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Leben

Ayurveda-Expertin Kerstin Rosenberg über Behandlungsmethoden, Medikamentenphilosophie und Ausbildungskriterien zum Ayurveda-Therapeuten.

Warum sollte sich ein Patient für eine Ayurveda-Behandlung entscheiden?

Ich denke, dies hängt vor allem damit zusammen, dass die ayurvedischen Therapiemethoden rationale, psychologische und spirituelle Aspekte umfassen und Patienten durch den individuellen Behandlungsansatz sehr persönlich angesprochen werden. Ebenso bietet die Ayurveda-Medizin und -Therapie ein großes Repertoire an äußerst wohltuenden Maßnahmen, die nicht nur die Gesundheit verbessern, sondern auch hervorragend schmecken, unseren Körper verwöhnen und die Lebensqualität auf vielfältige Weise steigern.

Bei welchen Beschwerden oder Krankheiten ist Ayurveda besonders angezeigt?

Grundsätzlich kann Ayurveda für alle körperlichen und psychischen Beschwerden und Bedürfnisse auf ganzheitliche Weise in der ambulanten und der kurativen Praxis eingesetzt werden. Besonders große Heilerfolge verbuchen wir bei allen chronischen Erkrankungen, Autoimmunerkrankungen, Hautbeschwerden, Beschwerden des Bewegungsapparats, Frauenleiden sowie bei den heute vermehrt auftretenden Erschöpfungszuständen – verbunden mit Schlafstörungen, Burnout oder Depressionen. Aus therapeutischer Sicht wirken sanfte und einfühlsame Ayurveda-Ölmassagen besonders gut ausgleichend und harmonisierend auf das ‚Vata-Dosha'. Das heißt, sie werden speziell bei Erschöpfungszuständen, Nervosität, psychosomatischen Beschwerdebildern sowie zur Stärkung des Nerven- und Immunsystems eingesetzt. Auch in der Geriatrie und zur Vorbereitung auf die Schwangerschaft wirken entspannende Ölmassagen äußerst wohltuend und steigern die Lebensenergie.

Ist Ayurveda für jeden Menschen geeignet und in jeder gesundheitlichen Lage empfehlenswert?

Bis jetzt konnten wir für jeden Patienten in jeder Situation positive Veränderungen für sein inneres und äußeres Gleichgewicht beobachten. In der Medizin eignet sich Ayurveda hervorragend als komplementäre Heilmethode, die schulmedizinisch ausgerichtete Therapien ergänzen kann.

Wie wird ein Ayurveda-Arzt ausgebildet, was wird gelehrt und wie lange dauert die Ausbildung?

Ayurveda-Medizin kann in Indien an mehr als 200 verschiedenen Universitäten studiert werden. Das Grundstudium (B.A.M.S.) dauert fünf Jahre und darauf aufbauend kann noch ein dreijähriges Facharztstudium (M.D.) absolviert werden. In Europa gibt es diverse Weiterbildungen in ayurvedischer Heilkunde und Therapie. Ein hochschulanerkanntes Studium der Ayurveda-Medizin mit Abschluss zum Master of Sience in Ayurveda-Medizin (MSc Ayurveda) bietet in Deutschland die ‚Europäische Akademie für Ayurveda Birstein' in Kooperation mit der Middlesex Universität in London an. Zu diesem berufsbegleitenden Studium über drei Jahre sind Ärzte, Heilpraktiker und andere medizinische Berufsgruppen zugelassen.

Wer darf sich in Deutschland Ayurveda-Arzt oder -Therapeut nennen?

Nur anerkannte Mediziner (Ärzte oder Heilpraktiker) dürfen auch Ayurveda-Medizin ausüben. Der Titel Arzt ist eine geschützte Berufsbezeichnung. Selbst qualifizierte Ayurveda-Vaidyas (Ärzte) aus Indien oder Sri Lanka haben in Europa keine Zulassung, um Menschen zu diagnostizieren und zu behandeln. Der Begriff ‚Therapeut' ist in Deutschland nicht geschützt. So kann sich rein theoretisch jeder ‚Ayurveda-Therapeut' nennen. Doch ‚therapieren' dürfen nur Menschen mit medizinischen Grundberufen. So sind all diejenigen, die im Ayurveda-Wellness-Sektor tätig sind, als Ayurveda-Praktiker oder -Berater zu titulieren.

Warum erhält man ayurvedische Medikamente ohne Informations- oder gar Kontraindikationshinweise?

Alle ayurvedischen Kräuterpräparate sind in der EU bis jetzt nicht als Medikamente, sondern als Nahrungsmittel oder Nahrungsergänzungen lizenziert. Damit verbunden ist die Auflage, dass keine Indikationen oder Kontraindikationen auf der Packung genannt werden, da diese Präparate und Rezepturen offiziell nicht zur Behandlung von symptomatischen Störungen eingesetzt werden.

Man sagt, dass in einigen indischen Ayurveda-Medikamenten auch ‚Kuhscheiße' verarbeitet wird. Wozu soll das gut sein?

In der rationalen Ayurveda-Medizin werden primär pflanzliche Heilmittel wie Heilkräuter und Gewürze genutzt, außerdem einige mineralische Substanzen sowie geklärte Butter und Milch als Trägersubstanzen. Da in Indien die Kuh einen hohen Stellenwert besitzt und sogar als heilig betrachtet wird, kommen in der traditionellen Volksmedizin auch teilweise Produkte der Kuh zum Einsatz. Diese Verwendungen beruhen eher auf religiös-mythologischen Vorstellungen, finden aber in der offiziellen Ayurveda-Medizin auch in Indien kaum Verwendung. In Europa konzentriert sich der Ayurveda auf die pflanzlichen Heilmittel.

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Was ist unter einer ayurvedischen Massage zu verstehen?

Massagen dienen im Ayurveda zur täglichen Körperpflege, zur Verjüngung und Entspannung. Ebenso werden sie zur therapeutischen Regeneration und zu ausleitenden Zwecken eingesetzt. Eine ayurvedische Massage wird individuell auf die Konstitution des Einzelnen abgestimmt und kann mit verschiedenen Ölen, mit Seidenhandschuhen, mit Kräuterpulvern oder -beuteln ausgeführt werden. Die Behandlungsstile variieren von sanften Ölausstreichungen zur Regeneration (samvahana, abhyanga) bis zu dynamischen Druckpunktmassagen (mardana, marma-chikitsa). Alle Massagen werden auf das alte Wissen um die strukturelle, funktionale und energetische Anatomie des Menschen abgestimmt.

Geht es nur um das Einmassieren der Öle oder sind auch die Handgriffe von Bedeutung?

Beides ist wichtig: Im Rahmen einer medizinischen Ayurveda-Kur oder -Behandlung werden viele medizinische Kräuteröle in der Massage verwendet und ein Teil des Heilkonzeptes ist die Einwirkung der Kräuter über die Haut, vergleichbar mit einem Hormonpflaster. Ebenso kennt die Ayurveda-Therapie hervorragende manual-therapeutische Techniken und Griffe, die z.B. speziell auf Beschwerden des Bewegungsapparats abgestimmt werden. Diese Behandlungsformen werden vor allem in der südindischen Kalari- und Marma-Chikitsa-Therapie praktiziert.

Wie oft oder wie viele Öl- oder Kräuteranwendungen sollte man während einer Ayurveda-Kur erhalten?

Das hängt ganz vom Krankheitsbild ab: Normalerweise hat man im Rahmen einer medizinischen Panchakarma-Kur mindestens ein bis zwei Massagen oder Ölanwendungen pro Tag. Doch für manche Krankheitsbilder ist dies auch kontraindiziert. Dann besteht die Kur vor allem aus Schwitz-, Ernährungs- und Kräutertherapien. Eine gute Panchakarma-Kur erkennt man daran, dass keine Behandlungspakete mit einer vorher festgelegten Anzahl von Massagen verkauft werden, sondern der Kurablauf individuell auf das Befinden des Patienten abgestimmt wird.

Welchen Stellenwert haben die drei Anwendungsformen Ernährung, Ölanwendungen und Medikamente?

Die richtige Ernährung nimmt im Ayurveda einen sehr großen Stellenwert ein. Wir sagen immer, 50 Prozent der gesamten Therapie hängen von der richtigen, d.h. individuell auf die Konstitution und Beschwerdebilder abgestimmten Ernährungsweise ab. Massagen und Ölanwendungen begleiten jeden Reinigungs- und Aufbauprozess – sowohl in der persönlichen Körperpflege zu Hause als auch im kurativen Bereich. Und wie viele andere Medizinsysteme verfügt auch Ayurveda über ein reichhaltiges Repertoire an natürlichen Präparaten und Rezepturen aus pflanzlichen, mineralischen und tierischen Inhaltsstoffen, die als Medikament zur Behandlung von Krankheiten eingesetzt werden. Für einen schnellen Heilerfolg ist es natürlich von großem Vorteil, auf diese alte Kräuterheilkunde zurückzugreifen. Doch ersetzen die ayurvedischen Medikamente nicht die Empfehlungen für eine gesunde Lebensweise, denn die richtige Ernährung, ausreichend Bewegung und harmonisierende Entspannung dienen als Säulen des Lebens und sind zur Gesunderhaltung des Gesunden und zur Behandlung des Kranken notwendig.

Kerstin Rosenberg ist Spezialistin für ayurvedische Ernährung und Therapie, ganzheitliche Ayurveda-Ernährungs- und -Gesundheitsberaterin, Buchautorin und Ayurveda-Köchin. Gemeinsam mit ihrem Mann Mark Rosenberg gründete sie 1992 das Mahindra-Institut in Birstein, heute eines der renommiertesten Ausbildungszentren für Yoga und Ayurveda im deutschsprachigen Raum.
 
Bilder © pixabay

 

Elisabeth Riedl

Elisabeth Riedl

Elisabeth Riedl, 1956, ist Journalistin und lebt in Wien. Sie hat viele Jahre für das österreichische und deutsche Fernsehen (ORF, ATV, RTL Gruppe) gearbeitet, seit 1999 als Chefredakteurin und TV-Produzentin. Sie hat 2000 gemeinsam mit Dieter Moor (jetzt Max Moor) als Moderatorin und Chefredakteu...
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