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„Die Leute sind so lästig“, sagt ein Freund von mir kürzlich bei einem Winterspaziergang in der Sonne. Und das liegt ja erwiesenermaßen auch an der Vorweihnachtszeit. Denn um Besinnlichkeit muss man im Dezember regelrecht kämpfen. Was sich per se widerspricht.

Sonne entspannt die Menschen und während wir über die Felder bummeln, ernten wir das eine oder andere Lächeln. Doch als ich mich Tage später auf der Autobahn wiederfinde, weil ich einen Geburtstagsbesuch absolviere, fällt es selbst mir spätestens bei der Heimfahrt aus dem Gesicht. Nicht nur, dass ich an der Reaktionsweise der Autofahrer den nahenden Vollmond merke – ich fühle mich beraubt. Zeit-beraubt. Und in solchen Situationen kann mein Groll durch die Autodecke schießen, obwohl ich grundsätzlich ein sehr toleranter Mensch bin.

Doch auf einer dreispurigen Autobahn verliere ich die Geduld. Weil ich daran zweifle, ob es (noch) zum Allgemeinwissen gehört, dass wir uns in weiten Teilen Europas im Rechtsverkehr fortbewegen. Was wiederum bedeutet, dass jene, die langsamer fahren wollen, sich quasi rechts außen zu befinden haben. Wer überholen möchte, tut das auf der zweiten oder dritten Spur, reiht sich dann aber wieder rechts ein. Ich merke gerade, ich habe eine i-Tüpferl-Reiter-Begabung.

Jedes Mal, wenn ich auf eine Autobahn einbiege, gehe ich davon aus, dass die Regeln des Rechtsverkehrs allen dort bekannt sind. Und werde regelmäßig eines Besseren belehrt. Denn der ‚place to be‘ ist offensichtlich die Mittelspur. Es fängt schon damit an, dass sie die Lichthupe betätigen, weil man einen gemütlichen Rechtsfahrer überholen möchte. Denn für kurze Zeit auf die freie Spur ganz links zu wechseln, stellt offenbar eine existenzielle Bedrohung dar. Dann geht es damit weiter, dass die Geschwindigkeit dieser Mittelspur-Abonnenten ja in keiner Weise dem zulässigen Höchstwert entspricht. Das bedeutet, man muss auch sie irgendwann einmal überholen, will man zügig vorankommen. Doch in Zeiten, wo sich viele Menschen nicht nur im Leben, sondern auch auf der Autobahn auf der Überholspur bewegen, sind Plätze dort ziemlich umkämpft. Und ich muss bremsen. Und warten. Und am Menschenverstand zweifeln. Das raubt mir Zeit und Nerven. Und nicht selten büchse ich dann nach rechts aus und werfen den Hemmschuhen einen vernichtenden Blick zu. Den sie meist gar nicht wahrnehmen, weil sie wie in Trance vor sich hinstarren und offenbar ein Inselleben führen. Mitten auf der Autobahn.

In über zwei Stunden Fahrt kommt da einiges zusammen an Verzweiflung, Rohrspatzengeschimpfe und Aggression. Daheim angekommen, bin ich fertig mit der Welt und rolle mit den Augen, weil ich am nächsten Tag auch noch zum Zahnarzt muss. Ich leide mich also durch die Nacht und finde mich in liegender Position in seiner Praxis wieder. Ein Blick in sein Gesicht sagt mir, dass etwas ganz und gar nicht in Ordnung ist. Nicht mit meinen Zähnen, sondern mit ihm. Er erzählt mir, dass vor drei Wochen seine Tochter gestorben ist.

Mit einem Schlag ist er weg, dieser Groll über die Mittelspurfahrer, den Zeitraub, das Selbstmitleid. Die Verhältnismäßigkeit ist wieder hergestellt, die Prioritäten zurechtgeschüttelt. Die Tränen steigen auf, weil ich an ‚mein‘ Geburtstagskind im selben Alter denken muss, von dem ich weiß, dass es ihm gut geht. Dass er da ist. Und die Worte versiegen ob dieses Schmerzes in den Augen meines Zahnarztes. Jetzt wieder.

Claudia Dabringer

Claudia Dabringer

Studium der Germanistik und Publizistik in Salzburg mit allem, was zu einer Studentenzeit dazugehört. Mehrjährige Konzentration aufs Radiomachen, bis alles durchexerziert war und das Schreiben wieder im Kopf präsent wurde. Seitdem freie Journalistin und als Fachtrainerin & Schreibpädagogin...
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