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Endlich kann ich wieder auf der Terrasse schreiben, unter dem Sonnenschirm und der Trauerweide. Und wieder liegen ihre trockenen Blätter auf dem Tisch, weil es einfach zu selten regnet. Wir leben in Zeiten der Extreme.

Vor Kurzem habe ich im Süden so gefroren, dass ich mir einen plüschigen Onesie gekauft habe. Mein Schrank dort ist ziemlich gut ausgestattet mit allerhand Flatterhaftem, das allerdings für Temperaturen jenseits der zehn Grad denkbar ungeeignet ist, um sich warm zu halten. Kaum zurück in den nördlichen Breiten, schwitze ich selbst im feuchten Bikini, gehe entgegen meinen neuen Gewohnheiten wieder nach Mitternacht ins Bett und komme mit dem Gießen des Gartens kaum nach. Und dabei haben wir jetzt gerade einmal ein paar Tage Sommer – offiziell.

Kürzlich habe ich mich wieder einmal in einen Ausverkauf gestürzt, und zwar in einem Geschäft, das ich früher sehr häufig frequentiert habe, doch mangels ansprechender Fashionausrichtung letzthin gemieden habe. Als ich vor einigen Tagen daran vorbeikam, prangte nicht nur das „Sale“-Schild in Rot, sondern auch dahinter lachten mir viele Farben entgegen. Deshalb ließ ich mich verführen. Nach meiner Klamotteneinkaufsregel verlasse ich ein Geschäft wieder, wenn ich weniger als zwei Dinge finde, die ich mir gefallen. Das hilft mir beim Geldsparen. An diesem Tag fand ich vier Stücke, die ich allerdings anprobieren musste. Ich hasse Umkleidekabinen, aus vielerlei Gründen, nicht nur wegen der Beleuchtung. Nichtsdestotrotz stellte ich mich in die Schlange von wenigstens 25 Menschen und wartete auf den für mich bestimmten Ort des Ausleuchtens. Und ähnlich wie im Supermarkt, wo ich mir die Zeit des Wartens dadurch versüße, dass ich mir die Einkäufe anderer Menschen vor mir anschaue und überlege, was die wohl damit machen, schaute ich mir auch die Kleidung jener Frauen an, die vor mir standen. Das ganze Geschäft voller Farbe, und vor mir wollten sie Versuche in Beige, Schwarz und Schwarz wagen. Und das wiederum sehe ich ja auch auf der Straße. Je bunter das Rundumangebot, desto eintöniger die getragene Mode.

Vor allem bei dieser Hitze bewege ich mich kaum aus meinem Haus. Hin und wieder darf ich zu meinen Nachbarn, die mich in ihrem Pool schwimmen lassen. Die Flamingo-Sparbüchse des Kleinen freut sich ob der Spende, die ich dafür hineinfallen lasse. Ich nenne das Energieausgleich. Und damit bin ich bei meinem dritten Beispiel der Extreme angekommen. Wenn man an einem Ort lebt, den Millionen von Menschen als Urlaubsdestination wählen, dürfte wohl klar sein, dass er kein schlechter ist. Dass Salzburg eine unvergleichliche Mischung zwischen Bergen und Seen, Kultur und Geschichte anbietet, macht diese Stadt zu einem wunderbaren Zuhause. Von meinem Haus an der Peripherie unternehme ich immer wieder einmal Ausflüge in die Innenstadt und staune selbst nach fast 40 Jahren über deren Schönheit. Wenn ich meine Augen allerdings von den Gebäuden auf die Menschen lenke, könnten sie genauso in einem schmuck- und leblosen Industriegelände unterwegs sein und sich wünschen, möglichst schnell wegzukommen.

Extrem

Es ist mir bewusst, dass es heutzutage wenig schick ist, mit einem Lächeln durch die Gegend zu laufen – vor allem für junge Frauen. Und ich hoffe inständig, dass das nur eine Phase ist, durch die sie aufgrund von Trends durchmüssen. Und dass sie irgendwann einmal ihr Lächeln wiederfinden, das viel schöner ist als die vielen Schichten von Make-up, die manche von ihnen tragen. Leider musste ich bei meinen Stadtbummeln aber auch feststellen, dass Männer und Frauen jenseits dieses juvenilen Alters zum Lächeln offenbar in die Katakomben gehen. Was muss denn noch passieren, dass man Freude an seinem Dasein empfindet? Manchmal scheint mir, dass solche Menschen ihre Probleme mit sich tragen und sie selbst in wunderbaren Umgebungen nicht freisetzen können. Dass sie keinen Zugang dazu finden, im Augenblick zu sein, um sich zu schauen und sich daran zu freuen, was einfach IST. Ich habe schon öfters von meinem Aha-Erlebnis in einem Township von Kapstadt erzählt, wo sich 200 Menschen eine Toilette teilen, wo auf dem Grill Kutteln, Nieren und Leber liegen, weil sich die Bewohner und Bewohnerinnen nichts anderes leisten können. Doch was sie können: Lachen, Singen und Tanzen. Weil sie noch Zugang zu ihrem inneren Kind haben, das das eben ab und an braucht. Kürzlich habe ich ein Video gesehen, das einen Mann auf einer Parkbank zeigte. Er saß alleine dort, auf dem umgebenden Flächen waren Hunderte von Menschen zur Entspannung, zum Picknicken, zum Socializing versammelt. Und plötzlich fing dieser Mann einfach zu singen an und schaffte es, dass alle mitsangen. Ein wunderbares Beispiel für Augenblicksfreude, wie ich finde.

Ob LGPTQ oder Ukraine, ob Schwarz oder Weiß, ob Klimaaktivisten oder Leugnerinnen der Klimakrise: Wir dürfen endlich von den Extremen und dem Trennenden wegkommen. Wir dürfen sehen, dass alles sein darf, weil ohnehin alles ist. Wir dürfen damit aufhören, uns dem Fluss des Lebens in seiner Unruhe und Vielgestalt zu widersetzen. Und wir dürfen die Angst loslassen, dass alles, was dem Gewesenen widerspricht, schlecht ist. Veränderung ist immer eine Veränderung zum Besseren – versprochen!

Weitere Beiträge von Claudia Dabringer finden Sie hier.

Bilder © Pixabay

 

Claudia Dabringer

Claudia Dabringer

Studium der Germanistik und Publizistik in Salzburg mit allem, was zu einer Studentenzeit dazugehört. Mehrjährige Konzentration aufs Radiomachen, bis alles durchexerziert war und das Schreiben wieder im Kopf präsent wurde. Seitdem freie Journalistin und als Fachtrainerin & Schreibpädagogin...
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