Um informiert zu sein, lesen viele die Nachrichten. Was kann man tun, wenn einen die Nachrichten traurig machen? Naturkatastrophen, Kriege und Pandemien lösen oft negative Gefühle in uns aus. Wie kann man Freude und Zufriedenheit finden? Der Dharma-Lehrer Tenzin Peljor Bhikshu antwortet.
"Jeden Tag, wenn ich aufstehe, drehe ich mein Radio auf und höre Nachrichten. Ich schalte mein Smartphone ein, und wieder prasselt eine Vielzahl von Informationen auf mich ein. Ich will informiert sein, was in der Welt passiert. Jedoch stimmen mich die meisten Nachrichten nicht glücklich, handeln diese doch großteils von Ungleichheit, Egoismus, Pandemie, Tod, Umweltverschmutzung, verschwenderischem Ressourcenverbrauch und Ungerechtigkeit. Ein Gefühl von Machtlosigkeit und Traurigkeit macht sich in mir breit. Sicher wäre es eine Möglichkeit, einfach nicht mehr Nachrichten zu hören, aber die Tatsache, dass die Welt und viele Menschen enormes Leid erfahren, wird dadurch nicht gemindert. Auch auf der persönlichen Ebene sind Leid und Tod immer wieder sehr nah.
Wie kann man da Freude empfinden und versuchen, ein Leben in Zufriedenheit und Gelassenheit führen?"
Herbert Lindauer
Dharma-Lehrer Tenzin Peljor Bhikshu antwortet:
Aus der Perspektive des Dharma* ist es meines Erachtens am wichtigsten, zu prüfen, was machen die Nachrichten mit mir? Schaffen sie Feindbilder, Ärger, Hass oder Empörung? Wenn ja, wem ist damit geholfen? Mir, meinen Mitmenschen, der Gesellschaft? Stärkt mich das oder schwächt es mich? Welche inneren Qualitäten wachsen dadurch in mir heran? Wenn da nicht so viel Ergiebiges im Sinne eines inneren Wachstums angeregt wird oder kein Nutzen entsteht, warum tue ich mir das an? Warum reduziere ich nicht den Informationskonsum oder suche bewusst gute Nachrichten? Ich würde mir also überlegen, wie viel ich mir da antue und wo meine Grenze ist. Niemand hat etwas davon, wenn ich mich überfordere und mich selbst quäle.
Wie du sagst, keine Nachrichten zu hören, mindert nicht das Leid. Nachrichten zu hören, mindert aber auch nicht das Leid.
Ich würde versuchen, den Dharma in den Nachrichten zu hören. Wie Menschen aus Gier, Egoismus, Machtrausch und Verblendungen handeln – wie ich selbst im Kleineren oder Größeren ja auch! – und damit die Ursachen für Leid für sich und andere schaffen. Dabei übe ich, die Menschen nicht mit ihren Handlungen zu identifizieren. Ich kann destruktive Handlungen ablehnen, mich aber gleichzeitig dem betreffenden Menschen mit Wohlwollen und Mitgefühl zuwenden: „Ach, wie wunderbar wäre es, wenn dieser Mensch dieses sich selbst und andere schädigende Handeln überwinden könnte. Möge er es überwinden! Möge er die inneren und äußeren Umstände finden, um es zu überwinden.“
Dann ist es hilfreich, zu üben, sich nicht über diese Menschen zu erheben, sie als mir gleich anzusehen: Wir sind alle gleich im Wunsch nach Glück und Freiheit von Leid.
Auch der Geist der Entsagung oder „Bodhicitta“, die selbstlose Entschlossenheit, das Ziel der Erleuchtung nicht aus Eigennutz, sondern zum Wohle aller Wesen zu erlangen, könnte eine heilsame Reaktion sein: „Das Dasein ist unbefriedigend und leidhaft, ich muss Befreiung erlangen. Obwohl die Wesen nichts sehnlicher als Glück wünschen, zerstören sie es aus Unwissenheit, als wäre es ihr ärgster Feind. Oh, wie wunderbar wäre es, wenn ich ihnen helfen könnte, Glück und die Ursachen des Glücks zu finden. Ich muss vollständig erwachen, um ihnen dabei zu helfen.“
Mit diesem Wunsch fühle ich mich nicht machtlos. Ich habe eine Lösung. Sie besteht in dem Ziel, meine Begrenztheit zu überwinden, zu erwachen, wie der Buddha, um anderen besser helfen zu können, oder Nirvana, den vollständigen Frieden, zu erlangen, um diesen Wahn hinter mir zu lassen.
Reagiere ich mit Liebe auf die handelnden Personen, gibt das außerdem positive Energie und Freude. Liebe macht zufrieden und schafft Verbindung. Sie nutzt auch meinem unmittelbaren Umfeld und der Gesellschaft. Außerdem fällt es mir mit Liebe leichter, das Gute im anderen und im Schlechten zu sehen, toleranter und verzeihender zu sein. Auf diese Art transformiere ich die negativen Nachrichten in etwas Positives. Ich transformiere sie in mir, und das stärkt mich. Ich transformiere sie für andere, weil ich mich durch Liebe, Mitgefühl und Widmung heilsam mit den Wesen dieser Welt verbinde, statt mich durch destruktive Nachrichten und meine Reaktion darauf von ihnen zu trennen.
Dieser Artikel erschien in der Ursache\Wirkung №. 116: „Leben, lieben, lachen"
Allerdings bedarf so eine Umwandlung des Trainings und der Übung in Meditation. Sonst wird es wohl eher nicht funktionieren. Dazu kann ich aber immer noch die Menge an Informationen, die mich erreichen, regulieren, damit sie mich nicht überwältigen.
*„Dharma“/Sanskrit धर्म, Pali „Dhamma“ धम्: zentraler Begriff im Buddhismus, Lehre des Buddha
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