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Leben

Es passiert beim Autofahren, unter der Dusche oder beim Warten an der Kasse – überall kann es uns treffen. Mich erreichte es kürzlich völlig unvorbereitet bei einem Spaziergang mit Freunden.

Ein Nebensatz, ein beiläufiger Gedanke, von meinem Begleiter leicht hingeworfen wie ein Ball für einen spielenden Hund, und bei mir schlug der Blitz ein. Die Worte, der Gedanke tauchten in den folgenden Stunden immer wieder auf, wirkten noch lange nach, weil ich selbst die Wucht der Einsicht erst einmal verdauen musste. Welch ein Geschenk!
In der Meditation heißen solche AhaErfahrungen ‚Einsicht‘. Die Vipassana-Meditation – vi = hinein, passana = sehen – wird auch Einsichtsmeditation genannt. Der Geist kommt durch die methodische Achtsamkeitsübung zur Ruhe. Er sammelt sich und kann dadurch tiefer in sich selbst hineinschauen. Von Zeit zu Zeit verdichtet sich dann dieses Hineinschauen zu blitzartigen Erkenntnissen. Uns geht ein Licht auf.
Ich vergleiche diesen Prozess gerne mit einem großen Puzzle. Wir legen all die vielen kleinen, zunächst unüberschaubar wirkenden Steinchen vor uns aus. Diese Puzzlesteine entsprechen den genauen Sinneswahrnehmungen, die wir in der Meditation geduldig bewusst registrieren, ohne eine bestimmte Absicht damit zu verbinden. Wir stellen einfach nur achtsamen inneren Raum zur Verfügung. Und dann macht es plötzlich und unvermittelt ‚klick‘. Eine Figur tritt aus den vor uns liegenden Steinchen hervor, eine Einsicht ist da.
Einsichten haben ganz unterschiedliche Formate. Sie können fern und fein wie Sternschnuppen sein. Manchmal werden sie in der Meditation gar nicht bewusst wahrgenommen. Ich muss dann als Lehrerin im nachfolgenden Gespräch sagen: „Schau mal, das war jetzt aber eine echte Einsicht.“ Dann wieder gibt es Einsichten, die wie kathartische Entladungen wirken und uns atemlos staunend zurücklassen. Wir können es kaum fassen und möchten jedem davon berichten. Das sind Mini-Erleuchtungen, die unseren Lebensweg verändern können. Wir empfinden sie als wahre Belohnung für den oft mühsamen Meditationsprozess.

Das Aha-Erlebnis

Was Einsichten so kostbar macht, ist die Tatsache, dass wir sie nicht planen und nicht herstellen können. Sie werden uns geschenkt. Jede Einsicht ist ein Segensstrahl von einem Licht, dessen Quelle wir nicht kennen. Wir können uns nur still und empfangsbereit machen, indem wir kontinuierlich achtsam in uns hineinhorchen.
Besonders beglückend ist ein Aha-Erlebnis im Alltag, wenn die Welt für den Bruchteil einer Sekunde stillsteht, weil alles plötzlich an einem Punkt zusammentrifft. Jeden Tag hätte ich gerne solch einen Moment von spontaner Einsicht, der mich wie ein Blitz bis ins Innerste trifft und aufrüttelt. Aber schon das leiseste Verlangen danach verhindert das Auftauchen dieser Glücksmomente. Auch das lehrt die Meditation. Habenwollen, Verlangen ist ein Hindernis. Die Einsicht ist ein Kind des Loslassens. Wir halten uns empfangsbereit, indem wir uns wach und offen an jedem Augenblick erfreuen.


Dieser Artikel erschien in der Ursache\Wirkung №. 103: „Buddha und die Arbeit"

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Marie Mannschatz hat mehr als zwei Jahrzehnte in freier Praxis als Gestalt- und Körpertherapeutin gearbeitet. Sie praktiziert Vipassana-Meditation seit 1978 und wurde in den neunziger Jahren von Jack Kornfield zur Lehrerin ausgebildet.Marie Mannschatz lebt in Schleswig-Holstein und lehrt in Europa und USA.

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Marie Mannschatz

Marie Mannschatz

Marie Mannschatz hat mehr als zwei Jahrzehnte in freier Praxis als Gestalt- und Körpertherapeutin gearbeitet. Sie praktiziert Vipassana-Meditation seit 1978 und wurde in den neunziger Jahren von Jack Kornfield zur Lehrerin ausgebildet.Marie Mannschatz lebt in Schleswig-Holstein und lehrt in Europa ...
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