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Maries Metta-Morphosen

Im Jahr der Pandemie und des gefühlt endlosen Lockdowns wurde ein neues Verb in unserem Sprachschatz etabliert: „zoomen“. Und was uns vor Kurzem vielleicht noch völlig absurd erschien, haben wir nun wiederholt ausprobiert.

Wir haben uns mit vielen anderen zur selben Zeit allein vor unseren Bildschirm gesetzt, die Augen geschlossen und meditiert. Und wir haben entdeckt, dass die Unermesslichkeit und Grenzenlosigkeit des Zoom-Raums erstaunlich gut zur Erkundung innerer Räume passen. Viele, die sich bis dahin noch nicht aufraffen konnten, mal einen Meditationskurs zu besuchen und in ein Retreat-Zentrum zu fahren, haben die Teilnahme am virtuellen Meditationskurs gewagt. Man konnte bei sich zu Hause, im vertrauten Rahmen, etwas Neues erkunden, ohne sich mit anderen zu vergleichen, ohne sich bewertet oder beobachtet zu fühlen.

Wir alle müssen nun lernen, wie ein wertschätzender Umgang mit diesen neuen Meditationsräumen aussehen kann. Jede Meditationshalle, jedes Zen-Dojo hat eine spezielle Atmosphäre und lädt ein zu Disziplin und Entspannung, zu Heilung und Wiederkehr. Sie atmet lebendige Gegenwart und unterstützt die Meditationspraxis. Das spüren wir schon beim Eintreten, wir bewegen uns achtsamer, eine natürliche Ehrfurcht erfüllt uns. Die Klarheit und Ästhetik des Umfelds unterstützt und trägt unsere Praxis.

Pandemie

Zu allen Zeiten haben Menschen heilige Stätten erbaut, Kirchen, Tempel, Moscheen. Wir sind die erste Generation, die den virtuellen Raum mit spiritueller Praxis erfüllt. Auch der Zoom-Meditationsraum möchte bewusst erschaffen werden. Er braucht Rituale des Beginnens und der Abgrenzung und sollte Frische und Klarheit, Schönheit und Sammlung ausstrahlen, geputzt, geschmückt und gut gelüftet sein.

Um Herz und Verstand für Einsichten und innere Sammlung zu öffnen, können wir nicht bei Leberwurstbrötchen und Kartoffelchips an einer Meditationssitzung teilnehmen. Wir möchten uns innerlich und äußerlich vorbereiten. Dafür grenzen wir uns für die geplante Zoom-Zeit entschieden gegen jede Ablenkung ab. Das Handy liegt stumm geschaltet weit weg. Alle Nächsten sind informiert, damit sie uns nicht ansprechen, und wir gestalten den Raum um den Bildschirm so, dass er uns zur Kontemplation einlädt. Bevor wir auf den Link klicken, können wir uns innerlich verneigen und so zu Beginn der Zoom-Session mit der gleichen Wertschätzung wie beim Betreten der vertrauten Meditationshalle im Retreat-Zentrum in den virtuellen Meditationsraum eintreten. Und wenn wir dann online sind, gehen wir sehr achtsam mit dem Mikrofon um, damit nicht all unsere unsichtbaren Mitsitzenden das Geschrammel ertragen müssen, dass wir beim Aufklopfen unseres Zafus veranstalten.


Dieser Artikel erschien in der Ursache\Wirkung №. 117: „Meditation"

UW117 Cover


Das Miteinander und das Alleinsein, innerer Raum, äußerer Raum, Herz-Raum und virtuelle Gefilde durchdringen sich in der Zoom-Meditationszeit auf geheimnisvolle Weise. So erschaffen wir eine neue spirituelle Dimension, für die wir – staunend – noch gar keine Worte haben. Wir beginnen gerade erst, sie zu erahnen. Geben wir jener neuen Dimension doch einen würdigen Rahmen!

Bild Teaser & Header © Pixabay

Marie Mannschatz

Marie Mannschatz

Marie Mannschatz hat mehr als zwei Jahrzehnte in freier Praxis als Gestalt- und Körpertherapeutin gearbeitet. Sie praktiziert Vipassana-Meditation seit 1978 und wurde in den neunziger Jahren von Jack Kornfield zur Lehrerin ausgebildet.Marie Mannschatz lebt in Schleswig-Holstein und lehrt in Europa ...
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