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Ich höre momentan gerade sehr viel über Angst. Und das von ganz verschiedenen Blickwinkeln. Ist bei diesen Temperaturen vielleicht nicht gerade das abkühlendste Thema, zumal es die Gemüter ja über die Maßen erhitzt. Ich plädiere für eine innere Klimaanlage.


Wenn man in seiner eigenen Stadt immer wieder neue Dinge entdecken kann, darf man sich glücklich schätzen. Subkutan hatte ich wohl schon wahrgenommen, dass es während des Sommers immer wieder eine Woche gab, in der aufwühlende Themen unserer Zeit auf akademischem Niveau verhandelt wurden. Doch dass diese Information durch Dermis und Epidermis, geschweige denn zum Hirn vorgedrungen wäre – soweit hat es nicht gereicht. Heuer schon.
Es wird das Thema Angst verhandelt. Eines meiner Lieblingsthemen, an denen ich mich wunderbar reiben kann. Grundsätzlich halte ich mich ja für einen eher furchtlosen Menschen, der allerdings sehr genau schaut, welche Risiken er eingehen mag und von welchen er buchstäblichen Abstand nimmt. Auch wenn meine Mutter anderer Meinung sein dürfte: ich überlege sehr genau, was mein Leben bereichern oder beenden würde. „No risk, no fun“ ist wohl eine ziemlich geschmäcklerische Einschätzung. Doch weil ich auch weiß, dass heutzutage sehr häufig diffuse Ängste geschürt werden, bin ich umso vorsichtiger, wenn ich von außen diesbezügliche Tipps bekomme. Denn gemäß der Spiegeltheorie sehe ich ja die Ängste anderer auch in mir. Und das weckt meine Rebellion, oberflächlich gegen die Verursacher, tiefer geblickt natürlich gegen mich selbst.

Angst
Beispiel Flüchtlinge. Ich höre bei einer Vorlesung, dass es hierzulande keine Flüchtlingskrise mehr gibt, dass Einrichtungen deshalb schon geschlossen wurden. Warum regt es mich dann trotzdem auf, wenn ich im Tabakladen einem Mercedes-Fahrer zuhören muss, wenn er sich über „die da“ beschwert, die „bei uns alles nachgeschmissen bekommen“? Der ausführende Professor sagt, dass es eine neue Art des Rassismus' gibt, jenen des kulturellen Unterschieds. Jetzt sind es nicht mehr Menschen unterschiedlicher Hautfarbe, gegen die man offen oder versteckt wettert, sondern jene aus anderen Kulturkreisen. So, was davon finde ich in mir? Klar habe ich meine Schubladen, ein paar wenige zumindest. Die haben aber eher mit Verhaltensweise zu tun als mit geographischen Verortungen oder Hautfarben. Verhaltensweisen insofern, dass sie einem respektvollen Umgang miteinander widersprechen zum Beispiel. Für einen Verstoß dagegen habe ich die A-Schublade. Was Sie in das A hinein interpretieren, überlasse ich Ihrer Phantasie. Auch für Menschen ohne Humor habe ich ein, die G-Schublade. Und jene, die keinen Lebensmumm haben, werden in der F-Schublade verstaut. Vielleicht hängt es damit zusammen, dass ich diese Stauräume habe, was mich an anderen aufregt, unabhängig vom Thema. Möglich. Wahrscheinlicher ist es allerdings, dass mich der Verstoß gegen die Menschlichkeit antickert. Dass unterschieden wird zwischen Menschen und Menschen. Bin ich denn eine Idealistin, wenn ich immer noch an den ersten Artikel der Menschenrechtserklärung glaube? Und dass daran weder Hautfarbe noch Abstammung oder Geburt etwas ändern? Jetzt könnte man ja sagen, dass ich das auf die Menschen in meinen Schubladen anwenden müsste. Mache ich ja. Die können ja trotzdem weiter leben und ihres Weges gehen. Nur bitte in angemessenem Abstand zu meinem. Doch wenn jemand in unser Land kommt, weil ihm bei sich zuhause alles unter dem Allerwertesten weggesprengt wurde, dann widerspricht es meiner Auffassung von Nächstenliebe, ihn als ersten Impuls wieder „heim“ zu schicken. Und auch, dass ich mich benachteiligt fühle, weil er mir etwas wegnehmen könnte. Martin Luther King spricht davon, dass wahre Nächstenliebe mehr als die Fähigkeit zum Mitleid ist, sondern vielmehr die Fähigkeit zur Zuneigung. Und in diesem Sinne stelle ich die These in den Raum, dass auch darin der Schlüssel für viele Ängste unserer Zeit liegt.
Statt auf Konfrontation mit „dem Anderen“ zu gehen, könnte man es kennen und schätzen lernen. Auf die Angst, benachteiligt zu werden, könnte man mit Freigebigkeit antworten. Statt Medienberichten zu glauben, könnte man einen Urlaub in den „anderen“ Kulturkreis buchen und dort mit Menschen sprechen. Eine andere Vortragende meinte, dass Angst vor Verletzungen schützen und schnelle Reaktionen ermöglichen. Doch unbegründete und unreflektierte Angst kann auch verletzten. Uns Nahestehende ebenso wie Menschen, die wir zum ersten Mal sehen. Deshalb rege ich wieder einmal die geschätzte Innenschau an, zu der man überall ein paar Minuten erübrigen kann. Im Freibad. Auf dem Gipfel eines Berges. Oder unter der Gartenbrause. Dorthin verziehe ich mich jetzt und werde meinen Ängsten – so ich sie finde - eine kalte Dusche verpassen. Noch mehr Überhitzung kann mein System leider nicht verkraften.

Claudia Dabringer

Claudia Dabringer

Studium der Germanistik und Publizistik in Salzburg mit allem, was zu einer Studentenzeit dazugehört. Mehrjährige Konzentration aufs Radiomachen, bis alles durchexerziert war und das Schreiben wieder im Kopf präsent wurde. Seitdem freie Journalistin und als Fachtrainerin & Schreibpädagogin...
Kommentare  
# Anita RM 2018-08-02 21:08
Angst, ein faszinierendes Thema. Es gibt so vieles wovor man sich fürchten kann, doch so vieles davon macht das leben auch lebenswert!
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# magclaudiadabringer 2018-08-08 09:34
liebe anita rm, vielfach hilft der humor, besser mit der angst zurecht zu kommen. und das sind die momente, wo das leben dann richtig freude macht. danke, dass sie ihre gedanken geteilt haben!
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