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Achtsamkeit & Meditation

Fünf Buddhisten aus verschiedenen Traditionen stellen ihre Meditationspraxis vor.

Achtsamkeit nach Thich Nhat Hanh

Als ich nach zwei langen Asienreisen begann, Entschleunigungsübungen wie Qigong, Taiji und Zazen zu praktizieren, führte mich dies zum Phänomen Achtsamkeit. Seit 1990 helfen mir Thich Nhat Hanh und seine Gemeinschaft, die Intersein-Sangha, Achtsamkeit im Sinne von „Geistvollheit“, „Mindfulness“, zu verstehen und die Praxis des „ruhigen Verweilens“, „Samatha“, mit „genauem Hinschauen“, „Vipassana“, zu verbinden. 

Um sich der Frage „Womit beschäftigt sich mein Geist, wenn er zur Ruhe kommt?“ zu widmen, wendet die Intersein-Sangha verschiedene Meditationsformen an. Neben stillen und geführten Meditationen im Sitzen ist die Gehmeditation besonders beliebt. Sie wird häufig draußen durchgeführt. Sie weist auf das Bestreben hin, im gesamten Alltag eine meditative Haltung einzunehmen, zum Beispiel beim Abwaschen und im Straßenverkehr, bei Gesprächen oder während der Arbeit. 

Achtsamkeitsübungen widmen sich nicht nur dem eigenen Körper, der Atmung und der Stimmung, sondern schließen alle Wesen und deren existenzielle Verbundenheit mit der Welt ein. Meditation wird deshalb auch in Form von „Erdberührungen“ praktiziert, um mit allen Aspekten des Lebens in Kontakt zu sein: sowohl mit Leid und Ausbeutung als auch mit dem Sonnenaufgang und „der Rose, die heute Morgen vor der Mauer blühte“, wie Thich Nhat Hanh es ausdrückt. Meditationserfahrungen lassen sich durch die Lehre des Buddha, „Dharma“, einordnen. Auf diese Weise können sie als spirituelle Kraftquelle für heilsames Tun wirksam werden. 

Für Thich Nhat Hanh gehört die gegenwärtige Lebensweise der Menschheit ständig ins Blickfeld meditativer Betrachtungen. Seine Analyse fasste er 2007 in Hanoi zusammen: „Wenn wir so weitermachen wie bisher, wird unsere Zivilisation zerstört werden. Wir müssen unseren eingeschlagenen Kurs, unser Verhalten ändern. Eine tiefe innere Verpflichtung ist nötig, um unsere Erde zu retten.“ Die Intersein-Sangha hat diese Einsicht als Handlungsempfehlung konkretisiert: „Je mehr Du die Erde liebst, desto weniger möchtest Du nehmen, was Du nicht brauchst.“ 

BuddhistenFoto © privat

Manfred Folkers ist seie 2004 Dharma-Lehrer, seit 2009 Mitglied des Rates der DBU, der Deutschen Buddhistischen Union, und ist Autor des Buchs „All you need is less“ (oekom Verlag 2020).  


Tibetischer Buddhismus

Der Artikel meines Lehrers Lama Anagarika Govinda in der Zeitschrift „Indische Welt“ im Jahr 1951 war mein erster Kontakt zum tibetischen Buddhismus. Es folgten Reiseberichte, Bücher von Evans-Wentz und Alexandra David-Néel, die aber viele Fragen offenließen. Doch es waren vor allem das Land, seine Klöster und insbesondere die Gestalten der Buddhas und Bodhisattvas, die mir als Kind vertraut erschienen. So kehrte ich nach einer längeren Erkundungsphase im Chan, Zen und Taoismus Ende der 1960e- Jahre zu meinen Anfängen zurück und begann die indotibetische Überlieferung ernsthaft zu studieren.

Der tibetische Buddhismus hat alle Methoden des frühen Buddhismus und des Mahayana in sein System integriert. Man beginnt mit der Beruhigung des Geistes, erforscht die eigenen Geisteshaltungen und Verhaltensmuster und übt sich in der Entfaltung der vier Unermesslichen: Liebe, Mitgefühl, Mitfreude und Unparteilichkeit. Das Vajrayana hat darüber hinaus strukturierte Methoden entwickelt, die auf der Basis intensiver philosophischer Studien durch tantrische Schaubildentfaltung eine Transformation destruktiver Muster und Strukturen ermöglicht.

Wir nutzen das ganze Spektrum der indotibetischen Überlieferung. Jedoch erfordert der Zugang zu dieser fremden Bilderwelt eine gründliche Vorbereitung und eine persönliche Begleitung. Diese kostbare und vielfältige Überlieferung muss nicht ergänzt, wohl aber in ihrer Tiefe entdeckt und für moderne Menschen verständlich dargestellt werden, damit wir sie korrekt anwenden können.

Diese kraftvolle Praxis befreit alle unheilsamen Tendenzen, sofern man sich geduldig auf einen tief greifenden Transformationsprozess einlässt. Und in diesem Spiel von Erschaffen und Auflösen findet man schließlich einen Zugang zur Natur des Geistes.

BuddhistenFoto ©  Andreas Reiner

Vajramala Thielow ist direkte Schülerin und Dharma-Erbin von Lama Anagarika Govinda und leitet das „Maitreya Mandala“, ein internationales Netzwerk buddhistischer Zentren. www.maitreya-mandala.de


Zen

So weit ich mich zurückerinnern kann, wollte ich Priester werden. Als ich begann, alle Glaubensinhalte zu hinterfragen, war ich nicht mehr damit zufrieden, an Gott zu glauben. Ich wollte ihn direkt erfahren! Ich sah aber keinen Weg dorthin. Nach verschiedenen Versuchen in der esoterischen und spirituellen Welt fand ich 1982 durch ein Buch über Zen zu einer täglichen Praxis mit vielen intensiven Zen-Retreats.

Es gibt verschiedene Zen-Schulen. Aber es gibt aus meiner Sicht einige Elemente, die wohl allen Zen-Richtungen gemeinsam sind: die besondere Betonung der Sitz- und Gehmeditation, Rezitation, Arbeitsmeditation, Dharma-Vorträge und Einzelgespräche, intensive Übungsperioden sowie die Integration einer meditativen Geisteshaltung im Alltag.

Ausgangspunkt der Zen-Meditation ist das Kultivieren von Sammlung – ein möglichst nicht abgelenktes, freundliches Spüren und Verweilen im Atem und im Körper. Ist genügend Sammlung da, wird das Gewahrsein ausgeweitet auf alles, was in Körper und Geist auftaucht, ohne zu greifen und anzuhaften. Es geht um das Kultivieren von tiefem Interesse für die Erfahrung von Moment zu Moment, ohne zu reagieren, um einen offenen, fragenden Geist: „Wer oder was sieht, denkt, spürt, sitzt … gerade jetzt?“ Es scheint dann über alle Konzepte von Ich und dem anderen, von Körper und Geist hinaus, eine nichtduale, nichtgetrennte Wirklichkeit auf. Sie ist die Quelle von Verbundenheit, Weisheit, Liebe und Mitgefühl. Das klingt sehr einfach. Aufgrund unserer Gewohnheiten und reaktiven Muster ist das aber meist ein langer Prozess.

Gibt es eine Meditationsart, die dem Zen eigen ist? Vielleicht das Üben mit einer Frage, etwa: „Was ist wirklich?“ oder „Wer erfährt gerade?“. Oder mit einer Geschichte von alten Meistern, die ein direkter Ausdruck von Einsicht ist.

Zen ist für mich besonders, weil er mit dieser direkten, ganz auf mich selbst zurückgeworfenen, fast nackten Art den Geist erforscht. Dieses Erforschen ist auch nach vierzig Jahren Zen-Praxis immer noch faszinierend und motivierend für mich.

BuddhistenFotos © privat

Klaus Kraler ist Zen-Lehrer und selbstständiger Tischlermeister, geb. 1956 in Osttirol, Zen-Praxis seit 1982. Er leitet mit Zen-Lehrerin Ulrike Kraler den Zen-Tempel „An Tao“. www.an-tao.de


Säkularer Buddhismus

Ich habe einige Jahre in der Soto-Zen-Tradition in Klöstern praktiziert und liebte diese feinen Übungen und Rituale, wie das morgendliche Rezitieren oder die Verbeugungen. Als ich jedoch den humorvollen britischen Vipassana-Lehrer Christopher Titmuss traf, lernte ich einen freieren, mehr alltagsbezogenen Buddhismus kennen. Christopher verzichtet auf religiöse Formen und gibt viel Raum für spirituelle Fragen und Erfahrungen. Das berührte den Freigeist in mir. Heute sehe ich mich als Übersetzerin einer alten Weisheitstradition, angepasst an die Sprache und Herausforderungen unserer heutigen Zeit. Das könnte man als „säkular“ bezeichnen.

Hauptmerkmale der säkularen buddhistischen Meditation sind für mich das konsequente Hinterfragen und Überprüfen, ob das, was wir üben, wirklich hilfreich ist. Reflektierende Fragen können sein: „Findet unsere Unruhe oder der Schmerz Linderung?“, „Führt die Übung uns zu tieferem Verständnis, einem offeneren Herzen und zur Befreiung?“, „Welche Relevanz hat die Meditation für unseren Alltag?“. Ich meine, eine säkulare Einstellung unterstützt einen wahrhaftigen Blick auf das, was wirklich ist. Sie hilft uns, gewohnte und vertraute Meditationsformen anzupassen und mutig Neues zu wagen.

Seit 2007 unterrichte ich „Deep Rest Meditation“: tiefes Ruhen in einer liegenden Meditationshaltung in Verbindung mit Einsichtsmeditation. Auslöser war eine persönliche, transformierende Erfahrung bei einem Retreat mit Fokus auf die liegende Haltung. Als ich mich beim Retreat darauf einließ, wurden mir meine bisherige Strenge und mein Anspruchsdenken schmerzhaft bewusst. Meine Meditationspraxis sowie meine Art zu unterrichten, veränderten sich daraufhin radikal.

Es gibt einen großen Kreis von Meditierenden, die aus verschiedenen Gründen nicht länger sitzen können. Genauso gibt es viele Interessierte, die von der Strenge und Länge traditioneller meditativer Übungen abgeschreckt sind, etwa Schwangere, junge Mütter, körperlich eingeschränkte oder energetisch geschwächte Menschen. Meditation im Liegen ist für diese Menschen ideal. Sie eignet sich sowohl für Anfänger als auch für erfahrene Meditierende. Meditation im Liegen hilft, eine neue, eigene Sanftheit zu entwickeln.

BuddhistenFoto © Astrid Purker

Nicole Stern ist autorisierte Dharma- und Vipassana-Lehrerin mit langjähriger internationaler Lehrerfahrung. Sie ist Autorin und leitet Ausbildungen für Achtsamkeits- und Meditationslehrende. www.nicolestern.de


Dieser Artikel erschien in der Ursache\Wirkung №. 117: „Meditation"

UW117 Cover


Theravada

Das erste Mal wurde ich als Kind in der Religionsklasse auf den Buddhismus aufmerksam. Als Jugendliche kam ich erneut durch mein Interesse an Philosophie mit der Lehre in Kontakt. Anfang der 1980er-Jahre habe ich in Japan bei Harada Roshi das erste Mal an einem Meditationsretreat teilgenommen. Da hatte ich schon den Wunsch, als Nonne zu leben.  Doch ich hatte noch viel weltliche Energie, so bin zunächst Schauspielerin und Comedian geworden und bereiste die Welt. Aber Zazen und Dhamma waren immer dabei. Theravada habe ich 2007 kennengelernt, als ich nach Thailand fuhr, um auch dort ein Retreat zu besuchen. Während dieses Retreats habe ich endgültig den Entschluss gefasst, Nonne zu sein. Das Retreat fand in einem der Klöster von Ajahn Tong statt. Meine jetzige Meditationspraxis ist von diesem ersten Kontakt mit dem Theravada-Buddhismus geprägt worden.

Es ist eine herausfordernde Praxis. Nibbana als Ziel. Man ist hochkonzentriert, sich des gegenwärtigen Moments gewahr. Man übt „anapanassati“, also die Betrachtung des Atems. Dann weitet man die Übung auf die Betrachtung des gegenwärtigen Moments auf Grundlage der vier „satipatthanas“, der vier Pfeiler der Achtsamkeit, aus. Man betrachtet den Körper, die Gefühle, den Geist und schlussendlich die Dhammas. Letztere zu erklären ist hier nicht der Moment. Wichtig für uns ist in dem Zusammenhang zunächst, dass wir die fünf Hindernisse erkennen und überwinden. Alles wird benannt: das Heben und Senken der Bauchdecke, das Hören, das Denken, Fühlen, so wie es auftritt. Durch das Benennen können wir verstehen, wie unser Ich entsteht, und wir sehen, wie es sich immer wieder auflöst. Es entsteht und vergeht in jedem Moment. Man lernt durch diese Meditation die Dinge so zu sehen, wie sie wirklich sind, und hat dadurch Gelegenheit, Weisheit zu entwickeln. Man lebt ganz im Moment und anerkennt diesen Moment, so wie er ist, ohne Bewertung, ohne Wollen oder Ablehnung.

Es gibt im Theravada noch andere Meditationspraktiken. Buddha selbst hat verschiedene Methoden gelehrt. Deshalb denke ich, sollte keine Methode geringer oder höher geschätzt werden. Auch da sollte man über das Bewerten hinwegkommen und anerkennen, dass es wichtig ist, unterschiedliche Meditationsformen zu haben. Nicht alle Methoden sind für alle Menschen zu jeder Zeit gleich geeignet.

BuddhistenFoto © privat

Ayya Phalanani Bhikkhuni absolvierte eine Ausbildung zur Retuscheurin, besuchte anschließend die Theaterschule „Ecole Jaques Lecoq“ in Paris und arbeitete als Schauspielerin und Comedian. Sie ist seit 2008 Nonne und wurde 2010 als Bhikkhuni vollordiniert. www.anenja-vihara.org

Hier finden Sie Beiträge, die das Ergebniss einer gemeinsamen Arbeit sind. Die Redaktion von Ursache\Wirkung hat hier zusammengearbeitet und diese Texte gemeinsam realisiert.

Redaktion Ursache\Wirkung

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