Was Psychotherapie und Buddhismus verbindet – die Geschichte über einen unspektakulären Weg.
Wir leben in einer neoliberalen Gesellschaft, in der Selbstoptimierung im Vordergrund steht. Das Motto lautet: „Immer höher, schneller, weiter und besser!“ Daraus kann sich ein Hamsterrad entwickeln. Kein Wunder, dass in der modernen und konsumorientierten Gesellschaft psychische Krankheiten wie Depressionen, Angsterkrankungen und Süchte zunehmen. Auch gesunde Menschen stellen sich die Frage, wie sie angesichts der vielen Herausforderungen im Berufs- und Privatleben die innere Balance finden und halten können. Eine Hilfe kann hier die buddhistische Lehre vom mittleren Weg sein. Damit ist gemeint, dass radikale Einstellungen und Lebensweisen, wie beispielsweise extreme Ausschweifungen oder strenge Askese, vermieden werden sollen. Diese Haltung passt gut zur Psychotherapie. Denn auch in der Psychotherapie geht es oft darum, die eigene Mitte und den eigenen Weg zu finden.
Manchmal suchen Menschen dauerhaftes Glück. Doch dabei handelt es sich um eine utopische Vorstellung, die nicht erreicht werden kann. Denn Krankheiten, Schicksalsschläge und Krisen gehören zum Leben dazu. Die Kunst besteht darin, im Umgang mit den Höhe- und Tiefpunkten im Leben die eigene Balance zu halten. Gerade in harten Zeiten kann das innere Gleichgewicht aus dem Lot geraten. Eine Psychotherapie kann helfen, dass Menschen nicht in den Tiefen einer Krise stecken bleiben, sondern wieder aufstehen und nach vorne blicken können.
Der Weg dorthin kann oft ganz unspektakulär aussehen, wie folgende Geschichte zeigt: Eine Dame, sie war Mitte fünfzig, kam mit einer Erschöpfungsdepression in die Psychotherapie. Sie arbeitete seit Jahrzehnten in einem Supermarkt und übte in diesem Rahmen viele Routinetätigkeiten aus. In der Psychotherapie lernte sie Achtsamkeitsübungen, um besser damit umgehen zu können.
Doch nach einem Jahr kam sie wieder in die Therapie, weil die Entspannungstechniken nicht mehr weiterhalfen. Sie befand sich in einer inneren Sackgasse. Viele Bekannte rieten ihr, den Job aufzugeben. Doch das war ihr zu extrem. Die Vorstellung, längere Zeit arbeitslos zu sein, verursachten große Ängste. Es war unklar, ob sie in der Umgebung eine andere Tätigkeit finden würde. Das Arbeitsamt verweigerte eine Umschulung, weil sie zu alt war. Die Dame fürchtete, dass sie ohne Beschäftigung noch depressiver werden könnte. Sie war geschieden. Ihre Kinder lebten nicht mehr bei ihr. Auch wenn die Arbeit mühsam war, gab sie ihr das Gefühl, gebraucht zu werden.
Dieser Artikel erschien in der Ursache\Wirkung №. 114: „Balance finden"
In der Psychotherapie konnte sie einen Weg der Mitte finden. Die Dame reduzierte die Arbeitszeit. Gleichzeitig ging es in der Therapie darum, ihr verloren gegangenes kreatives Potenzial ausfindig zu machen. Mit der Kreativität kam die Lebensfreude zurück. Sie entdeckte ihre Liebe zur Malerei und zum Gesang. Sie engagierte sich in ihrer Freizeit in einem Chor und besuchte Malkurse. Das war für sie ein guter Mittelweg, um mit der Arbeit besser zurechtzukommen.