Immer wieder verbinden Zen-Mönche und Zen-Priester in Asien traditionelle Sutren-Rezitation mit Populärmusik. Ihre Performances werden auf YouTube millionenfach geklickt. Auch die Auftritte einer taiwanesischen Death Metal Band mit buddhistischer Nonne.
Die Bühne der taiwanesischen Death Metal Band „Dharma“ ist spärlich ausgeleuchtet. Matte Blau- und Rottöne dominieren. Eine buddhistische Nonne mit kahl geschorenem Kopf und ockergelbem Ordensgewand steht vor dem Mikro. Sie singt ein Sutra. Sutren sind traditionelle Lehrtexte aus dem Buddhismus sowie dem Hinduismus. Dann setzen die Gitarren und Drums in ohrenbetäubender Lautstärke im Metal Style ein. Der Bandname „Dharma“ ist Sanskrit und bedeutet: die Lehre des Buddha. Der Metal-Sänger schreit kaum verständlich. Auf ihren YouTube-Videos sind die rezitierten Silben eingeblendet. Was aussieht wie eine apokalyptische Hölleninszenierung, soll der Heilung dienen.
In den Metal-Inszenierungen auf der Bühne beschäftigt man sich schon lange „mit Religion und Spiritualität“, sagt die Religionswissenschaftlerin Anna-Katharina Höpflinger von der Ludwig-Maximilians-Universität München. Vor allem Symbole und Versatzstücke aus der christlichen Mythologie verarbeiten die Metaller weltweit. Es gebe auch Bands, die sich mit dem Buddhismus auseinandersetzen. Neu sei das Zusammenwirken von Laien und Ordinierten auf der Bühne. Mit dieser musikalischen Performance wird quasi eine neue Art des buddhistischen Rituals zelebriert.
Der Sänger der Band Dharma, Joe Henley, hat Unterweisungen bei einem buddhistischen Mönch genommen, um die Sutren richtig auszusprechen. Einige Songs mit Ritualtexten richten sich beispielsweise an den Buddha Amitabha. Der geleitet nach der Tradition die Verstorbenen in das transzendente „Reine Land“. Toten- und Ahnengedenkrituale führen im asiatischen Buddhismus sonst die Zen-Priester und Ordensleute durch. Am Ende einiger YouTube-Videos ist eine klassische buddhistische Formel eingeblendet, in der das Verdienst aus der Rezitation an die Verstorbenen übertragen wird.
Hier wird quasi eine neue Art des buddhistischen Rituals zelebriert.
„Die Band Dharma scheint sehr gut anzukommen, sie wird offenbar als authentisch wahrgenommen“, sagt Höpflinger. Das sei wichtig im Metal. Dazu gehören die Bühnenshow und das Corpspainting, die in der Metal-Subkultur verbreitete Bemalung der Gesichter, die an Leichen oder Dämonen erinnern soll. Normalerweise gehe es im Death Metal „um die Visualisierung des inneren Dämons“. Doch hier ist es anders. „Es geht um die Vertreibung des Bösen durch diese Inszenierung“, zitiert Höpflinger den Drummer Jack Tung.
Im Nachbarland Japan klicken viele auf YouTube die Performances des Zen-Priesters Kossan an. Der kahl geschorene, untersetzte Mann zeigt sich in seinem Priesterornat im dunklen Zen-Kimono. Vor Reispapierwänden in seinem kleinen Tempel singt er traditionelle Sutren, heilige Silben und Texte und bearbeitet dazu rituelle Trommeln und Klangschalen.
Die meisten Klicks erhalten aber seine rockigen Cover-Versionen. Auch dafür sitzt er im Priester-Outfit in Meditationshaltung vor dem Mikrofon. Dann ertönt die Melodie von Thunderstruck im Hintergrund, ein Titel der Hardrockband AC/DC aus den 1980er-Jahren. Kossan schlägt dazu den Takt mit der Ritual-Trommel und singt. Am Ende sitzt er noch minutenlang in Meditation. Dann legt er die Hände vor der Brust zusammen und verbeugt sich.
Kossans Rock-Performance sei „wie in ein Ritual eingebettet, und das polarisiert auch etwas“, erläutert der Religionswissenschaftler Tim Graf. Was aber „diese perfekte Einhaltung der Form in der Performance angeht, das fasziniert auch viele“. Tim Graf forscht in der Stadt Nagoya in Japan über die moderne buddhistische Zen-Bewegung und unterrichtet am Nanzan Institute for Religion and Culture. Für Westler passe es vielleicht nicht zusammen, diese Stille mit dem lauten Rock-Sound. Auf Japaner wirke das aber anders. In den traditionellen Soto-Zen-Klöstern etwa „gibt es Bitt-Rituale, die kommen in der Ausführung einem Rockkonzert sehr nahe“, fügt er hinzu. Da würden schon mal Dämonen in Form von Berggeistern beschworen, um ihre Kräfte hier im Diesseits zu nutzen, zum lauten Klang von riesigen Taico-Trommeln.
In Japan ist auch der Musiker und Zen-Mönch Yogetsu Akasaka mittlerweile auf YouTube ein Star. In seinen Performances verbindet er traditionelle Sutren mit akustischer Perkussion, die er auf seiner Beatbox wie auf einem Computer speichert und in Loops wiederholt. Darauf singt er zum Beispiel Rezitationen des traditionellen Herz-Sutra. Den Sound verwebt er zu einem vielstimmigen Klangteppich. Mal in ruhigem Trance-Tempo, mal als tanzbarer Clubhouse-Sound. Auch Akasaka beginnt seine Performances im dunklen Zen-Kimono. Formvollendet legt er die Hände vor der Brust mit der Mala zusammen und verneigt sich tief vor und nach der Performance. In seinen Videos erfüllt er am ehesten das visuelle Klischee eines Zen-Mönchs. Auf die äußere Form wird in Japan größten Wert gelegt, die korrekte Aussprache der Sutren, das Auftreten.
Dieser Artikel erschien in der Ursache\Wirkung №. 116: „Leben, lieben, lachen"
Tim Graf sieht in diesen Performances nicht etwa eine Verweltlichung der Religion, sondern „gelebten Buddhismus“. In Japan gibt es rund 200.000 Zen-Priester mit 75.000 Tempeln, die in Familienbesitz sind. Und die Zen-Priester gehen weltlichen Berufen nach. Sie müssen auch Geld verdienen. Die Klicks auf YouTube helfen nicht nur, den Buddhismus zu verbreiten, sondern spielen auch Geld für die Performer ein.
Dharma – mit Nonne am Anfang. |
Mechthild Klein ist freie Journalistin, unter anderem für den Deutschlandfunk, mit Schwerpunkt Weltreligionen. Im Studium der Vergleichenden Religionswissenschaft und Orientalischen Kunstgeschichte in Bonn hat sie sich auf Buddhismus und Hinduismus spezialisiert.
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