von E. Elsmie“ eingekauft. Das ist Thema der modernen Herkunftsforschung, der Provenienz. Die Kuratorin weiß mehr: Die Buddhafigur wurde im Jahr 1874 von der Familie eines Beamten der East India Company erworben oder ihr geschenkt. Als die Familie nach England zurückkehrte, nahm sie die Skulptur einfach mit. Nach dem Tod des Mannes bot die Witwe die Skulptur dem Museum an. Die Museumsmitarbeiter recherchieren noch, woher genau aus dem heutigen Pakistan die Figur kommt. Denn die Fundumstände sind meistens unklar.

Neben dem Gandhara-Buddha vor der goldenen Wand stehen Buddhafiguren späterer Epochen, mal mit Schmuck und Oberlippenbart als Bodhisattva oder in Meditation sitzend. Alle Buddhafiguren haben bereits die gelängten Ohrläppchen von dem schweren Schmuck, den er früher trug. Einige haben die rechte Hand zum Gruß erhoben – das ist eine Schutzgeste, die auch Götterfiguren ausführen können. Aber die buddhistische Bildsprache ist schon völlig ausgeprägt. Bis zu den spätindischen Buddhafiguren aus der Paladynastie (12. Jh.) zeigen alle die gleichen Mudras (Handgesten).

Wenn der in Meditation sitzende Buddha zum Beispiel mit der rechten Hand die Erde berührt, handelt es sich immer um den historischen Buddha. Er ruft die Erdgöttin als Zeugin an, dass er erwacht ist. Auf manchen Darstellungen sieht man tatsächlich eine kleine Erdgöttin in Verehrungsgeste zu seinen Füßen.

Kunst

Die Gandhara-Schieferreliefs am Rondell in der Mitte des Raums sind ein genaueres Studium wert. Die frühbuddhistische Kunst zeigt die Ausschmückung der Legende über Buddhas Leben: die übernatürliche Empfängnis seiner Mutter Maya, die wundersame Geburt unter einem Baum in einem Hain, seine sechsjährige Suche nach Wahrheit als Asket, die Anfechtungen in der Meditation, bildlich dargestellt durch ein Heer von Widersachern, die ihn in der Meditationsübung stören. Aber auch Bilder von seinem Tod und der Verbrennung des Leichnams sind zu sehen. Eine Szene erinnert an das letzte Abendmahl. Es zeigt, wie die Asche des Buddha an die Fürsten aufgeteilt wird. Diese errichten in ihrem Herrschaftsgebiet dann Stupas, in denen Buddhareliquien aufbewahrt werden.

Ein paar Räume weiter kann man die Malereien aus den buddhistischen Höhlentempeln aus Zentralasien von der Seidenstraße bewundern. Es sind allerdings nur spärliche Reste erhalten. Ein großer Teil der Malereien und Skulpturen aus den Expeditionen nach Zentralasien und China wurde im Zweiten Weltkrieg in Deutschland zerstört. Andere Teile beschlagnahmte die damalige Sowjetunion als Kriegsbeute.

In der Schau ist auch buddhistische Kunst aus Japan und China zu sehen, darunter viele Varianten beliebter Meditationsgottheiten wie Kannon oder Guanyin (Sanskrit: Avalokiteshvara). Der Bodhisattva gilt als Helfer in der Not. In Ostasien hat Guanyin weibliche Züge.

Die Schau im Asiatischen Museum wird aktuell noch weiter ausgebaut. Im Herbst plant das Humboldt Forum eine weitere Eröffnung mit buddhistischer Kunst aus Myanmar, Kambodscha (Khmer) und Indonesien.

Tipp: Frische Luft schnappen auf dem Dach des Hauses. Dort gibt es auch ein Café. Leider muss man dafür Tickets buchen, aber der Ausblick über Berlin entschädigt dafür.

Asiatisches Museum im Humboldt Forum in Berlin, Eintritt frei. Weitere Infos: www.ursachewirkung.com/121-kunst


Dieser Artikel erschien in der Ursache\Wirkung №. 121: „Mit allen Sinnen"

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Bild Teaser, Header & Text © Mechthild Klein

Mechthild Klein

Mechthild Klein

Mechthild Klein ist freie Journalistin, unter anderem für den Deutschlandfunk, mit Schwerpunkt Weltreligionen. Im Studium der Vergleichenden Religionswissenschaft und Orientalischen Kunstgeschichte in Bonn hat sie sich auf Buddhismus und Hinduismus spezialisiert.
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