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Leben

Was ist Konzentration? Wie erlernt man sie? Und wieso? Ein ehemaliger Schuldirektor, eine Konzentrationstrainerin und ein Buddhist geben Auskunft.

Warum fällt Konzentration manchmal so schwer?

Andrea Solms: Weil wir so viele Dinge ‚um die Ohren haben‘, weil wir vieles gleichzeitig tun wollen und das Smartphone ständig läutet. Konzentration bedeutet, die Gedanken zu bündeln und auf eine Sache zu richten. Das beinhaltet gleichzeitig die Entscheidung, vieles andere auszublenden.

Walter Mindler: Weil es viele Störfaktoren optischer, akustischer und emotionaler Natur gibt. Konzentration wird einem aber auch als Kind oft ausgetrieben. „Kannst du nicht hören, wenn man mit dir redet?“ ist ein Satz, der in ein Spiel vertiefte Kinder aus dem Reich der Fantasie oder aus Tagträumen reißt.

Peter Riedl: Eigentlich ist es ja gar nicht schwer. Die meisten haben das nur nicht geübt. Manche haben Angst vor den eigenen Abgründen, Begierden, Ängsten und Leidenschaften und lenken sich lieber ab. Konsum ist die klassische Methode, sich vom Wesentlichen abzulenken.

 
Warum ist Konzentration eigentlich wichtig?

Solms: Weil sich Dinge mit Konzentration einfach schneller, besser und effizienter erledigen lassen. Man hat weniger Stress, wenn man nicht ständig zwischen Gedanken oder auch Tätigkeiten hin- und herspringt. Konzentration bringt Ruhe ins Leben. Auch Lernen funktioniert am besten im Zustand der Konzentration.

Mindler: Weil es sonst weder emotionale noch intellektuelle Hinwendung geben kann und sich Ziele oder Wünsche im Nebel der Beliebigkeit auflösen. Ohne Konzentration kommt es zu einer Überflutung, in der man sich aufreibt oder der man sich durch (auch scheinbare) Gleichgültigkeit entzieht.

Riedl: Ohne Konzentration geht gar nichts. Es gäbe keinen Erfolg im Beruf und auch sonst kein geglücktes Leben. Wer arbeitet, muss sich konzentrieren und auch jede andere Tätigkeit im Leben benötigt Konzentration.


Macht Konzentration also glücklich?

Solms: Wenn es gelingt, die Konzentration zu erhöhen, hat man mehr Ruhe, weniger Stress, mehr Gesundheit, Zufriedenheit und Wohlbefinden. Auch kann konzentriertes Arbeiten in einen Zustand des ‚Flow‘ führen. Wenn ich auch die Natur bewusst und intensiv ohne Störungen und Ablenkungen wahrnehme, macht das aus meiner Sicht glücklich.

Mindler: Nicht per se. Glück scheint mir erfahrbar durch Momente eines geglückten Lebens, das kann das Erreichen von Zielen, die Verwirklichung von Wünschen und Hoffnungen oder das Bewältigen von Krisen sein. Ohne die Fähigkeit zur Konzentration ist nichts davon möglich.

Riedl: Ja, durch Konzentration kann die erste meditative Versenkung, ‚piti‘, entstehen. Es bedeutet Verzückung oder Interesse. Das kann mit außergewöhnlichen Wahrnehmungen verbunden sein. Es ist ein Zustand, in dem man ganz in einer Tätigkeit aufgeht und das liebt, was man gerade im Augenblick tut.

Fokus

 

Wie kann man Konzentration lernen?

Solms: Ein störungsfreies Arbeitsumfeld ist wichtig. Genaues Zuhören im direkten Kontakt oder am Telefon ebenso. Wann immer es möglich ist, sollte man eine Sache nach der anderen machen, nicht mehreres gleichzeitig. Konzentration ist leichter in entspanntem Zustand zu erreichen. Progressive Muskelrelaxation oder Autogenes Training können dazu beitragen.

Mindler: Durch Hinwendung. Durch Verlangsamung. Durch bewusste Entscheidung für etwas und den Verzicht auf die verworfenen Möglichkeiten. Konzentration ist eine Selektion der Aufmerksamkeit. Förderlich ist, wenn der Gegenstand von Konzentration mit Freude, Lust oder einem erkennbaren Sinn verbunden ist.

Riedl: Durch Übung. Viele Meditationsformen wurden genau dafür entwickelt, etwa Vipassana oder die Einsichtsmeditation des Buddha. Man lenkt die Aufmerksamkeit auf den Atem. Wenn Ablenkungen auftauchen wie Gedanken, Widerstände, Emotionen, nimmt man sie zur Kenntnis, kehrt aber zum Atem zurück. Immer wieder.

 

Gute Tipps für mehr Konzentration?

Solms: Konzentrationshindernisse wie Lärm, Störungen durch Kollegen, Telefon, aber auch Zeitdruck oder biologische Faktoren wie Hunger und Durst oder Schlafmangel so gut es geht vermeiden. Auch zu wenige Pausen oder Unordnung am Arbeitsplatz beeinträchtigen das Konzentrationsvermögen.

Mindler: Der Gegenstand der Konzentration sollte optimalerweise mit Freude oder Lust verbunden sein, denn dann wird Konzentration leichter erlebbar. Auch die Aussicht auf die erfolgreiche Bewältigung einer Aufgabe durch Konzentration ist förderlich, weil damit ein Lustgewinn verbunden ist.

Riedl: Man lenkt das Bewusstsein auf einen Gegenstand. Dafür gibt es verschiedene Stufen: Unkonzentration, Konzentration, die ‚vorbereitende‘, die ‚angrenzende‘ und die ‚volle‘ Sammlung. Um unkonzentriert zu sein, muss man gar nichts tun. Um die anderen Stufen muss man sich bemühen. Das Ziel: Man tut gar nichts. Nur anders. 


Dieser Artikel erschien in der Ursache\Wirkung №. 106: „Handbuch Achtsamkeit"

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Andrea Solms, studierte Philosophie, Psychologie und Politikwissenschaften und ist als Trainerin für Stressmanagement, Achtsamkeit, Entspannungsmethoden, Resilienz, sowie Zeit-und Selbstmanagement tätig.

Walter Mindler, geboren 1946, war Volksschullehrer, langjähriger Leiter einer Theatergruppe und Direktor einer Volksschule auf dem Land. Er ist freier Psychotherapeut.

Peter Riedl, geboren 1943, ist Radiologe, Meditationslehrer und Autor. Er entdeckte 1986 den Buddhismus für sich und wurde 1989 Vorstand der Buddhistischen Gemeinde. 


Bild Teaser & Header © Unsplash

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