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Leben

Anne Albrecht, eine Softwaretesterin, kocht regelmäßig in einem Zendo und erzählt, wie Kochen zur meditativen Praxis werden kann.

Wie ist es dazu gekommen, dass Sie im Zendo kochen?

Unsere Sangha, der Akazienzendo, ist in Berlin. Unsere Sesshins finden allerdings in der Nähe von Berlin auf dem Land statt. Immer wieder wurden Leute zum Kochen gesucht. Ich koche gerne und so habe ich es einmal gemeinsam mit jemand anderem ausprobiert. Am Anfang war mir die Verantwortung allein zu groß, denn es gibt strenge Rahmenbedingungen.

Wonach muss man sich richten?

Gegessen wird aus drei Schalen, darauf müssen die Speisen abgestimmt sein. In die erste Schale kommt immer Brei: Reisbrei, Haferbrei oder etwa Quinoa. In die zweite kommt, je nach Mahlzeit, eine Suppe, ein Kompott oder Joghurt und in die dritte Schale Salat oder Nüsse. Am Abend gibt es statt drei nur zwei Schüsseln. Im ursprünglichen Buddhismus, dem Theravada, haben Mönche nach dem Höchststand der Sonne nichts mehr gegessen. Die Speisen am Abend werden daher „Medicine Bowl“ genannt. Es ist kein Essen, sondern eigentlich nur Medizin.

Und welche Medizin gibt es da?

Für die erste Schale wird aus den übrig gebliebenen Speisen etwas zusammengewürfelt. Wir versuchen, wertschätzend mit den Nahrungsmitteln umzugehen und nichts wegzuwerfen. In die zweite Schale kommt normalerweise geröstetes Gemüse.

Worauf achten Sie beim Kochen?

Für mich ist wichtig, dass es gut schmeckt, nicht zu scharf ist und auch schön aussieht. Bei der Menüplanung achte ich darauf, dass die Speisen kombinierbar sind. Auch die Reste für die „Medicine Bowl“ sollten gut zusammenpassen. Ich versuche auch, nicht drei weiße Gerichte gemeinsam zu kochen. Eine Rote-Bete-Suppe in der Mitte ist da etwa eine schöne Kombination. Jedoch sollte es diese nicht unbedingt schon am Anfang des Sesshin geben.

Warum?

Wir verwenden keine Spülmaschine für die Schalen. Sie werden nach dem Essen im Rahmen einer Zeremonie gesäubert und schlussendlich mit einem Tuch ausgewischt, in dem die Schalen auch verwahrt werden. Wenn man da am ersten Tag schon Rote Bete bekommt, gibt es gleich rote Flecken am Tuch. Aus Rücksichtnahme steht diese daher erst zum Schluss auf dem Speiseplan, damit sich die Leute nicht die ganze Zeit über die fast unvermeidlichen Flecken ärgern.

Kochen

Foto © Giuseppe Stafferini, Altar Anne Albrecht

Wie laufen die Mahlzeiten ab?

Gegessen wird im Zendo, dem Übungsraum. Jeder hat ein kleines Tischchen vor sich. Ich, als Köchin, betrete als Erstes den Raum, in dem die anderen schon auf ihren Plätzen sitzen, verbeuge mich vor dem Altar und stelle einen Teller mit drei Kostproben von unseren Speisen als kleines Opfer für Buddha hin und mache drei Niederwerfungen. Danach gehe ich zu meinem Platz, verneige mich zu meinem Platz, verneige mich zur Gruppe und sie verneigen sich zu mir. Dann werden die Schalen und das Besteck ausgepackt. Im Anschluss kommen die servierenden Personen hinein. Sie verteilen Gomasio, eine Mischung aus Salz und Sesam, in kleinen Schalen. Am ersten Tag ist es meine Aufgabe, den Sesam zu rösten, zu zerkleinern und mit dem Salz zu mischen.

Hat alles einen vorgegebenen Ablauf?

Ja, die Essensschalen werden ausgepackt. Jeder hat sein eigenes Bündel bestehend aus dem Tuch, drei Schalen in drei Größen und dem Besteck. Die Speisen werden von mehreren Personen serviert. Der ganze Ablauf ist sehr zeremoniell und wird Ōryōki genannt. Man muss immer schauen, wo sich die servierenden Personen mit den Speisen befinden. Wenn einer einem entgegenkommt, verneigt man sich gleichzeitig mit seinem Sitznachbar. So werden die Schalen eine nach der anderen befüllt. Nachdem sich alle nochmals verneigt haben, wird mit dem Essen begonnen.

Wird während des Essens gesprochen?

Wir schweigen. Mit Handbewegungen kann gezeigt werden, ob man mehr möchte oder genug hat. Wer Nachschlag will, gibt, wenn man Blickkontakt zu einer der servierenden Personen aufgenommen hat, ein Zeichen. Es ist wirklich schön anzuschauen. Es ist wie ein Tanz. Nach dem Essen wird heißes Wasser gebracht, um die Schalen zeremoniell zu reinigen. Jede Handbewegung ist festgelegt, man kann sich da wirklich ins kleinste Detail verlieren. In die erste Schale wird heißes Wasser gegossen. Es ist wichtig, darauf zu achten, nicht zu viel zu nehmen.

Warum?

Weil das Wasser von einer Schale in die nächste geleert wird und die kleinste kommt zum Schluss. Von der letzten kann man auch noch etwas trinken, wenn man möchte. Es ist so ein Spiel mit rein und unrein, so wie im Herz-Sutra. Zu guter Letzt wird das Wasser in einen Eimer gekippt und dieser wird dann im Garten für die hungrigen Geister ausgeleert. Die Schalen werden getrocknet, übereinandergestellt und ins Tuch gepackt. Am Ende kommt noch ein spezieller Knoten, der das Bündel zusammenhält.

Kochen

Kochen Sie nur oder nehmen Sie auch an der Meditation teil?

Morgens kann ich meist mitmeditieren. Aber mein Fokus liegt auf dem Kochen. Im Zen ist das Kochen eine besondere Praxis. Der Gründer von Soto Zen Dogen Zenji hat eine ganze Abhandlung mit Anweisungen für den Koch, „Tenzo Kyokun“, geschrieben. Die Arbeit des Tenzo oder der Tenzo wird sehr hoch geschätzt. Dogen beschreibt in den Anweisungen, dass der Koch drei geistige Gesinnungen haben sollte: einen großen Geist, der alles annimmt, was ihm begegnet, eine elterliche Gesinnung, die nährend und umsorgend ist, und als Drittes eine freudvolle Gesinnung.

Werden Sie diesen Anforderungen immer gerecht?

Als ich das erste Mal gekocht habe, war es sehr stressig. Mir fehlte die Routine und ich war froh, als das Essen gar war. Es muss ja zu einem bestimmten Zeitpunkt fertig sein, sonst kommt der gesamte Sesshin-Tag durcheinander. Da stellte ich mir die Frage, was für mich wichtig ist. Ich kam zum Entschluss: Ich will beim Kochen fröhlich sein und einen freudvollen Geist haben. Das Kochen an sich nährt mich und ist zum meditativen Prozess geworden.

Was braucht es, damit Kochen zur Meditation werden kann?

Um für eine Gruppe von etwa fünfzehn Personen zu kochen, benötige ich eine gute Organisation und Struktur, dann kann ich mich in den Flow hineinbegeben. Auf der anderen Seite ist aber auch viel Flexibilität nötig. Manchmal gibt es zum Beispiel eine gewünschte Zutat nicht oder ein Gemüse hält nicht so lange wie gedacht. Da muss ich schnell umstellen können. Ich will ja nicht an drei Tagen hintereinander Kartoffeln anbieten.

Haben Sie Unterstützung?

Während der Sesshin gibt es jeden Tag eine Stunde vormittags, wo alle arbeiten. „Samu“ wird dieses selbstlose Arbeiten genannt. Da werden etwa die Toiletten geputzt, Holz wird gehackt oder es wird in der Küche geholfen. In dieser Stunde müssen das Gemüse und die Nahrungsmittel für die kommenden drei Mahlzeiten vorbereitet werden. Bevor „Samu“ beginnt, schaue ich immer, dass das Gemüse gewaschen und samt Messer und Schneidebrett bereitsteht, damit die Stunde optimal genutzt werden kann. Am Ende sieht es toll aus, wenn alle Schüsseln mit Bergen von geschnittenem Gemüse voll sind. Allein wäre es gar nicht zu schaffen.


Dieser Artikel erschien in der Ursache\Wirkung №. 116: „Leben, lieben, lachen"

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 Was kommt auf keinen Fall in die Schalen?

In der Sangha kochen wir vegan, glutenfrei und nehmen auf alle Allergien der Teilnehmer Rücksicht. Ich habe mal gelesen, dass man Zwiebeln und Lauch wegen der Verdaulichkeit nicht verwenden sollte, aber wir verzichten nicht darauf.

Was nehmen Sie für sich im spirituellen Sinne vom Kochen im Zendo mit?

Das Gefühl, dass ich eigentlich nur die nötigen Bedingungen schaffen muss, und der Rest passiert von allein. Haferflocken etwa werden von selbst gar. Ich stelle den Topf mit den Haferflocken auf den Herd, gebe heißes Wasser dazu, den Deckel darauf und lasse ihn ruhen. Am Ende vielleicht nochmals rühren und der Haferbrei ist fertig. Das beste Essen entsteht, wenn man gar nicht so viel macht. Unser Lehrer sagt immer, im Sesshin gibt es Zeit, zur Ruhe zu kommen. So lasse ich den Topf in Ruhe und er macht alles selbst.

Kochen

BU: Der kleine provisorische Altar im Zendo, bei dem, bevor „Samu“ beginnt, ein kleines Ritual abgehalten wird. Der Altar besteht aus einer Figur, die Avalokiteshvara, den Bodhisattva des universellen Mitgefühls, darstellt. Ein Bild mit einer alten Frau mit Zuckerwatte, das eine freudvolle Gesinnung symbolisiert, und drei Stücke von abgebrochenen Kochlöffeln wurden zum Spaß dort platziert.

Marokkanische Linsensuppe

Das Gericht gibt es immer am ersten Abend, weil dafür keine großen Mengen an Gemüse vorbereitet werden müssen. Diese Suppe kommt in die zweite Schale. Die erste Schale beinhaltet meistens Hirse und die dritte einen grünen Salat mit gerösteten Sonnenblumenkernen. Die Mengen sind für fünfzehn Personen reichlich bemessen, damit es genügend Reste für die „Medicine Bowl“ für den kommenden Abend gibt. Der Geruch der Gewürze in Öl ist für mich immer der Auftakt eines Sesshins.


6 Knoblauchzehen
Olivenöl
5 TL Kreuzkümmel, gemahlen
2 1/2 TL Koriander, gemahlen
4–5 Liter Gemüsebrühe
1 Kilogramm rote Linsen
2 Päckchen passierte Dosentomaten
2 Bund Petersilie
Chilipulver nach Geschmack
Zitronensaft
Salz, Pfeffer

Knoblauch abziehen, würfeln, in Öl anschwitzen. Die Gewürze während der letzten dreißig Sekunden mitdünsten und dann passierte Tomaten und Brühe dazugeben, danach aufkochen. Die Linsen im Sieb waschen und in der Brühe fünfzehn bis zwanzig Minuten bissfest kochen.
Petersilie waschen, trocken schütteln, Stiele entfernen und grob hacken. Die heiße Suppe mit Zitronensaft, Salz und Pfeffer würzen. Petersilie zuletzt dazugeben.

 

Anne Albrecht ist Softwaretesterin, seit 2003 beschäftigt sie sich mit dem Buddhismus. Sie war 13 Jahre in einer Theravadasangha bis sie sich den Zen zuwandte.

 Bild Teaser & Header © Pixabay

Bild Altar © Anne Albrecht

Ester Platzer

Ester Platzer

Ester Platzer, 1979, lebt in Wien und ist Mitglied der Chefredaktion bei Ursache\Wirkung. Davor lebte und arbeitete sie viele Jahre in Ostafrika. Ester absolvierte ihr Magisterstudium in internationaler Entwicklung an der Universität Wien.
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