Der Vajrayana-Buddhismus birgt noch viele ungelüftete Geheimnisse. Ein Einblick, welche Rolle unter anderem Körpersäfte und psychedelische Substanzen in dieser esoterischen Schule des Buddhismus spielen.
Ethnopharmakologie
Der rituelle Gebrauch von Nachtschattenpflanzen, „Datura“, dient zur Überwindung mentaler Blockaden sowie zur Gewinnung von Einsicht in die Natur der Wirklichkeit. Entsprechend der Erklärung von Jamyang Khyentse Wangchuk (1524–1568), einem Vertreter der Sakya-Schule, im Zusammenhang mit dem „Pfad der Fruchterzeugung“, „lamdre“, führt die Meditation über visionäre Phänomene unter Einfluss von Datura zu der Einsicht: „Alle scheinbar existierenden Phänomene, Samsara und Nirvana, existieren nicht außerhalb des Geistes.“ Zur Unterstützung der Selbstbefreiung im Dzogchen erklärte der dritte Dodrupchen Rinpoche (1865–1926) auf geheimnisvolle Weise die Methode zur Aufnahme einer nektarähnlichen Daturalösung, um den feinstofflichen Körper zu aktivieren und „hervorragende Verwirklichungen“ zu erlangen. Ähnlich heißt es über Padmasambhava, er habe Yeshe Tsogyal mit einem ganzen Arsenal bewusstseinsverändernder Substanzen unterstützt, damit er die Fähigkeit kultivieren konnte, seine Klarheit während erweiterter Bewusstseinszustände aufrechtzuerhalten.
Im tibetischen Buddhismus stehen Visionen hervorrufende Pflanzen in einem engen Zusammenhang mit der Tradition von Offenbarungstexten, „terma“. Ein interessantes Beispiel findet sich in einem Abschnitt der „Innersten Herzessenz des Vimalamitra“, einem Leitfaden zu den Dzogchen-Kernanweisungen, der während des 11. und 12. Jahrhundert kodifiziert wurde. Dort wird die Verabreichung eines Datura-Destillats mittels eines Geiernfederkiels ins Auge beschrieben, mit dem Ziel, die subtilen Energiekanäle zu öffnen und Visionen zu induzieren. Ein früherer, geistentfaltender Gebrauch von Datura wird in Kapitel 12 des Mahakala-Tantra beschrieben; dort wird der Praktizierende unterwiesen, Datura und zwei weitere hochgiftige Pflanzen mit Honig und der Gallenflüssigkeit einer schwarzen Katze zu vermischen. Die dabei entstehende Salbe wird dann auf die Augen aufgetragen. Anschließend „wirbele man herum wie eine Biene“, ein Vergleich, der später auch mit dem Aufsteigen der Kundalini-Energie gebracht wird.
Ein weiterer solcher Text mit dem Titel „Leuchtendes Netzwerk“, der Padmasambhava zugeordnet wird und den Tertön Rigdzin Dorje Thokmé, einem Adepten aus dem 18. Jahrhundert, offenbarte, beschreibt „fünf Nektar-schenkende Pflanzen“ und psychische Kräfte. Im Text heißt es: „Wer diese ‚vorzüglichen Pflanzen des großen Geheimnisses‘ zu sich nimmt, der bleibt frei von Krankheit und erlangt Wunderkräfte. Der Körper wird verjüngt und ist in der Lage, durch die Lüfte zu fliegen. Ohne den physischen Leib aufgeben zu müssen, erreicht man die himmlischen Sphären [...] Wer auch immer von der ‚Pflanze des anwachsenden Segens‘ zehrt, der wird die unerschöpfliche Vereinigung von Segen und Leerheit erfahren. [...] Wer dieser ‚Pflanzen der Läuterung‘ teilhaftig wird, für den lösen sich alle karmischen Blockaden und die acht Formen des gewohnheitsmäßigen Denkens auf. Zahllose frühere Existenzen werden erinnert. Wer die Pflanzen verspeist, welche ‚die störenden Gefühle abschneiden‘, denkt nicht länger an Essen und Trinken [...] Meditative Versenkung wird sich spontan einstellen. Es sind dies die erhabenen Pflanzen des verwirklichten Adepten. Wer immer sie zu sich nimmt, löst alle Blockaden in den Kanälen der inneren Energien auf und erschaut direkt das Reich der Buddhas.“ Trotz ihrer offensichtlichen Anziehungskräfte bleibt die systematische Erfassung dieser fünf Pflanzen unklar. Eine exakte Bestimmung ist nicht möglich. Nichtsdestotrotz haben tibetische und bhutanesische Ärzte stets aktiv nach solchen schwer zu findenden Nektar liefernden Pflanzen in abgelegenen Regionen des östlichen Himalaja gesucht und deren Extrakte während Zeiten meditativer Retreats genutzt.
Marihuana, „Cannabis sativa“, ist eine leichter zugängliche bewusstseinsverändernde Pflanze aus den tibetischen Arzneibüchern, die zugleich magisch-medizinische Funktionen in verschiedenen bedeutenden buddhistischen Tantras erfüllt. Im Mahakala-Tantra sind die Blätter und das Harz Bestandteile der Zubereitungen „vollkommener Medizin“. Wohingegen das Cakrasamvara-Tantra erklärt, dass eine Mischung aus Substanzen, die Cannabis beinhalten, den Adepten zu „einem Yogi werden lässt, der macht, was immer er will, und sich an jedem Ort aufhalten kann“. Das weniger deutliche Tara-Tantra zitiert den Buddha, der gesagt haben soll, dass Wein ohne Cannabis-Beigabe nicht genug Segen erzeugen kann, um die subtilen Energie-Yogas zu erwecken, welche dieses Tantra beschreibt. In dieser Feststellung liegt eine indirekte Anerkennung des vom Gehirn selbst produzierten „Segensmoleküls“ Anandamid, welches sich mit den Cannabinoid-Rezeptoren verbindet.
Die Alchemie der Verjüngung
Der wichtigste Aspekt der tibetischen Yoga-Essenzen und -Elixiere ist die Tradition des „Chulen“, der Essenz-Extraktion, gebraucht für den Zweck der Verjüngung, des Vitalitätsgewinns, der Lebensverlängerung sowie zur erweiterten meditativen Einsicht. Die dabei verwendeten Substanzen bestehen aus Pflanzen, Blüten, Mineralien und Körperflüssigkeiten, die unter Zuhilfenahme von Mantren und der Visualisierung von tantrischen Gottheiten wie Vajrayogini oder Amitayus, dem Buddha des grenzenlosen Lichts, zu machtvollen Elixieren verarbeitet werden. Durch die Kombination mit speziellen Diätvorschriften, Atemtechniken und Yoga-Übungen werden die Verjüngungswirkungen dieser Zubereitungen dann noch einmal verstärkt. Gleichwohl dem Namen nach den indischen Traditionen von Rasayana entstammend, beruht Chulen doch zu maßgeblichen Teilen auf der einheimischen Medizinkultur Tibets und zieht sein Wissen ebenso aus den Praktiken der Inneren Alchemie der chinesischen Daoisten. Die Chulen-Bereitung wird in den Vier Medizinischen Tantras, „Gyud Shi“, aus dem 11. und 12. Jahrhunderte erklärt und wurde weiterentwickelt durch bekannte Tertöns oder „Entdecker von Schätzen“, wie Ratna Lingpa (1403–1479) und Tertön Pema Lingpa, der eine einflussreiche Abhandlung mit dem Titel „Schlüssel zu den acht wichtigsten tantrischen Arzneien“ verfasste. Die Chulen-Zubereitung ist eine auch heute noch ausgeübte Praxis, mit wichtigen Zutaten wie den fünffach gelappten Knollen der Grünen Hohlzunge „Dactylorhiza viridis“ – eine Orchideenart, Kalzit und Asphaltgestein, „shilajit“. Es gibt Aufzeichnungen früherer Meister, die sich allein von pulverisiertem Tropfhöhlengestein ernährten, und Milarepa wurde für seine Brennnesseldiät bekannt, der er für lange Zeit gefrönt haben soll. Eine der umstrittensten Zutaten der Chulen-Rezepte ist Quecksilbersulfid, „Zinnober“. Obwohl Quecksilber im unbearbeiteten Zustand hochgiftig ist, wird es nach der „Reinigung“ durch alchimistische Prozeduren dennoch in der tibetischen Medizin als wirksames Allheilmittel verwendet. Ein auf Quecksilber basierendes Elixier heißt „Yogeshwar“, „Herr des Yoga“, und wird innerhalb der Tradition des Candamaharosana-Tantra des „Groß-Grausig Schrecklichen“ eingesetzt, um die Erfahrung des Lichts und des Segens während des Yogas der geschlechtlichen Vereinigung zu erfahren. Wobei, und so verhält es sich mit allen Chulen-Zutaten, die Wirksamkeit aus den weihevollen Ritualen ebenso wie den Substanzen selbst entspringt.
Die wohl geheimste esoterische Praktik der tibetischen Tradition des „Yogas der Essenzen und Elixiere“ besteht im rituellen Verzehr von Menschenfleisch, gleichwohl es nur in winzigen Mengen geschieht. Wie im Hevajra, Cakrasamvara und anderen buddhistischen Tantratexten bezeugt, werden solche „Fleischpillen“ aus den Körpern verstorbener brahmanischer Asketen hergestellt. Ihr Verzehr soll die Adepten an die vergängliche Natur ihrer Körper erinnern und gleichzeitig die Subjekt-Objekt-Dualität auslöschen. Obwohl die genauen Zutaten nicht spezifiziert sind, heißt es in der Lebensgeschichte des Mahasiddha Krsnacarya, dass er, sobald er diese rituell gesegneten Substanzen in seinen Mund nahm, in der Lage war, „das Reich der Götter und die Geister der Natur, „yaksha“, zu erblicken und wenn er es wünschte, in Blitzesschnelle zu diesen Orten reisen konnte.
Innere Essenz
Die feinsten Elixiere, von denen im tibetischen Buddhismus die Rede ist, bestehen aus den Substanzen, die während der Praxis von Yoga und Meditation aus den verschiedenen Drüsen durch den menschlichen Körper fließen. Im Speziellen handelt es sich bei diesen „innersten Essenzen“ um männliche und weibliche Sexualsekrete, die möglicherweise in Verbindung mit stimmungsaufhellenden Hormonen wie Dopamin, Serotonin und Oxytocin stehen. Der verstärkte Strom von bewusstseinsverändernden neurochemischen Stoffen, der aus der yogischen Praxis resultiert, steht im Zusammenhang mit dem in tantrischen Texten erwähnten „Schmecken des Nektars“, „amrtavadanam“. Diese innere Erfahrung wird symbolisch als die Weitergabe von Chulen durch die Dakini-Schutzgottheiten beschrieben, welche, indem sie diesen Nektar durch das Innere ihrer Körper ergießen, den Praktizierenden große Macht verleihen. Eine Biografie Padmasambhavas führt aus, wie einst auf einem Leichenfeld das Geheimnis der Chulen-Bereitung von einer Dakini auf ihn übertragen wurde. Im Text heißt es, dass er hernach von nichts weiter als Wind und Raum, den fünf Nektaren und von Sand lebte, ebenso von verschiedenen Heilpflanzen und Giften. Er nahm viele Entbehrungen auf sich, nutzte Sträucher, Bäume und Blätter und ebenso „Lotusnektar“, Vaginalsekrete sowie die anderen der fünf Nektare: Speichel, Urin, Menstruationsblut und Fäkalien. Er extrahierte die Essenz der Felsen, der Blumen, aus Tierhörnern, Knochen, nahm auch Alkohol und eine unvorstellbare Zahl weiterer Stoffe. Als Ergebnis erlangte er den todlosen, diamantenen Vajra-Körper. Das Sortiment transformativer Substanzen, das Padmasambhava konsumierte, belegt das weite Spektrum solcher Essenzzubereitungen, die das innere Erwachen unterstützen. Männliche und weibliche Sexualsekrete sind dabei die Kernzutaten der höchst wirksamen Gewinnung von Chulen, wie etwa „changsem kamar“, bereitet aus dem Menstruationsblut einer Dakini und der Samenflüssigkeit eines Bodhisattva. Dann gibt es noch eine besondere Chulen-Form für den Yoga des Inneren Feuers, bereitet aus tödlich giftigem Eisenhut, und eine für den sexuellen Yoga, hergestellt aus tibetischen Schneefröschen. Ein weiteres Chulen-Rezept besteht aus einer Mischung aus Asphaltgestein, „shilajit“, zermahlenen Nesseln, wildem Ginseng und Opium. Diese Zubereitung wird „Arznei-Pferd“, „men ta“, genannt, der Verzehr soll den Adepten angeblich in die Lage versetzen, zu jedem gewünschten Zielort zu reisen.
Verborgene Alchimie
In seiner „Geschichte der Westlichen Philosophie“ schreibt Bertrand Russell: „In körperlicher oder spiritueller Trunkenheit erlangt der Eingeweihte aufs Neue die Intensität jener Gefühle, die seine (sonstige) Vorsicht zerstört hatte; er findet sich in einer Welt voller Freude und Schönheit, seine Vorstellungskraft ist plötzlich befreit aus dem Gefängnis alltäglicher Beschäftigungen.“ Im Kontext der dionysischen Mysterien mündet solcher Überschwang in „Enthusiasmus“, die Götter, „theos“, fahren buchstäblich in den Praktizierenden ein und werden eins mit ihm. So ist diese Besessenheit ein Beweis für diese Form von „Gottheiten-Yoga“. Vergleichbare Riten im tantrischen Buddhismus sind unter anderem das „ganachakra“ oder die Kreisversammlung, einschließlich sakramentaler Festmähler, bei denen früher Dinge verzehrt und Aktivitäten vollzogen wurden, die sonst tabuisiert oder verboten waren. Obwohl weniger grenzüberschreitend, haben die mittlerweile zunehmend positiven Erfahrungen mit psychedelischen Substanzen einige Übende dieser Richtung veranlasst, mit Mikrodosierungen von Psilocybin und LSD im Rahmen visionsbasierter Dzogchen-Praktiken zu arbeiten, wie „Lhundrup Tögal“, „dem Sprung aus dem Schädel in die unmittelbare Gegenwart“, dazu dienen auch Dunkelretreats. Ein weiterer sakramentaler Gebrauch von Psychedelika innerhalb der gegenwärtigen Vajrayana-Praxis besteht in der Einnahme von 5-MeO-N-Dimethyltriptamin, einer in der Natur vorkommenden geistbewegenden Substanz, die Prozesse der Ich-Auflösung, der Selbsttranszendenz und des ausgeprägten Gewahrseins auslöst. Der Benediktinermönch David Steindl-Rast beschreibt die Bewusstseinsdimensionen freigelegt durch MDMA, eine weitere geistbewegte Substanz, wobei die Wirkungen nur vorübergehend sind, auf folgende Weise: „Gleich dem Umherwandeln im Nebel einen ganzen Tag lang, und dann erblickt man plötzlich und nur ganz kurz das erste Mal den Gipfel des Berges. Zur Haltung geistigen Erwachens gibt es keine Abkürzungen, und es braucht tägliche Mühe und Anstrengung. Aber die Droge schenkt uns eine Vision, einen kurzen Blick auf das, wonach wir suchen.“
Psychedelika sind geistoffenbarende Substanzen, die das Bewusstsein von einengenden Strukturen befreien und neue Perspektiven erzeugen. Aber die Freisetzung solch sprudelnder Tiefen ohne ausreichende Vorbereitung kann weitaus grauenvoller als erleuchtend sein. Der psychedelische Rausch kann durch die typische Auflösung der Grenzen zwischen dem erlebenden Ich und der äußeren Welt ebenso zu extremer Panik führen, wie zu ekstatischen Einheitserlebnissen. Während diese Stoffe eine wissenschaftliche Wahrheit enthüllen, die in gleicher Weise vom Buddhismus vertreten wird, nämlich das alles, was wir als äußere Wirklichkeit erfahren, nur innerhalb unseres Bewusstseins geschieht, so sollten wir uns ihnen doch gleich der tibetischen Legende von der Milch des Schneelöwen nur mit besonnener Vorsicht nähern. Nichtsdestotrotz sind sie imstande, in einem unterstützenden Umfeld die Bandbreite und die Fähigkeiten unseres Geistes zu erweitern; die numinosen Erfahrungen, die sie induzieren, haben mittlerweile zu ihrer Neuklassifikation als Entheogene geführt, als Auslöser innerer göttlicher Erfahrung. Jahrzehntelanges Experimentieren mit solchen Substanzen brachte den Wissenschaftler Dr. John Lilly zu der Feststellung: „Wovon man glaubt, dass es wahr ist, das ist oder wird wahr innerhalb bestimmter Grenzen dessen, was über Erfahrung und Experiment gewonnen werden kann. Diese Grenzen sind dann weitere Glaubensvorstellungen, die überschritten werden können. Auf dem Gebiet des Geistes gibt es keinerlei Grenzen.“
Dieser Beitrag sollte nicht als Plädoyer für einen ungehemmten Vorstoß in ekstatische Bewusstseinsstadien verstanden werden, sondern als das Beharren auf einer unvoreingenommenen und wissenschaftlich überzeugenden Erforschung dieses Gegenstands. In Erinnerung gerufen seien die Padmasambhava zugeschriebenen Worte: „Der eigene Blick mag so weit wie der Himmel sein, aber die eigenen Handlungen sollten so rein sein wie ein Flocken Mehl.“
Eine „Nektar-Gottheit“ schwebt über einem Langlebenselixier, symbolisiert durch die beiden schwarzbeinigen Kraniche. Es handelt sich um ein Detail aus einer zeitgenössischen Wandmalerei im Gangteng-Tempel in Bhutan. Im tantrischen Buddhismus genutzte bewusstseinserweiternde Drogen erinnern an alte vedische Riten. In ihnen trinken die Günstlinge des Feuergottes Agni ein potentes, psychoaktives Gebräu namens „Soma“. Soma wird verschiedentlich gleichgesetzt mit Cannabis, tibetisch: „somaradza“, „Ephedra sinica“, der Steppenraute, „Peganum harmala“, dem roten und mit weißen Flocken überzogenen Fliegenpilz, „Amanita muscaria“, dem heiligen Lotus, „Nelumbo nucifera“, und, erst seit Kurzem, mit Psilocybin, „Stropharia cubensis“. Diese Einschätzung basiert auf deutlich erkennbaren Skizzen auf Textiltafeln aus dem ersten vorchristlichen Jahrtausend, die 2009 in der nördlichen Mongolei entdeckt wurden. | |
In der traditionellen asiatischen Medizin setzt man die weiße Lilie, „Tacca integrifolia“, sowohl als Aphrodisiakum wie auch zur Behandlung von Krebs ein. Es gibt aber auch esoterische Anwendungen als psychoaktive Substanz. In yogischen Zusammenhängen finden verschiedene Pflanzen an den Schnittstellen von Gift und Medizin zur Bewusstseinserweiterung und zur Aktivierung subtiler körperlicher Prozesse Anwendung. | |
Eine Dakini oder eine weibliche Verkörperung der Erleuchtung gießt ein Geheimelixier in eine Schädelschale des Mahasiddhi Kumaripa. Sie ist ein Sinnbild für das Erwachen intuitiver Weisheit. In der Innensicht repräsentiert dieses Bild aus dem Lukhang-Tempel das Durchdringen des yogischen Körpers mit Nektar – möglicherweise in Verbindung mit der Freisetzung psychoaktiver Substanzen aus der Zirbeldrüse während fortgeschrittener Formen yogischer Praxis. | |
Die Übung der „Großen Vollkommenheit“ beruht auf einem erleuchteten Körper und Geist, wie auf den Wänden des tibetischen Lukhang-Tempels anschaulich illustriert wird. Ein Yogi liegt auf seinem Rücken und blickt in das Licht der Sonne, um Visionen von Regenbogenfarben zu erzeugen. Das Wandgemälde zeigt eine Opiumpflanze, „Papaver somniferum“, mit orangefarbigen Blütenblättern, deren psychoaktive, Visionen erzeugende Alkaloide, in Tibet weithin bekannt ist. Ein tibetisch-buddhistischer Text aus dem 11. Jahrhundert verweist auf den Gebrauch eines Destillats der psychisch hochaktiven Datura-Pflanze zur Verstärkung der Wirkungen, welche die Tögal-Praxis entfaltet. |
Bilder © Ian Baker
Dieser Artikel ist ein Auszug aus seinem Buch "Tibetan Yoga" Thames & Hudson Ltd, 2019 - Aus dem Englischen von Hans-Günter Wagner