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Diskurs

Vor rund einem Jahr erreichte uns die Meldung, dass in Hüttenberg ein Tibet-Zentrum entstehen soll. Die Kärntner Landesregierung und die bekannte Baugruppe Rogner stünden hinter dem Projekt, und S.H. der 14. Dalai Lama habe Unterstützung zugesagt. Das schien eine unglaubwürdige Allianz: Wellness und tibetische Universität, Seine Heiligkeit und der umstrittene Kärntner Landeshauptmann Dr. Jörg Haider.

Das Bundesland, in dem nicht einmal zweisprachige Ortstafeln durchsetzbar sind, würde plötzlich eine Vielzahl von rot-orange gekleideten tibetischen Mönchen aufnehmen wollen? Ein guter Grund für U&W, beim Kärntner Landeshauptmann nachzufragen: Wie denkt er über den Buddhismus, warum hat er das tibetische Projekt nach Kärnten geholt, und was treibt ihn an, der zu sein, der er ist?

Wie ist das Projekt eines tibetischen Zentrums inKärnten, und zwar in Hüttenberg, zustande gekommen?
Jörg Haider: Ursprünglich war ein tibetisches Europazentrum bei Frankfurt geplant. Von Heinrich Harrer kam die Idee, dass wir nach Dharamsala zu Seiner Heiligkeit fahren sollten, um das Projekt nach Österreich zu holen. Ich bin also mit einer Delegation nach Indien gefahren und habe die Idee vorgestellt. Vom Dalai Lama kam dann die Zustimmung, das Projekt zu unterstützen, wenn ein ‚Studienzentrum für spirituelle Begegnung’ und eines
für tibetische Medizin entstünden.


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Wie waren die Reaktionen in Kärnten, als Sie mit der Vereinbarung, ein tibetisches Zentrum zu errichten, nach Hause kamen?
Die katholische Kirche hatte keine Freude, und einige ÖVP-Abgeordnete haben mit besonderer Dummheit und Primitivität polemisiert und den Untergang des Abendlandes beschworen. Die Widerstände haben täglich zugenommen. Es hat sich eine beträchtliche Widerstandsgesellschaft entwickelt. Wir haben aber den Grundsatzbeschluss in der Landesregierung schneller gefasst, als diese Figuren in der Lage waren, die Projektgesellschaft aufzustellen.

Sie vermittelnden Eindruck, dass Sie es lieben zu kämpfen. Haben Sie Angst, dass Ihnen fad (langweilig, Anm. d. Red.) wird?
Langeweile wäre für mich tödlich!

„Jährlich fliegen 600.000 Europäer nach Dharamsala, nur um zu sehen, wo der Dalai Lama zu Hause ist.“


Aber auf diese Weise polarisieren Sie und sind mit einer Menge an Widerständen konfrontiert.
Man muss feste Überzeugungen haben. Wenn man die hat, lernt man, Widerstände zu überwinden.

Jörg Haider und Buddhismus, was dürfen wir uns darunter vorstellen?
Für mich ist der Buddhismus eine integrative spirituelle Lehre, die keine religiöse Aggression entfaltet. Es suchen viele Menschen spirituelle Neuorientierung, und jährlich fliegen 600.000 Europäer nach Dharamsala, nur um zu sehen, wo der Dalai Lama zu Hause ist.

Wie ist denn Ihr Bezug zu Religionen insgesamt?
Ich habe immer schon großes Interesse an allem gehabt, was mit Religionen und Ideologien zu tun hat. Ich habe auch in Religion maturiert (das Abitur gemacht, Anm. d. Red.), und ich bin römisch-katholisch.

Glauben Sie an Gott, und wie ist Ihr Gottesbild?
Ja, ich glaube, dass es etwas gibt, dass eine Macht über uns steht, die der Ursprung unserer Energie und unseres Seins ist.

Für viele Menschen ist der Dalai Lama eine der wichtigsten moralischen Autoritäten dieser Welt. Gibt es so eine moralische Autorität auch für Sie?
Menschen sind grundsätzlich fehlbar, kraft eines Amtes respektier’ ich überhaupt niemanden.

Haben Sie niemals jemanden getroffen, wo Sie gesagt haben, der ist anders, der beeindruckt mich?
Neben dem Dalai Lama ist das sicher der Gaddafi, eine faszinierende Persönlichkeit. Er wird von allen unterschätzt, man hat ihn als verkrachten Oberst aus einer Dritte-Welt-Armee hingestellt. Wenn man sieht, wie er sein Land entwickelt und in die Bildung investiert hat, Strukturen aufgebaut hat, die für sein Land nachhaltig sind, könnte sich mancher europäische Politiker ein Stück abschneiden.

Aber Gaddafi ist ein Diktator. Das stört Sie nicht?
In bestimmten Teilen der Welt findet man gesellschaftliche Verhältnisse, da geht es nicht ohne strenge Hand. Nehmen Sie den Irak her: Was hat sich gebessert? Die Katastrophe ist in Wirklichkeit größer geworden. Die Amerikaner haben gesagt: ‚Wir überfallen euch jetzt, weil wir müssen euch die Demokratie beibringen’, und jetzt sterben mehr Menschen als je zuvor, und die Katastrophe ist groß, und es hat sich ein religiöser Wahnsinn etabliert, der schwer zu stoppen ist. Es hat jeder gewusst, dort kann nur ein strenger Herr die Konfrontation zwischen Sunniten, Schiiten und Kurden einigermaßen kontrollieren.

Ein Fehlverhalten der Amerikaner im Irak kann doch einen Führer wie Saddam Hussein nicht rechtfertigen?
Solche Fragen darf man sich nicht stellen, wenn man die Frage nach einer friedlichen globalen Entwicklung stellt. Die Europäer haben nicht genug Zivilcourage gehabt, den Flächenbrand in diesem alten Kulturland zu verhindern, die haben ihre Kompetenz verloren.

Wann war es mit der Kompetenz der Europäer im Irak vorbei?
Ursprünglich wollten die Franzosen und die Deutschen einen anderen Weg gehen. Aber es ist auf das alte Spiel hinausgelaufen: Die Amerikaner haben auf die israelische Karte gesetzt und gesagt, der Irak ist eine Bedrohung für Israel, es muss interveniert werden. Das Gleiche tun sie jetzt im Iran und in Syrien. Auch die sind eine Bedrohung für Israel, und es muss interveniert werden. Die ganze Welt wird in Geiselhaft genommen. Ständig muss zugunsten eines Landes militärisch interveniert werden, das sich selbst aber nicht an die Spielregeln der Menschenrechte hält.

Sie haben sich durch Ihre Sprüche die Möglichkeit genommen, politisch mehrheitsfähig zu sein.
Es gibt nur die Wahrheit oder die Unwahrheit. Ich bin mit Gaddafi in Berührung gekommen, wo alle gesagt haben, der besucht einen Diktator.

Das hat Kreisky (ehem. österr. Bundeskanzler, Anm.d.Red.) schon lange vor Ihnen getan, und er war trotzdem mehrheitsfähig.
Kreisky hat den Vorteil gehabt, dass er selbst Jude war. Die größten Feinde Gaddafis, die Juden, sind von ihm taxiert worden, und das konnte man ihm nicht übel nehmen.

Das stimmt nicht. Es wurde ihm von einigen sehr übel
genommen, bis heute noch.
Die Juden haben ihm das übel genommen, aber die übrige Welt nicht, weil er das Privileg hatte, nicht angreifbar zu werden, weil er selbst Jude war. Deshalb konnte er so eine kritische Position einnehmen - jedem anderen ist das untersagt.

 

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Was ist denn die moralische Grundlage Ihres Handelns?
Ich versuche, die Tugenden zu leben, die mir im Elternhaus mitgegeben worden sind: Anstand, Fleiß, Ehrlichkeit,
Pflichtbewusstsein, Treue, Verlässlichkeit.

Die Tugenden des Elternhauses sind aber nicht immer für die Ewigkeit gültig, sie können sich wandeln. Welche finden Sie denn heute noch angebracht?
Alle, die mit Gemeinschaft zusammenhängen.

Gemeinschaft per se ist noch nichts Gutes. Auch die Neo- Nazis haben eine starke Gemeinschaft.
Eine Gesinnung zu haben, sagt ja nicht, ob sie gut oder schlecht ist. Das Entscheidende ist, dass innerhalb einer Gemeinschaft der Mensch als Wesen respektiert wird. Die Gemeinschaft darf den Einzelnen nicht zum Instrument des Systems machen, wie das in Diktaturen üblich ist.

Wir haben an unsere Abonnenten einen Newsletter geschickt, in dem wir den Besuch des Dalai Lama und das Interview mit Jörg Haider angekündigt haben. Ein Leser hat uns darauf geschrieben, dass er sein Abo wegen des Interviews mit Ihnen...
 …abbestellt? (lacht)

„Im Bierzelt kann keiner wirklich gut sein, der nicht ein Intellektueller ist.“


Ja. Was würden Sie diesem Mann gerne sagen?
Also, ich versuche immer, bevor ich urteile, mir die Dinge zuerst anzuschauen. Das sollte er auch machen. Er kann ja immer noch abbestellen.

Es gibt Stimmen, die sagen, dass Sie in Wahrheit gar nicht der Radaumacher sind, den Sie in Ihren Bierzeltauftritten darstellen. Sie seien ein Intellektueller, der sich verstellt. Was sind Sie nun?
Im Bierzelt kann keiner wirklich gut sein, der nicht ein Intellektueller ist, weil die anderen sind primitiv.

Wer sind die anderen, die primitiv sind?
Der Franz Josef Strauß war auch ein sehr intellektueller Mensch, aber er hat im Bierzelt auch seine guten Auftritte gemacht. Der Stoiber ist weder das eine noch das andere, der ist ein Schmalspurpopulist, der auftritt und andere kopiert, und intellektuell ist er auch nicht besonders.

Bitte assoziieren Sie zu folgenden Begriffen: Ich bin schwach…
...das kann ich mir schwer vorstellen.

Menschen sind…
...unterschiedlich.

Wer ist Jörg Haider?
...eine schwer zu durchschauende Persönlichkeit.

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Elisabeth Riedl

Elisabeth Riedl

Elisabeth Riedl, 1956, ist Journalistin und lebt in Wien. Sie hat viele Jahre für das österreichische und deutsche Fernsehen (ORF, ATV, RTL Gruppe) gearbeitet, seit 1999 als Chefredakteurin und TV-Produzentin. Sie hat 2000 gemeinsam mit Dieter Moor (jetzt Max Moor) als Moderatorin und Chefredakteu...
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