Letztens habe ich gehört, dass ich die Ausstrahlung einer Hexe habe. Nicht, dass das zum ersten Mal an mich heran getragen wurde – in dieser positiven, so ganz und gar entdämonisierten Art hat mich das glücklich gemacht. Und ich weiß auch, woher das kommt.
Zwischen diesen Zeilen und jenen der letzten Woche liegt eine Zeit der immensen Wut. So einer Wut, wie ich sie noch nie erlebt habe in meinem Leben. Und das dauert jetzt doch schon mehr als 50 Jahre an. Was ich alles versucht habe, um sie loszuwerden und was ich alles gelesen habe! Doch es war wie ein riesiger Wollknäuel in meinem Inneren, der sich einfach nicht entwirren ließ. Sogar für eine Herzmeditation, bei der man den Faden langsam abrollen und am Ende frei sein sollte von den Emotionen, entwickelte ich Aggressionen. Unschön, vor allem für mich als Vertreterin einer Generation, der Wut und Zorn, ja nicht einmal Unmut wirklich zugestanden wurde. Meine Eltern sagten zu meinem Kinder-Ich immer „Murfel“, wenn ich zwar folgte, meine Miene aber schon damals zeigte, was ich von etwas hielt. Und selbst heute, wo ich einer für meine Begriffe angemessenen Kommunikation fähig bin, verstumme ich eher als dass ich es über die Lippen bringe, jemanden anzuschreien.
In den Endzügen meiner 18jährigen Beziehung war ich so belastet, dass selbst das Brüllen ging. Doch gemocht habe ich mich in dieser Phase meines Lebens nicht. Weil ich das Gefühl in mir nicht wollte, und die Reaktionen darauf erst recht nicht. Doch ich konnte nirgendwohin mit dieser Hilflosigkeit, also ging sie in die Lautstärke. Was grundsätzlich Dinge, Situationen und Gegebenheiten nicht wahnsinnig ändert, geschweige denn verbessert. Doch irgendwann ist jeder (kommunikative) Werkzeugkasten leer.
In der vergangenen Woche habe ich auf mehrere Menschen eine Wut entwickelt, vor allem aber auf mich selbst. Denn wenn wir davon ausgehen, dass selbst gute Menschen sich mal schlecht verhalten können, dann ist man es am Ende des Tages selbst, der oder die entscheidet, wie man auf unangemessenes Benehmen reagiert. Und was man mit sich machen lässt. Insofern hätte es mich noch nicht einmal erleichtert, wenn ich die betreffenden Herrschaften zum Schreiappell vor mir auflaufen hätte lassen. Alles, was ich tun hätte können, wäre gewesen, mein Spiegelbild anzubrüllen. Wollte ich aber auch nicht, denn was ist das denn für ein Klischee? Eine alleinstehende, schreiende Frau – das nenne ich das katholische Abbild einer Hexe.
Nicht mit mir, dachte ich dann eines Tages. Und verstummte. Weil ich mit denjenigen, die mich in diese emotionale Lage gebracht hatten, einfach nicht mehr kommunizieren wollte. Ja, ich ghoste seitdem. Habe meinen Aktivitätsstatus ausgeschaltet. Reagiere nicht auf Anrufe. Weil ich nämlich nicht muss. Wenn ich mich auf das konzentriere, was mich nährt und stärkt, bin ich bei mir. Wenn ich mich sinnlos verstreue, dann verliere ich das. Und insofern hatte meine Freundin recht, als sie mich in dieser Phase zu einem Bier traf. Meine Wut hatte mich zurück zu meiner Kraft gebracht, zu dem, was mich ausmacht, zu den Menschen und Dingen, die in mein Leben gehören.
In einer Ausstellung sehe ich das Bild „Blühender Scheiterhaufen“ von Arik Brauer. Genau so empfinde ich mein Leben aktuell. Irgendwer beschreibt das Gemälde als Sinnbild dafür, dass eine Frau sich von ihrer Zwangsjacke befreit und ein Phönix aufsteigt. Yes! Ich muss nämlich gar nix. Sondern darf. Wütend und anschmiegsam sein, brüllen und gurren, lachen und schweigen. So lange ich will. Und genau dann, wenn mir danach ist. Selbst wenn ich alles gleichzeitig sein mag, dann ist das eben so. Mein Hexenhaus samt Hexengarten samt Hexenkatze hält das aus. Sie schnurrt gerade auf meinem Schoß.