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Leben

Multitasking, dauernder Medienkonsum und ein Alltag im Staccato hinterlassen Spuren. Eine Stressexpertin, ein Meditationslehrer und eine Psychotherapeutin betrachten die guten und schlechten Seiten von Stress.

Gehört Stress zum Leben?

Veronika Engert: Auf jeden Fall. Wir brauchen Stress, inklusive der damit einhergehenden physiologischen Veränderungen in unserem Körper, um adäquat auf die Herausforderungen des alltäglichen Lebens reagieren zu können.

Paul Köppler: Alles gehört zum Leben, es gibt nichts Sinnloses. Wir brauchen Stress, denn ohne ihn könnten wir die meisten Aufgaben im Leben nicht meistern. Daher sollten wir nicht gegen Stress kämpfen, sondern ihn freundlich umarmen.

Anja Siepmann: Ja, wenn wir unter Stress verstehen, dass äußere und innere Stimuli uns so erregen, dass zumindest kurzfristig körperlich, emotional und geistig Kampf-, Flucht- oder Erstarrungsreaktionen auftreten.

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Was ist guter Stress?

Engert: Stress, der uns befähigt, auf akute Gefahren zu reagieren, zu „fliehen“ oder zu „kämpfen“, und der stimuliert, das Beste zu geben. Also: Guter Stress ist der, den wir meistern und durch den wir wachsen können.

Köppler: Wenn eine Herausforderung aufhört, sollte auch der Stress schwinden. Wenn wir uns ständig unter Druck gesetzt fühlen, wird Stress ein Dauerzustand – und das ist ungesund. Man sollte auf seinen Körper achten, ehe er krank wird.

Siepmann: Ein Muntermacher. Er macht uns auf innere oder äußere Unstimmigkeiten aufmerksam und setzt Energie frei. Er versetzt uns körperlich, emotional und geistig in die Lage, notwendige Veränderungen einzuleiten.


Wann ist Stress toxisch?

Engert: Stress ist dann toxisch, wenn er zu stark ist, wir ihn also nicht mehr meistern können. Auch Stress, der zu lange andauert, tut nicht gut. Denn er erschöpft Energiereserven und schwächt die Immunaktivität.

Köppler: Es ist bekannt, dass es positiven Stress gibt. Dieser stellt in bestimmten Situationen die richtige Energie zur Verfügung. Er macht lebendig, wach, vorsichtig, aber auch reaktionsschnell und ermöglicht intuitives Handeln.

Siepmann: Giftig ist, was unsere geistige, körperliche und emotionale Unversehrtheit angreift und dass uns plötzlich oder schleichend die Lebenskräfte und Selbstwirksamkeit abhanden kommen. Man sollte die Sprache seines Körpers und Herzens verstehen lernen.

Haben Sie ein Rezept gegen Überlastung?

Engert: Es gibt kein allgemeingültiges Rezept. Für diejenigen, die gerne meditieren, ist die „Liebende Güte“-Meditation wirksam, um eine akute, emotionale und physiologische Stressantwort zu reduzieren.

Köppler: Belastung bewusst machen, denn man sieht sie einfach oft nicht. Sich erlauben, Fehler zu machen. Unvollkommen sein. Auch das Ändern äußerer Bedingungen, wie etwa ein Berufswechsel, kann entlasten. Entspannt meditieren, Vergänglichkeit verstehen.

Siepmann: Entlastung herbeiführen kann für jeden etwas anderes bedeuten. Die einen brauchen Abgeschiedenheit in der Natur, die anderen Kontakt zu Menschen. Manche müssen Verantwortung abgeben, andere brauchen eine sinnvolle Aufgabe.


Dieser Artikel erschien in der Ursache\Wirkung №. 114: „Balance finden"

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Wie kann man das Beste aus Stress machen?

Engert: Indem man versucht, ihn als Chance für das eigene Wachstum zu erleben. Das kann aber natürlich nur bedingt geschehen; ist man zu großen und zu vielen Belastungen ausgesetzt, muss man lernen, sie zu reduzieren.

Köppler: Ihn nicht als Belastung sehen, sondern als eine freiwillige Übung. Herausfinden, was man daraus für sich lernen kann und wie das geht. Auch hilfreich: sich über kleine Erfolge freuen und täglich sagen: „Ich schaffe das.“

Siepmann: Wichtig ist das eigene Maß, den eigenen Rhythmus, die eigenen Kräfte zu kennen und zu achten. Eine Leistung, der wir selbst zum Opfer fallen, ist ein Sakrileg, also ein Vergehen an sich selbst und damit nicht dienlich.

Prof. Dr. Veronika Engert ist Professorin für Soziale Neurowissenschaft am Universitätsklinikum Jena und leitet die Forschungsgruppe für Sozialen Stress und Familiengesundheit am Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig.
 
Dr. Paul Köppler ist Meditationslehrer und Leiter des Meditationszentrums Waldhaus am Laacher See in Rheinland-Pfalz. www.paul-koeppler.de
 
Anja Siepmann ist Coach und Heilpraktikerin für Psychotherapie in Köln. Sie ist spezialisiert auf Stressbewältigung durch achtsamkeitsbasierte Ansätze in Unternehmen. www.anjasiepmann.de
 
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Redaktion Ursache\Wirkung

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Hier finden Sie Beiträge, die das Ergebniss einer gemeinsamen Arbeit sind. Die Redaktion von Ursache\Wirkung hat hier zusammengearbeitet und diese Texte gemeinsam realisiert. 
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