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Leben

Weltliche Freuden wie sinnlicher Genuss lassen einen lebendig fühlen. Doch kann durch die Meditation der Achtsamkeit eine ganz andere Ebene von Freude empfunden werden? Buddha zeigt den Weg.

Ein Teilnehmer einer Meditationsgruppe berichtete, seine Partnerin meinte, er habe sich durch die Meditation verändert. Er sei nicht mehr so spontan, heiter und emotional. Sie habe ihn gefragt, ob er sich denn selbst weniger lebendig fühle. Tatsächliche machen manche bei vertiefter Übung der Meditation und bei der daraus folgenden Einsicht in die eigenen Lebensprozesse die Erfahrung, dass starke Emotionen schwächer werden. Das mag manchmal anderen als weniger lebendig vorkommen.

Aus der Distanz zu den Vergnügungen entsteht eine neue Sicht.

In Buddhas Reden wird zuweilen gesagt, dass auf einer bestimmten Ebene der Übung ein Überdruss an den durch die Sinne entstandenen weltlichen Freuden entsteht. Normalerweise fühlt man sich lebendig, wenn sinnliche Genüsse erlebt werden, wenn man Spaß hat, Unterhaltung genießt und Lust verspürt. Wenn man Überdruss daran verspürt, darf man jedoch nicht stehen bleiben. Wer auf dem Weg zum großen Meer durch eine Wüste kommt, muss weitergehen. Wer diese Erfahrung wahrnimmt und nicht verurteilt, wird merken, dass sich dadurch eine tiefere Ebene öffnet. Aus der Distanz zu den Vergnügungen entsteht eine neue Sicht.

Ob sich jemand lebendig fühlt, ist meistens abhängig von den äußeren Umständen. Etwa von einer schönen Begegnung, einem anregenden Gespräch, beim Hören von Musik , Tanzen oder Über-etwas-herzlich-Lachen. Es geschieht, doch es liegt oft nicht in der eigenen Macht. Der Buddha sagt, dass der Mensch ständig von etwas getrieben wird und die meisten sich ein Leben ohne diese Triebe gar nicht vorstellen können. Und dennoch soll die Achtsamkeit dazu dienen, diese Triebe zu überwinden. Nun hat die Achtsamkeit viele Eigenschaften und um mit den Trieben zu arbeiten, kommt zunächst die gerichtete Achtsamkeit zum Einsatz. Das ist eine Art Kontrolle der geistigen Vorgänge, die zur Beruhigung des Geistes führt. Das Denken und die Gefühle werden geschult und gelenkt. Daher nennt Nyanaponika, der die erste grundlegende Interpretation der Rede von den Gebieten der Achtsamkeit, „Satipatthana“, zu finden in den klassischen buddhistischen Texten, schrieb, diese Arbeit „Geistestraining“. Allerdings wird es dem Unerfahrenen so vorkommen, als sei Kontrolle das Gegenteil von Lebendigkeit.

lebendig

Der Buddha zeigt jedoch in dieser Rede einen ganz besonderen Weg, der eben nicht von Kontrolle bestimmt wird. Die Kontrolle besteht darin, sich Raum und Zeit für die Übung zu nehmen. Doch dann richtet man die Achtsamkeit auf den Atem oder ein anderes Objekt, während man alles, was erscheint, einfach sein lässt. Viele Übende denken, dass Sammlung durch Kontrolle entsteht, doch das Gegenteil ist der Fall. Sie entsteht durch das Akzeptieren und Loslassen. Das öffnet einen Zugang zu einer anderen Art von Lebendigkeit.

Je tiefer die Erfahrungen werden, desto mehr entstehen körperliche und geistige Gefühle, die sich sehr lebendig anfühlen, weil sie intensive Freude und Glück auslösen. Da heißt es zum Beispiel in der Mittleren Sammlung 60 im Pali-Kanon: „Abgeschieden von Sinnesvergnügen, von unheilsamen Geisteszuständen […] erfährt er die innere Beruhigung und Einheit des Geistes und verweilt darin mit intensivster Freude und Glückseligkeit.“

Diese Erfahrung von Leben ist jedoch auch vergänglich und daher nicht das letzte Ziel der Reise. Die weiterführende Achtsamkeit, die man dann vielleicht besser mit Bewusstheit bezeichnet, dient schließlich der Erkenntnis der Lebensprozesse. Nyanaponika sagt dazu: „Achtsamkeit hat eine Schlüsselstellung in der Struktur des menschlichen Geistes […] und hat eine entscheidende Rolle in der künftigen Entwicklung des menschlichen Bewusstseins.“

Der Geist ist sich seiner eigenen unbegrenzten Natur nicht bewusst.

Der anfangs erwähnte Überdruss ist dann keine Abkehr vom Leben, sondern ermutigt, das wahre Leben zu suchen. Dieses haben wir bereits alle in uns. Es ist lediglich von Trieben, Wünschen und Ablehnungen überdeckt. Der Geist ist sich seiner eigenen unbegrenzten Natur nicht bewusst. Nur die Achtsamkeit lässt erahnen, dass es jenseits des als lebendig empfundenen ständigen Werdens und Vergehens noch etwas anderes gibt.

Der Buddha nennt diese Dimension nicht Gott, er sagt nicht, dass sie einen Glauben erfordert. Er zeigt nur, dass es möglich ist, sie durch die Befreiung des eigenen gebundenen Geistes zu erfahren. Auf die Frage, wie man dahin kommt, gibt er einen ganz einfachen und praktischen Weg an. Dieser Weg führt über die achtsame Betrachtung des Körpers, der Gefühle, des eigenen Geistes und der geistigen Gesetze. Das ist die Übung, über die wir im Satipatthana lesen.


Dieser Artikel erschien in der Ursache\Wirkung №. 116: „Leben, lieben, lachen"

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Diese nicht entstandene und nicht vergehende Natur des Geistes könnte als ein Ziel verstanden werden, das vielleicht weiter entfernt ist als das Ende des Universums. Buddha zeigt jedoch, dass diese unabhängige, unübertreffliche Lebendigkeit bereits einfach in einem Moment der Betrachtung des Sonnenscheins auf einem regennassen Blatt erfahren werden kann. Bedacht werden sollte, dass es im Grunde natürlich und daher lebendig ist, wenn man nicht mehr an das eigene Wirken und die Erscheinungen der Welt gefesselt ist. Aus diesem Wissen werden die Handlungen nicht mehr von Sorge und Angst um einen selbst und um andere bestimmt sein, sondern von Mitgefühl und der Unterstützung für alle Wesen. Die Wirkung solch eines Handelns zu erfahren, ist eine der lebendigsten Freuden, die es im Leben gibt.

Die in einem bereits vorhandene Achtsamkeit ist der Schlüssel. Sie kann durch Training noch gestärkt werden. Ich hörte einen sterbenskranken Menschen sagen, dass er gerade durch dieses Wissen eine innere Freiheit spürt, die ihn jeden Morgen frohen Geistes aufstehen lässt. Denn es lohne sich, jeden Moment voll und ganz zu leben.

Dr. Paul Köppler ist Meditationslehrer und Leiter des Meditationszentrums Waldhaus am Laacher See in Rheinland-Pfalz. www.paul-koeppler.de 

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Dr. Paul Köppler

Dr. Paul Köppler

Dr. Paul Köppler, geboren 1946, hat Philosophie und Theaterwissenschaften studiert. Köppler ist Meditationslehrer und Leiter des Waldhauses am Laacher See. Sein letztes Buch ‚Buddhas ewige Gesetze‘ zeigt anschaulich, wie Buddhas Weisheit in unser Leben integriert werden kann. Mehr unter: ...
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