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Leben

Ein Erfahrungsbericht von einem Frauenwochenende, an denen Frauen den Kontakt zu ihrem Frausein, ihrer Lust und ihren sexuellen Bedürfnissen vertiefen möchten.

Eine Teilnehmerin unserer Frauenrunde ist verhindert, deshalb gehe ich als Gruppenleiterin mit in den Austausch. Ich weiß noch nicht, dass ich im Laufe des Wochenendes eine auch für mich völlig neue Erfahrung machen darf. Wir befinden uns am vierten von sechs Wochenenden, an denen Frauen den Kontakt zu ihrem Frausein, ihrer Lust und ihren sexuellen Bedürfnissen vertiefen möchten. 

Nein, wir tragen keine Wollsocken, verbrennen keine BHs und drehen uns auch keine lila gefärbten Windeln um den Hals. Wir sind moderne Frauen, die Männer wertschätzen und lieben, die Lust auf ihr Frausein haben, egal, ob in einer Liebesbeziehung zu einem Mann oder zu einer Frau. Wir bekommen in der Gemeinschaft ein Gefühl dafür, was es braucht und bedeuten kann, ein schönes Frauenleben zu leben und eine erfüllende Sexualität zu kreieren. Mit dieser Kraft begegnen wir auch auf eine neue und selbstbewusstere Weise unseren Männern oder Frauen und wollen dazu beitragen, dass Wahrhaftigkeit und Schönheit in unsere Beziehungen und in unseren Sex einkehren.
Am zweiten Abend des Seminars ‚erfinde‘ ich eine Partnerinnen-Übung. Zunächst erwecken wir den gesamten Körper, indem wir ihn massieren und berühren, uns liebevoll den Brüsten zuwenden und die äußeren Genitalien meditativ gleichmäßig streicheln. Dann betreten wir in der Stille die Yoni (tantrischer Begriff für die weiblichen Genitalien).

Yoni

Ich darf Sabine in ihrem heiligen Raum berühren, darf in dem Raum vor der Gebärmutter mit meinem Finger ruhen und still in sie hineinlauschen. Das ist die Aufgabe. Für mich ist es ein unglaublich tiefes Erleben. Es ist ein Gottesdienst, eine heilige Erfahrung. Es berührt mich, wie ihre Yoni beginnt, mit mir zu kommunizieren, in Yoni-Sprache, aus der Stille heraus, aus dem Ruhen in ihr. Zuerst ist die Yoni für kurze Zeit fest, hart und kontrollierend. Dann vertraut sie immer mehr in mein absichtsloses Lauschen, entspannt sich, wird neugierig, fasst mehr und mehr Vertrauen. Sie beginnt ganz aus sich heraus meinen Finger zu liebkosen, zart tupfend. Sie zieht sich kurz zurück, nur um wieder neugierig hervorzukommen und nach mir zu tasten. Sabine meldet mir zurück, dass es sich in ihr anfühlt, als wäre dort ein kleiner Specht im Frühling, der leicht vibrierend tupft. Sie spürt eine tiefe Verbindung zu ihrem Herzen. Einmal wähnt sie sich in einem großen Raum, ein andermal ist es dunkel und eng, auch schmerzhaft, dann wieder ist es weit und hell und lustvoll in ihr.

Ich halte still und nehme Kontakt auf, liebkose ihre Klitoris ab und zu ganz zart, liebevoll, absichtslos, achtsam. So kommt der Gebärmuttermund mehr und mehr, freudig und innig auf meinen Finger zu. Die Yoni wechselt von ewiger, unendlicher Weite zu festem und umhüllendem, annehmendem Halten. Ich spüre, wie es sein würde, wenn mein Finger ein ganz achtsamer, feinsinniger, sensibler und lustbereiter Lingam (Sanskrit-Begriff für das männliche Geschlechtsteil) wäre. Ich kann die Wonne, die das bedeuten würde, förmlich in mir spüren, wenn er in seiner Sprache mit ihr in herzverbundenen Kontakt tritt. Meine eigene Yoni ist dabei so freudig, lebendig lustvoll, feucht und fühlend. Sabine leuchtet wunderschön nach dieser Erfahrung.

Der Rhythmus kommt wie von allein, wenn wir aufhören zu machen, was wir immer wieder denken, machen zu müssen.

Am Morgen danach berührt Sabine mich so liebevoll, treu und freudig. Mir ist wichtig, das zu spüren, zu wissen, dass alles sein darf, dass sie mich gerne begleitet, dass ich willkommen bin, ohne dass sie irgendetwas von mir erwartet, etwas verlangt oder bewertet. Sie legt ihren Finger einfach still in mich hinein. Es gibt erst einen Moment des unwillkürlichen Erschreckens und der Angst, eines Widerstandes, für den ich mein Bewusstsein weit mache. Er zerfließt in meinem Annehmen. Es gibt ganz viel Ruhen, und mein Inneres entspannt sich sehr schnell in unser beider absichtslosen Achtsamkeit. Wenn überhaupt, macht Sabine nur ganz zarte, kleinste Bewegungen. Sie berührt ab und an ganz zart liebkosend meine Klitoris. In mir ist nur ein Finger, es ist still.
Ich staune, was durch diese Situation in mir entsteht. Meine Yoni umhüllt den Finger, umfängt ihn, saugt ihn ein und spielt mit ihm. Sie zieht ihn dahin, wohin sie ihn haben will. Sie macht alles ganz allein. Ein einziger kleiner Finger, verbunden mit einem liebevollen, zugewandten Herzen. Meine Yoni und mein Herz, mein ganzes Sein, lassen sich ganz tief darauf ein. Ich sinke unter eine glatte Wasseroberfläche, die Konturen meines Körpers lösen sich auf. Süße steigt in mir auf, das Paradies dehnt sich aus, meine Yoni ist das Zentrum dieser Glückseligkeit, dieses Friedens, dieser Wonne, dieses Zu-Hause-Seins. Ich habe tiefste Orgasmuswellen, die sich ausbreiten und zusammenziehen in die Unendlichkeit und auf einen Nadelspitzenpunkt. Ich verliere Raum und Zeit in dieser totalen Stille, in der alle Geräusche vereint sind. Ekstase, tiefe Lustgeräusche bahnen sich ihren Weg.

Als sich Sabine aus Zeitgründen zurückziehen muss, kehre ich von einer sehr weiten, zeitlosen und glückseligen Reise zurück. Mir erscheint ein blau schimmerndes Licht, das mir oft in meinen Massagen, in meiner Arbeit, in meinem Leben erscheint und das ich mit einer urmütterlichen Marien-Energie verbinde. Diese Energie spricht zu mir und tröstet mich, weil ich unwillkürlich schluchze – vor Glück über dieses Erleben und aus Trauer, dass ich zurückkehren muss. Etwas in mir will auf dieser Reise bleiben, die sich wie ein Zuhause anfühlt, will nicht allein, nicht in der Fremde sein, will nicht zurück in die Einsamkeit. Diese blaue Energie flüstert mir zu, dass sie immer da ist, dass ich immer da bin, dass ich immer zurückkehre, dass ich Liebe bin, was ich immer mal wieder vergesse ... Ein tiefes, erleichterndes Lachen verbindet Sabine und mich.


Dieser Artikel erschien in der Ursache\Wirkung №. 100: „Sexualität und Achtsamkeit"

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Mir ist klargeworden, dass unsere Yonis, unsere Lingams und unsere Herzen schon immer heil sind und ewig heil bleiben. Auch, dass wir uns und unser inneres Zuhause niemals verlieren können. Wir können nur vergessen, dass das alles schon da ist. Ich habe das oft gehört und gelesen, aber an diesem Wochenende habe ich es so tief und noch einfacher, mit noch weniger Tun erfahren, klar und schlicht. Und ich fühle mich so sehr bei mir.

Susanne Dicken, geboren 1963, ist Heilpraktikerin, Psychotherapeutin sowie Paar- und Sexualtherapeutin. Sie entwickelte eine ganz eigene Art der achtsamkeitsbasierten Körper- und Psychotherapie. www.susanne-dicken.de
 
Tipp zur Vertiefung: Susanne Dicken, Liebe, Lust und Achtsamkeit – Sexualität bewusst genießen. Scorpio Verlag 2016

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Kommentare  
# Peter Backhaus 2023-07-10 11:02
Ich wünschte, ich hätte diesen Artikel schon vor 70 Jahren gelessen und verinnerlicht.
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# Siegmund Appl 2023-07-12 13:47
Ich spüre in mir Eifersucht. Und Traurigkeit. Weil ich das Gefühl habe, dass mir als Mann diese Tiefe des Erlebens, solcherart tiefgehende Erfahrung, ein Weg, gegangen im sein-Lassen bis hin zu einem derartigen Raum, der sich öffnet, versagt bleibt.
Meine innere Frau und mein innerer Mann (und wohl auch mein inneres Kind) sehnen sich nach eben solchen tiefen - befriedigenden und im Besonderen auch befriedenden - Erfahrungen.

Und: Ich wünsche mir für mich selbst und für die Frau in meinem Leben und Klientinnen, dass ich mich als bedingungslos Gebender derartig tief hingeben kann, um diese Erfahrung für die Frau, die sich mir öffnet, zu ermöglichen.
Dazu werde ich mich ab jetzt auf die Reise begeben ...

Danke für diesen Beitrag, die Impulse, die diese Zeilen in mir ausgelöst haben.
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