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Leben

Fernsehen, Musik und Internet nehmen den Geist der Menschen in Beschlag – eine Warnung für einen sorgsameren Umgang mit Information.

Es gibt viele Arten, sich um sich selbst zu kümmern. Gesunde und ethisch nachhaltige Ernährung sowie ein ausgewogenes Training sind gut für den Körper, aber wer kümmert sich in ähnlich bewusster Art und Weise um den Geist? Viele wollen ihren Geist beherrschen, den umherspringenden Affengeist zähmen. Meditation oder Übungen in Achtsamkeit sind für viele eine Möglichkeit, doch Willenskraft und Übung alleine reichen bei Weitem nicht aus. Denn Geist ist ein Produkt dessen, womit er gefüttert wird. Es ist wichtig zu wissen, was ihn nährt und beschützt.

Als ich eine junge Journalistin war, arbeitete ich für den englischen Nachrichtensender BBC. Dort erklärte eines Tages der Mönch Thich Nhat Hanh, dass Zeitungen, Zeitschriften, das Fernsehen, das Internet, das Kino und sogar Gespräche allesamt Formen von Konsum sind. Ich hatte noch nie auf diese Weise darüber nachgedacht, all diese Medien schienen mir stets kurzlebig und beliebig. Aus meiner damaligen Sicht entscheiden ja die Hörer, Leser und Zuschauer darüber, welche Arten von Information sie sich zuführen.

Thich Nhat Hanh änderte meine Sicht der Dinge. „Wenn wir fernsehen und Filme ansehen, konsumieren wir. Wenn wir im Internet surfen, konsumieren wir. Wenn wir Musik hören oder eine Unterhaltung führen, konsumieren wir“, dröhnte es aus einem Lautsprecher, „die Information, die wir jeden Tag aufnehmen, kann sehr toxisch sein. Oft beinhaltet sie Gewalt, Verlangen, Angst, Wut und Verzweiflung.“

Für mich war das ein Schock. Plötzlich bemerkte ich, dass Websites im Internet, Radiosendungen, Filme, Musik und sogar Gespräche mit engen Freunden gar nicht so kurzlebig waren, wie ich immer dachte. Vielleicht beeinflussten sie mich weit mehr, als ich glaubte.

Mir wurde bewusst, wie sehr das zutraf: Bilder, Töne, Ideen und Gefühle können bleiben, wenn man sie erst einmal in sich aufgenommen hat. Es gibt verstörende Szenen aus Filmen, die ich in meiner Teenagerzeit gesehen hatte, und an die ich auch jetzt noch, zwanzig Jahre später, dachte. Es gibt Gespräche, die lange vorbei sind, aber trotzdem ein unangenehmes Gefühl bei mir hinterlassen haben.

Wenn ich achtsam und ehrlich zu mir bin, erkenne ich auch, wie sehr die täglichen Nachrichten tief in meinem Bewusstsein Angst, Verzweiflung, Wut, Hass oder Hilflosigkeit säen können. Auch ein Film kann eine grundlegende Wut oder Aggression nähren. Mit Musik verhält es sich genauso: Wenn aus dem Lautsprecher im Supermarkt ein Gitarrenriff erklingt, kann das bei mir Trauer, Verlangen oder Nostalgie auslösen – oder ebenso problemlos Freude oder Entzücken. Ich erinnere mich an eine Praktizierende, die beim wöchentlichen Einkauf Ohrenstöpsel trug, um die Musik nicht hören zu müssen. „Es ist mein Geist! Ich will entscheiden, was ich hineinlasse“, sagte sie.

Selbst zu entscheiden, was man in seinen Geist aufnimmt oder was nicht, ist eine Form von Selbstbestimmtheit. Wie viele Menschen schaffen es, sich diese Freiheit zu erlauben? Die Frage ist doch, ob man denn überhaupt bei einer TV-Show oder bei der Lektüre eines Zeitungsartikels hängenbleiben will. In der Nachrichtenredaktion werden die Mitarbeiter darin geschult, Nachrichten so zu präsentieren, dass sie die Aufmerksamkeit der Zuschauer in Beschlag nimmt.

Es könnte nämlich sein, dass man deshalb nicht aufhören will, fernzusehen oder Zeitung zu lesen, weil man sich dem eigenen Inneren nicht stellen will – und all dem, was da auftauchen könnte und vor dem man vielleicht sogar Angst hat.

„Wir haben mehr als genug Informationen“, sagt Thich Nhat Hanh, „aber haben wir auch die richtige Art von Informationen?“ Wie viele Stunden am Tag werden damit verbracht, Input von außen aufzunehmen? Was lässt man da in sein Bewusstsein? Sind es Gewalt, Angst, Hass, Verlangen und Verzweiflung, die die Negativität nähren? Oder etwas, das positive Samen sät und Wachstum fördert?

Geist

Man sollte stets ehrlich zu sich selbst sein und auf sein Herz hören. Die entscheidenden Fragen beim Konsum von Information sind doch: Wie fühle ich mich jetzt? Welches Bedürfnis wird wirklich gestillt? Und das nicht nur danach, sondern auch währenddessen. Denn jeder sollte sich auch des Leids bewusst sein, das durch unachtsamen Konsum verursacht wird. Thich Nhat Hanh lehrt eine Strategie zum Umgang mit dem, was man konsumiert. Er empfiehlt, darüber zu sprechen, einen Plan zu machen – für sich selbst, für sich und den Lebenspartner beziehungsweise die Lebenspartnerin und für die Familie. Das klärt die Frage, welche Anzahl an Medien genug ist, und welche Art Informationskonsum es sein sollte.

Kürzlich habe ich selbst mit einer App meinen täglichen Nachrichtenkonsum von zehn Minuten pro Tag auf fünf reduziert. Das ist vollkommen ausreichend. Es ist eine Sache, gut informiert zu sein, eine andere, davon überwältigt zu werden. Manchmal ist man so vollgestopft mit Informationen, dass man dann die kleinen Wunder des Alltags übersieht: die Anwesenheit seiner Lieben um den Tisch zum Beispiel oder das Geräusch des Windes in den Bäumen. Man übersieht die Wolken, die über den Himmel ziehen oder überhört das Vogelgezwitscher am frühen Morgen. „Wenn Sie frühstücken, essen Sie Ihr Frühstück oder essen Sie Ihre Projekte oder die Nachrichten im Radio?“, würde Thich Nhat Hanh fragen.

Dass es in der gegenwärtigen Gesellschaft so viel Gewalt gibt, sagt er, liegt auch an der Masse an Gewalt, die jeden Tag konsumiert wird. Gewalt ist derzeit in allem, was gesehen, gehört und gelesen wird. Sie verschmutzt das Mitgefühl und den Frieden.


Dieser Artikel erschien in der Ursache\Wirkung №. 114: „Balance finden"

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Auch die Werbung auf allen medialen Kanälen soll stets nur das Verlangen nach etwas auslösen. Das Ziel ist es, jemanden davon zu überzeugen, dass Glück nur mit diesem oder jenem Produkt zu erreichen ist. Es gibt viele Forschungsberichte darüber, wie man die Aufmerksamkeit der Menschen gewinnt, oder wie man sie stiehlt, könnte man auch sagen. Selbst durch eine Stadt zu fahren ist nicht mehr ohne Konsum möglich – Werbung und ihre Botschaften sind überall.

„Ist es richtig“, fragt Thich Nhat Hanh, „dass Menschen reich werden, indem sie Produkte produzieren, die für uns und unsere Kinder giftig sind? Sie können uns nicht im Namen der Freiheit mit ihren Produkten, Filmen, Magazinen, Büchern und Computerspielen vergiften.“
Oft ist von Pressefreiheit die Rede, aber was ist eigentlich mit der Freiheit der Medienkonsumenten? Alle, die einen gesunden und mitfühlenden Geist pflegen wollen, müssen diese Freiheit einfordern und in Anspruch nehmen.

 

Sister True Dedication ist eine buddhistische Nonne und lebt im Thich Nhat Hanhs Plum Village in Frankreich.

Dieser Artikel ist erstmalig in „Lion’s Roar“ www.lionsroar.com erschienen. Mit freundlicher Abdruckgenehmigung von Lion’s Roar. Übersetzung Ester Platzer.

Bilder © Unsplash

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