Acht Punkte zum Aufbau einer stabilen meditativen Praxis.
Heute werden zahlreiche spirituelle Wege und entsprechende Ratgeber angeboten, gelehrt und danach geübt. Das ist ein großes Geschenk und gibt Chancen zur geistigen Entwicklung, kann aber auch zu Zweifeln über den richtigen Weg, zu Unentschlossenheit und oberflächlichem Konsum führen. Selbst wenn man einen Weg gefunden hat, heißt das noch lange nicht, dass man dabeibleiben wird. Die folgenden acht Faktoren werden helfen, auf einem Weg zu bleiben.
1. Du brauchst, besonders am Anfang, eine feste Überzeugung, etwas, das dir einleuchtet, dich wirklich berührt und das du nachvollziehen kannst. Vertrauen ist notwendig, dass dieser Weg ein gutes Ziel hat und du die Fähigkeit hast, ihn zu gehen. Das ist die Basis für eine klare Entscheidung und eine feste Absicht. Es gibt dir Energie, sodass du nicht beim ersten Gegenwind aufgibst und umkehrst. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Menschen, die bis ins hohe Alter unerschütterlich ihre buddhistische Meditation praktizieren, die tiefe Überzeugung haben, dass in jedes Leben, auch wenn es gut läuft, Leiden eingebaut ist, dass es eine erkennbare Ursache dafür gibt und der Weg des Buddha zum Ende dieses Leidens, zur inneren Freiheit führt. Oft leuchtet diese Überzeugung schon zu Beginn des Weges auf und wird später durch eigene Erfahrungen bestätigt.
2. Suche dir eine Gemeinschaft, denn ohne Begleitung, auch wenn man viele Strecken allein wandern muss, kann man sich leicht verlieren. Das kann eine Gruppe oder können einzelne Gleichgesinnte in deiner Nähe sein, mit denen du regelmäßig üben und dich austauschen kannst. Dann ist es sehr zu empfehlen, von Zeit zu Zeit (vielleicht zweimaljährlich) an längeren Retreats von einigen Tagen teilzunehmen. Nur so kannst du neue Nahrung bekommen, Hindernisse überwinden und deine Übungen vertiefen. Außerdem gibt es heute die Möglichkeit, über verschiedene Medien mit spirituellen Menschen und Vorbildern regelmäßig in Kontakt zu bleiben. Sie machen dir bewusst, was für eine seltene Chance es ist, einen Weg zur inneren Freiheit gezeigt zu bekommen.
3. Wer von einem Retreat kommt, weiß, dass es wichtig ist, jeden Tag regelmäßig zu üben. Mache dir bewusst, wie intensiv du üben musst, um ein Musikinstrument zu erlernen. Wie viel mehr Zeit brauchst du, um deinen widerspenstigen Geist zu trainieren. Baue die Übung so in dein Leben ein, dass sie zu einer nicht mehr infrage gestellten Gewohnheit wird. Doch dabei darfst du nicht zu viel Druck und Ehrgeiz einsetzen. Finde Zeiten, die sich gut in den Tagesablauf einfügen, und wähle für dich passende Methoden. Es gibt keine Vorschrift, wie viel Zeit du dafür verwenden sollst. Es ist besser, täglich nur acht Minuten intensiv zu üben, als gar nicht. Oft wird empfohlen, mit einer halben Stunde anzufangen, und wenn die Übung Ergebnisse bringt, wird sich die Zeit von selbst verlängern.
4. Wenn du eine Gewohnheit etabliert hast, dann gib acht, dass die Übung nicht abstumpft und stagniert, sondern lebendig und interessant bleibt. Das kannst du schaffen, wenn du circa einmal pro Woche überprüfst, was und wie du übst, was dabei geschieht, welche Veränderungen stattfinden. Außerdem sollst du nicht an einer Methode hängen, sondern dir viele Werkzeuge aneignen. Für wen die Lehre des Buddha eine Grundlage ist, der weiß, dass der Erwachte eine erstaunliche Fülle von Wegen und Mitteln gezeigt hat. Es gibt die vier Gebiete der Achtsamkeit, wie Arbeit mit dem Atem, Körper, Sammlung, offenes Gewahrsein, Empfindungen, Emotionen, Gedanken, aber auch ganz unterschiedliche geistige Arbeit wie Entfaltung von Einsicht über das Leiden, die Vergänglichkeit, das Selbst, Entfaltung von Liebe, Mitgefühl, Freude und Vertrauen.
5. Denke nicht, dass Übung und Alltag zwei getrennte Bereiche sind. Finde Wege, wie du bestimmte tägliche Aktivitäten (Gehen, Essen, Putzen, oder etwa Arbeiten) für die Meditation verwenden kannst. Besonders der Aufenthalt in der Natur ist eine Einladung für bewusstes Erleben und Einsicht.
6. Schriftliche Notizen können ebenso wie Meditation hilfreich sein – als ein Nachdenken über bestimmte Themen, ebenso auch die intensive Beschäftigung mit Lehrtexten und das Anlegen einer Sammlung von Anweisungen, Vorträgen und eigenen Betrachtungen. Eine Art Studium ist für die Orientierung auf dem Weg notwendig.
7. Eine Praxis hält sich von selbst aufrecht, wenn bestimmte Erfahrungen eingetreten sind. Diese kann man nicht erzwingen, doch man kann versuchen, die Bedingungen dafür zu schaffen. Dabei ist es entscheidend, die eigenen Hindernisse zu überwinden. Wenn die Achtsamkeit noch nicht so stark ist, diese zu bemerken, ist es notwendig, sich an gegebene Richtlinien zu halten. Es ist nicht möglich, eine Praxis aufrechtzuerhalten, wenn man Körper und Geist regelmäßig mit berauschenden Mitteln füttert oder beruflich anderen Menschen schadet.
8. Deine Meditation darf nicht immer nur anstrengend sein, sondern muss mit der Zeit Freude machen und gute Ergebnisse bringen. Angenehme körperliche Empfindungen kommen zunächst durch die Sammlung des Geistes, und diese sollte dazu verwendet werden, tiefe und erfüllende Einsichten zu erhalten. Eine tiefe Erfahrung, nach der man weiß, dass man nicht mehr vom Weg abkommen kann, nennt Buddha den Stromeintritt.
Um deine Praxis zu festigen, musst du nicht alle acht Faktoren berücksichtigen. Du kannst auch weniger auswählen, vielleicht nur vier, wenn du sie umsetzen kannst. Vielleicht genügt auch ein Punkt, wenn du ihn wirklich zu deinem Anker machst, der dich jeden Morgen an den Weg erinnert.
Dieser Artikel erschien in der Ursache\Wirkung №. 120: „Lebendiger Buddhismus"
Illu Teaserund text © Francesco
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