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Achtsamkeit & Meditation

Wie oft wollten Sie schon einen anderen Menschen verändern, weil Sie ihn nicht ertragen? Vielleicht sollten Sie doch bei sich selbst ansetzen?

Eine Berührung – mit einem geliebten Menschen – kann Gelassenheit erzeugen. Gewohnheiten machen gelassener. Jeden Tag ein zorniges Wort weniger bringt Entspannung. Dabei geht es ja nicht darum, etwa den Zorn abzuschaffen. Es geht vielmehr darum, nicht der Zorn zu werden oder zu sein! Denn ich besitze meine Gefühle, nicht umgekehrt. Menschen, die in ihrer Kindheit viel Vertrauen geschenkt bekamen, entwickeln einen stabilen Selbstwert, eine Grundlage für innere Ruhe und Gelassenheit. Manche sagen: „Die Gelassenheit meiner Eltern hat sich auf mich übertragen.“ Gelassenheit ist aber nicht Gleichgültigkeit.

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Wir wissen alle, dass mehr Gelassenheit uns viele Vorteile bringen würde. Wir wären ruhiger, hätten weniger Konflikte, ja wir wären auch gesünder. Doch ist es denn überhaupt möglich, gelassen zu werden? „Man muss erst lassen können, um gelassen zu sein“, lautet das Zitat von Meister Eckhart, das mir dazu einfällt. Eigentlich könnten Sie mit dieser Botschaft schon ganz gelassen aufhören, weiterzulesen. Sie könnten den Satz einfach nehmen, sich an einen ruhigen oder auch nicht so ruhigen Platz zurückziehen und darüber nachsinnen: Was hat das mit mir zu tun: Erst lassen können – um gelassen zu sein?

„Gelassenheit?! So ein Quatsch, haben Sie Kinder?“ Dieses Zitat stammt von einer Mutter, ausgesprochen vor einiger Zeit in einem Seminar. „Zuerst kommen die Schwiegereltern, dann die Kinder, dann steht die Beziehung auf der Kippe.“ Solche Sätze verdeutlichen, in welcher Not wir uns als Eltern und Partner befinden. In welche – scheinbar – ausweglose Situation wir uns manövriert haben, aus der es –gefühlt – kein Entrinnen zu geben scheint.

Die gute Nachricht ist: Die Situationen sind hausgemacht. Wir haben uns selbst hineinmanövriert und kommen da auch wieder heraus – wenn wir unseren Kurs ändern. Es hilft, zu fragen, was wir brauchen und was nicht.

Dabei ist das Handicap Nummer eins: Wir wollen die anderen Menschen anders haben, als sie sind. Das funktioniert nie. Hören Sie also auf damit. Bleiben Sie bei sich. Denn Sie selbst können bei sich viel ändern, was dann wiederum Auswirkungen auf die anderen hat. Ganz konkret: Sie können verändern, wie Sie mit dem umgehen, was der andere Mensch Ihnen serviert. Wenn Sie mögen, was gerade passiert, könnte Ihre Reaktion sein: „Ah, wie nett, das freut mich.“ Das geht noch leicht. Wenn Sie nicht mögen, was eben passiert, könnten Sie sagen: „Nein, hör auf, das will ich nicht!“ Da wird es schon schwieriger, egal, ob unseren Kindern, dem Partner, Arbeitskollegen oder Fremden gegenüber. Warum? Weil wir als Kinder gelernt haben, dass Nein sagen eine Erlaubnis braucht. Nein sagen kostet viel Kraft, man muss sich die Berechtigung nehmen, man bekommt viel Widerstand – obwohl man ja nur gut für sich sorgt und nicht alles still mitmacht. Man muss sich rechtfertigen. Ein Nein muss immer gut begründbar sein. Ein Nein, nur weil ich etwas nicht will, das gilt als egoistisch.

Wenn ich die anderen lassen kann, wie sie sind, werde ich selbst gelassener. Dazu ist es aber notwendig, meine Grenzen zu kennen, sie klar auszudrücken und dafür zu sorgen, dass sie respektiert werden. Das kann eine Weile dauern. Aber es wird mir nachher garantiert besser gehen, obwohl es sicherlich Menschen auf diesem Weg geben wird, die mir durch die Blume oder auch direkt sagen: „Wenn du so deine Grenzen schützt, dann spiele ich nicht mehr mit, dann verlasse ich dich.“ Oder wir müssen verlassen, weil andere nicht gewillt sind, unsere Grenzen zu respektieren. Doch wir fühlen uns nun mal wohl, wenn wir dazugehören dürfen, und erkaufen uns diese Zugehörigkeit damit, dass wir über unsere eigenen Grenzen gehen und unsere eigentlichen Gefühle missachten. Das ist für mich der Dreh- und Angelpunkt, warum wir keine Gelassenheit entwickeln.

Die Mutter, die im Seminar meinte, Kinder und Gelassenheit gingen nicht zusammen, war mit ihren Nerven am Ende. Sie hatte zwei besonders willensstarke Söhne, fünf und sieben Jahre alt, und ‚Krieg‘, Streit, Chaos in der Familie gehörten zu ihrem Alltag, den sie so nicht mehr wollte. Nach dem Seminar ging es ihr anders. So hat sie geschrieben: „Ich brauche keine ‚perfekte‘ Mutter zu sein oder zu werden. Meine Kinder entwickeln sich im Wesentlichen selbst, ich brauche sie nicht ständig zu erziehen. Ich produziere nicht die Kinder durch meine Erziehung. Erziehung findet zwischen den Zeilen statt. Unsere Kinder schauen sich das Leben von uns ab. Sie lernen von meiner Gelassenheit und werden eher gelassen, oder sie lernen von meiner Nervosität und werden eher angespannt. Ich traue dem Leben, ich kann mich entspannen, ich kann die Entscheidung treffen: Mein Leben gehört mir, ich entscheide, wie lange ich noch ‚ungelassen‘ sein will.“

Gelassenheit ist Entscheidungssache – meine Entscheidung. Das macht es erst mal nicht leichter, weil ich niemanden mehr dafür verantwortlich machen kann, wenn ich nicht gelassen bin. Es sind nicht mehr die Kinder oder mein Partner, mein Arbeitgeber, die Kunden, der blöde Vordermann, der Drängler oder die Schlafmütze im Straßenverkehr. Ich bin es, der sich aufregen lässt. Ich entscheide, inwieweit mich jemand oder etwas aufregt.

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Gelassen sein bedeutet schon gar nicht, die eigenen Gefühle zu unterdrücken. Denn unterdrückte Gefühle machen krank. Studien haben gezeigt, dass bei Frauen, die in unglücklichen Ehen leben und ihre Emotionen nicht ausdrücken, die Wahrscheinlichkeit eines frühzeitigen Todes viermal so hoch ist wie bei unglücklich verheirateten Frauen, die ihre Emotionen ausdrücken. Mit anderen Worten: Das Nicht-Ausdrücken der Emotionen war mit 400-prozentiger Erhöhung der Sterberate verbunden. Ich kann mir vorstellen, dass es bei Männern ähnlich ist.

Mathias Voelchert, geboren 1953, ist Gründer und Leiter von familylab.de – die familienwerkstatt in Deutschland. Er ist Betriebswirt, Ausbilder, Praktischer Supervisor, Coach mit systemischer Ausbildung, Autor und seit 1983 selbstständiger Unternehmer.
 
Tipp zur Vertiefung: Mathias Voelchert, Zum Frieden braucht es zwei, zum Krieg reicht einer: Wie Paare Konflikte in Liebe lösen. Kösel Verlag, 2016


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Kommentare  
# Hans Friedrich 2018-06-29 11:51
Na, dann entscheide ich mich einmal für die Gelassenheit!!!
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