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Leben

In einer inklusiven Gemeinschaft ist jeder Mensch willkommen. Es reicht aber nicht, dass Inklusion ein bloßer Anspruch ist, sie muss auch gelebt werden. Wir haben Buddhist*innen gefragt, wie dies gelingen kann.

Buddhismus gilt als besonders inklusiv, und das nicht zu Unrecht. Der Dalai Lama, Hsing Yun, Thích Nhất Hạnh und viele weitere buddhistische Lehrer*innen haben bezüglich Inklusion gleicher Rechte von queeren Menschen eindeutig Stellung bezogen. Auch innerhalb der Deutschen Buddhistischen Union wurde die Gründung einer Arbeitsgemeinschaft queerer Buddhist*innen mit Freude aufgenommen und unterstützt. 

Mein erster Eindruck war, dass queere Buddhist*innen in ihren Gemeinschaften sehr gut vertreten und integriert sind. Ebenso gibt es queere Dharma-Lehrer*innen. Da ich keine Untersuchung kenne, die sagt, wie inklusiv buddhistische Gemeinschaften sind, begann ich gezielt zu fragen. Mein Eindruck bestätigte sich zwar, aber nach einigen Gesprächen wurde mir klar, dass buddhistische Gemeinschaften immer auch ein Spiegel der Gesellschaft sind.

Als ich sagte, ich sei nichtbinär, schlug jemand mit der geballten Faust auf den Tisch und meinte, das gebe es nicht. Es gebe nur Männer und Frauen.

Morgan Richardson praktiziert in der Plum-Village-Bewegung, die Erfahrungen in anderen Zentren waren nicht so positiv. Morgan ist nichtbinär und wählte das Pronomen „dey/deym“ statt „er/ihm“ oder „sie/ihr“. Dey erzählt von einem Erlebnis in einer Sangha: „Als ich sagte, ich sei nichtbinär, schlug jemand mit der geballten Faust auf den Tisch und meinte, das gebe es nicht. Es gebe nur Männer und Frauen.“

Morgans Geschichte ist ein extremes Beispiel von Ausgrenzung. Aber auch andere Schilderungen zeigen, dass es noch viele Missverständnisse, Unwissen und teilweise Vorbehalte gibt – auch wenn Mitgefühl und Zuhören sowie Rechte Rede zur buddhistischen Praxis gehören. Es gibt aber ebenso Gemeinschaften, die inzwischen vielfältige Erfahrungen mit Inklusivität gesammelt haben. Wir wollen deswegen fragen, wie dies erreicht werden kann. 

Sanghas

Ven. Vimala ordinierte 2008 und beschloss, die Robe dauerhaft zu tragen, und erhielt 2016 die volle Ordination. Ven. Vimala lebt in Belgien im Kloster Tilorien, definiert sich als nichtbinär und wählte das Pronomen dey. Dey möchte gesellschaftlich unterrepräsentierte Gruppen und auch queere Menschen zu unterstützen, spirituell zu wachsen. Für Ven. Vimala ist der Buddhismus von Anfang an inklusiv gewesen: „Der Buddha riss viele Grenzen nieder, die Menschen trennten. Er inspirierte Menschen unterschiedlicher Lebenswege und aller Geschlechter, zu meditieren. Schlussendlich ist diese Existenz nichts weiter als ein temporärer Aufenthalt, und in einem nächsten Leben können wir ein anderes Geschlecht, eine andere Profession oder eine andere Hautfarbe haben.“

Ven. Vimala führt fort, dass der Weg zur Inklusivität die Praxis selbst ist: „Wir können als Gemeinschaft inklusiver werden, indem wir lernen, wie wir ohne Urteil, Schuldzuweisungen und stattdessen mit Mitgefühl und Empathie kommunizieren. Das bedeutet, auf unsere Herzen zu hören und ein tieferes Verständnis zu gewinnen, was unser Leid verursacht, anderen zuzuhören und mit ihnen zusammen schweigend zu sitzen. Einfach zuzuhören und alles, was wir erfahren, mit liebender Güte und Mitgefühl zu akzeptieren. Diese Dinge sind ein Teil von uns, haben uns geprägt und zu dem gemacht, was wir sind. Wenn wir auf uns selbst achtgeben, wird ein Wandel eintreten. Wir werden eine tiefere Liebe zu uns selbst erlangen. Je mehr wir an uns arbeiten, desto leichter wird es uns fallen, einfühlsamer gegenüber anderen zu sein und uns auf natürliche Weise inklusiv zu verhalten und uns gegenseitig auf unserem Weg zu helfen. Indem wir meditieren, können wir ruhig werden und lernen, unsere eigene Einzigartigkeit zu akzeptieren und die von anderen. Es ist diese Einzigartigkeit, die die Welt wunderschön macht.“

Bhante Akaliko, der Gründer von Rainbodhi, einer Gemeinschaft für LBSTQIA+ Buddhist*innen, meint, dass der erste Schritt zur Inklusivität ist, diese Einzigartigkeit anzuerkennen: „Auch Menschen, die der LBSTQIA+ Gemeinschaft angehören, besuchen Tempel, Retreats und Zentren. Wir sollten nicht automatisch annehmen, dass jeder heterosexuell ist.“

Ein weiterer Schritt wäre es, den LBSTQIA+ Menschen in der Sangha zuzuhören, um zu erfahren, wie sie sich fühlen: „Oft fühlen sich LBSTQIA+ Menschen unsichtbar in buddhistischen Zentren, und man geht auf ihre speziellen Bedürfnisse nicht ein. Teilweise bemerken wir nicht, dass unsere buddhistischen Zentren manchmal nicht einladend sind und die LBSTQIA+ Gemeinschaft ausschließen. Manchmal verstehen Einzelne nicht, dass ihr Verhalten und ihre Rede Schaden verursachen können“, meint Bhante Akaliko. Er empfiehlt in solchen Fällen Diversity-Trainings – gegebenenfalls für die ganze Organisation. Er schlägt auch vor, dass es Ansprechpersonen und Verfahren geben sollte, die Einschüchterungen verhindern, und helfen, bei Fällen von diskriminierendem Verhalten Konfliktlösungen zu finden.

Morgan spricht ein weiteres Thema an: „Die Lebenswelten in den Dharma-Vorträgen sind nicht sehr divers. Es geht meist um das Alltagsleben der weißen, heterosexuellen Mittelschicht. Alles andere ist nicht sichtbar, und deswegen fühlen sich andere Gruppen auch nicht angesprochen.“

Steffi Höltje und Margret de Backere sind beide seit 1993 mit der Gemeinschaft von Thích Nhất Hạnh, Plum Village verbunden. Sie sind Dharma-Lehrerinnen und leben seit fast dreißig Jahren als Paar zusammen. Auch sie betonen, dass es wünschenswert wäre, wenn Diversität auch in Dharma-Vorträgen Einzug halten würde. Margret erklärt: „Dort beziehen sich die Beispiele oft einseitig auf eine heterosexuelle Lebenswelt. Menschen mit anderen Lebenswelten, andersartiger sexueller Orientierung oder Identität tauchen nur äußerst selten darin auf. Auch wir selbst sollten den Mut haben, unsere ‚anderen‘ persönlichen Geschichten zu erzählen, damit sie gehört werden und unsere gegenseitige Wahrnehmung erweitern können. Dafür braucht es geschützte Räume, in denen wir uns alle mit unserer Verletzlichkeit zeigen und darauf vertrauen können, dass wir einander tief zuhören – mit offenem Herzen, Wertschätzung und Respekt.“ Steffi ergänzt, dass es hilfreich sein kann, eine achtsame Sprache zu verwenden: „Zum Beispiel neben Lehrer und Lehrerin auch die genderneutrale Form Lehrende. Ein wichtiger Baustein könnte die Überarbeitung der grundlegenden Praxistexte sein, damit eine inklusive Haltung darin zum Ausdruck kommen kann.“ Weiterhin brauche es mehr Sichtbarkeit, fährt Steffi fort: „Auch die sichtbare Präsenz der Regenbogen-Community während Retreats, zum Beispiel in eigenen Gesprächsgruppen, kann Vertrauen sowie das Gefühl von Zugehörigkeit und Sicherheit nähren. In diesem Kontext ist es nach unserer Erfahrung sehr unterstützend, wenn insbesondere auch Dharma-Lehrende mit ihrer LBSTQIA+ Identität offen umgehen.“

Die Gemeinschaft versammelt sich in einer U-Form, sodass diejenigen, die sich nicht der männlichen oder weiblichen Identität zuordnen, entspannt einen für sie stimmigen Platz einnehmen können.

Zum Thema Sichtbarkeit meint Bhante Akaliko: „Die Regenbogen-Flagge zu zeigen und zu sagen, dass LBSTQIA+ Menschen in deiner buddhistischen Gemeinschaft willkommen sind, ist ein toller Start. Wahre Inklusivität bedeutet aber mehr. Handlungen zeigen, ob wir die Perspektive von LBSTQIA+ Menschen verstehen, ob wir verstehen, welche Dinge schaden und was wir ändern müssen, um Schaden zu vermeiden. Wenn wir nicht die bestehenden Barrieren abbauen, ist es keine echte Inklusion.“ Dafür schlägt Bhante Akaliko konkrete Schritte vor: „Im administrativen Bereich lassen sich die Anmeldungsformulare anpassen, um nichtbinäre Menschen einzubeziehen. Ebenso können Unisex-Toiletten eingerichtet werden. Grundsätze für Inklusion können etwa auf Homepages veröffentlicht werden.“


Dieser Artikel erschien in der Ursache\Wirkung Special №. 1: „Buddhismus unter dem Regenbogen"

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Margret fügt hinzu, dass auch in Zeremonien LBSTIQA+ Praktizierende mehr einbezogen werden sollten: „Eine Inspiration, Zeremonien auf kreative Weise inklusiver zu gestalten, ist die Art, wie im ‚Deerpark Monastery‘ in den USA das formelle Mittagessen eingenommen wird: Die Gemeinschaft versammelt sich in einer U-Form, sodass diejenigen, die sich nicht der männlichen oder weiblichen Identität zuordnen, entspannt einen für sie stimmigen Platz einnehmen können.“ Sie verweist auch auf einen weiteren wichtigen Punkt: „Wir würden uns wünschen, wenn es in buddhistischen Gemeinschaften, in denen es Segnungsfeiern für Paare gibt, diese ganz selbstverständlich ebenso für gleichgeschlechtliche beziehungsweise alle Regenbogen-Paare möglich wären. Dies alles sind kleine Mosaiksteine, die ein Gefäß schaffen, in dem sich die Diversität des Lebens frei entfalten und Heilung stattfinden kann. Mögen alle Wesen ihr Einssein erkennen – jenseits aller Formen und Farben!“

Tobias Trapp arbeitet als Software-Architekt und praktiziert richtungsübergreifend. Er ist einer der Gründer*innen der Sangha unter dem Regenbogen.

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Tobias Trapp

Tobias Trapp

Tobias Trapp arbeitet als Software-Architekt und praktiziert richtungsübergreifend. Er ist einer der Gründer*innen der „Sangha unter dem Regenbogen“, einer Gruppe für LGTB+, die sich für Buddhismus interessieren. Er kümmert sich in Mainz um queere Geflüchtete.
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