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Leben

Unser Leben verändert sich ständig. Doch warum ist es oft so schwer, den Wandel zu akzeptieren?

Wenn Sie zurückdenken, wie Ihr Leben vor fünf Jahren, zehn Jahren oder zwanzig Jahren ausgesehen hat, werden Sie vermutlich zustimmen, dass die Welt sich spürbar gedreht hat und auch Sie selbst sich verändert haben. Veränderungen und eine gewisse Unbeständigkeit im Leben sind normal. Nicht nur die buddhistischen Weisheitslehren betonen unermüdlich, dass alles, was entsteht, in Bewegung bleibt und wieder vergeht. Auch ein Zeitgenosse des Buddha, der griechische Philosoph Heraklit, erkannte, dass ‚alles fließt‘ und man ‚nicht zweimal in denselben Fluss steigen‘ kann, weil das Wasser des Flusses unermüdlich weiterfließt – ebenso wie der gesamte Strom des Lebens. Und auch wer in einem Fluss badet, sagt Heraklit, verändert sich mit jedem Moment und ist, bildlich gesprochen, selbst wie ein Fluss von Gedanken und Gefühlen, körperlichen Empfindungen und Rhythmen, die kommen und gehen. 

Veränderungen und eine gewisse Unbeständigkeit im Leben sind normal.

Die Verschiebungen sind fein, aber sie sind da. „Zum Glück!“, möchte man eigentlich ausrufen. Stellen Sie sich vor, das Leben wäre nicht im Fluss, sondern alles würde so stehen bleiben, wie es ist. Keine Bewegung, keine Entwicklung, kein Sonnenlauf, keine Jahreszeiten, keine Kinder, keine Alten, keine Geburtstage, keine Abschiede, keine neuen Begegnungen. Können Sie sich das ausmalen? Vermutlich nicht!
Doch warum empfinden wir Veränderungen eigentlich oft als so anstrengend? Einen Umzug erleben die meisten Menschen als stressig – selbst wenn sie nur ein oder zwei Stadtteile weiter ziehen. Ein Jobwechsel kann regelrecht zur Nervensache werden, bis man sich in der neuen Umgebung eingearbeitet hat. Und die ersten Jahre als Eltern sind oft nicht nur von Freude über das schnuckelige Baby geprägt, sondern auch von Anstrengung und einer gewissen Unsicherheit. Was ist es, dass wir uns oft mit Wandel und Veränderungen im Leben so schwertun?

Was uns Angst macht
Veränderungen befördern uns aus den vertrauten Bahnen auf eher unbekanntes, fremdes Terrain. Wir kennen uns vorübergehend nicht mehr richtig aus. In Zeiten, in denen sich spürbar etwas in unserem Leben verändert, werden wir uns zeitweilig sogar selbst etwas fremd. Nach einem Umzug fühlt man sich anders als in der alten, vertrauten Wohnung. Die neue Umgebung wirkt sich auf subtile Weise aus auf unsere Identität, unser Ich-Gefühl, sodass wir uns selbst nicht mehr genauso ‚anfühlen‘ wie bisher. Das kann irritieren. Menschen, die ihre vertraute Heimat verlassen (mussten), sind vorübergehend sehr intensiv mit dieser Art von Verunsicherung ihrer Identität konfrontiert. Erst mit der Zeit wird man mit der neuen Umgebung, mit der neuen Lage vertraut, weil man diese – und sich selbst darin – immer häufiger wiedererkennt. Aber auch weniger dramatische Veränderungen können ein gewisses Maß an Verunsicherung mit sich bringen. Neue Situationen mit veränderten Abläufen und Umgebungen erfordern, dass wir uns anpassen. Und genau hier liegt eben auch einer der wichtigsten Gründe, warum wir Lebensveränderungen oft als anstrengend empfinden: Sie werfen Fragen auf, die unser Gefühl von Sicherheit und Identität betreffen. Fragen wie: Wer bin ich? Was wird aus mir? Worauf kann ich vertrauen, auf wen mich verlassen?

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Jegliches hat seine Zeit
Die Themen und Aufgaben, die sich im Laufe von Veränderungsprozessen stellen, sind nicht alle zum gleichen Zeitpunkt zu lösen. Keiner kann das, weil es objektiv unmöglich ist. Alles hat seine Zeit und bestimmte Perspektiven und Antworten, die man sich vielleicht jetzt schon so dringlich herbeisehnt, zeigen sich oft erst allmählich. Doch wir können uns immer nur mit den Themen und Dingen auseinandersetzen, die jetzt schon greifbar und planbar sind. Die übrigen Dinge behalten wir im Blick und vertrauen darauf, dass die Zeit sie reifen lässt.
Im Alten Testament predigt Salomon in poetischer Weise: „Ein jegliches hat seine Zeit, und alles Vorhaben unter dem Himmel hat seine Stunde. Geboren werden hat seine Zeit, sterben hat seine Zeit; pflanzen hat seine Zeit, ausreißen, was gepflanzt ist, hat seine Zeit …“ Meiner Auffassung nach beschreibt Salomon damit sogar mehr als die Vergänglichkeit aller Dinge. Er deutet an, dass es Phasen und Zyklen gibt: Es gibt eine bestimmte Zeit im Jahr, da sind die Bedingungen optimal, um zu pflanzen, und es gibt eine Zeit, in der geerntet werden kann. Doch ist es nicht möglich, im Frühling reife Früchte einzufahren. Es geht also nicht nur um Wandel und Vergänglichkeit, sondern auch darum, ein Gespür für den richtigen Zeitpunkt zu entwickeln.

Die Stille, die alles trägt
Salomon verweist noch auf eine weitere Dimension, die allem innewohnt und vielleicht unsere tiefsten Erfahrungen berührt. Diese Ebene ist ebenso offensichtlich wie verborgen und nicht getrennt von der fließenden Qualität des Lebens, die hinter Wandel und Vergänglichkeit steht. Salomon sagt, Gott habe den Menschen die Ewigkeit in ihr Herz gelegt , und deutet damit etwas an, was man im buddhistischen Kontext so beschreiben kann: Inmitten des Wandels trägt uns eine ursprüngliche und unvergängliche Stille. Es gibt in ihr kein Kommen und Gehen, sondern nur eine stille, klare Wachheit. Diese Erfahrung haben Sie möglicherweise schon gemacht, ohne sie weiter zu beachten oder irgendwie einzuordnen. Einige Menschen berichten von entsprechenden Erlebnissen in der Natur, die in diese Richtung deuten, beispielsweise während einer Zeit, die sie in den Bergen, im Wald oder in der Wüste verbracht haben, ohne viel zu reden. Der sonst oft so geschäftige Geist wird wunderbar ruhig und erkennt seine ursprüngliche Offenheit – fast ist es, als käme man endlich nach Hause. Selbstvergessen spürt man, dass alles auf eine unfassbare Weise getragen ist. Diese Erfahrungen können ein tiefes Gefühl von Glück erwecken, die Erfahrung, trotz allen Wandels immer zu Hause zu sein. Dies löst noch nicht die konkreten Herausforderungen des Alltags oder einer Krise, aber es ermutigt uns, den anstehenden Themen aus einem gesunden Grundvertrauen heraus einen Stellenwert zu geben, der angemessen ist und weniger stressbetont.

Veränderungen befördern uns aus den vertrauten Bahnen auf eher unbekanntes, fremdes Terrain.

Selbstfürsorge
Wie wir eine Umbruchsituation erleben, hängt davon ab, mit welcher inneren Haltung wir den immer wieder auftretenden Veränderungen im Leben begegnen. In der buddhistischen Geistesschulung ist es eine der wichtigsten Übungen, eine Haltung zu entwickeln, die von grundlegend gutem Willen und Mitgefühl gegenüber sich selbst und anderen bestimmt ist. Man entwickelt ein seelisches Fundament, indem man lernt, auf sich zu achten und auf eine entspannte Weise gut für sich zu sorgen. Daraus erwächst auf ganz natürlichem Weg auch eine respektvolle und mitfühlende Haltung gegenüber anderen.
Selbstmitgefühl ist etwas anderes als Selbstmitleid, das eher ein wehleidiges Gefühl ist. Auf die Dauer ist Selbstmitleid wenig konstruktiv, denn es nährt die Überzeugung, dass die Welt ein ungerechter Ort ist und wir nichts daran ändern können. Durch diese Brille schaut alles negativ aus. Demgegenüber fördert Selbstmitgefühl ein positives inneres Klima, das es uns ermöglicht, Geduld und Vertrauen zu entwickeln. Gerade in schwierigen Zeiten oder wenn größere Veränderungen anstehen, sorgt die Haltung des Selbstmitgefühls dafür, dass wir uns nicht überfordern oder vernachlässigen. Manchmal wird Selbstmitgefühl auch verwechselt mit Selbstsucht oder Eigenliebe. Doch auch hier besteht ein großer Unterschied. Selbstsucht und Eigenliebe basieren auf einem stark ichbezogenen Denken und stellen in geradezu rücksichtsloser Weise die eigenen Interessen in den Mittelpunkt. Selbstmitgefühl dagegen lässt sich eher daran erkennen, dass man eine grundlegend friedliche und fürsorgliche Haltung gegenüber sich selbst kultiviert, ohne dass andere dabei außer Acht gelassen werden. Umbrüche, Erschütterungen oder andere drohende Schwierigkeiten führen dann nicht dazu, dass man sich selbst unnötig vernachlässigt.
Ein freundschaftlicher Umgang mit sich selbst entlastet nicht nur, sondern verschafft auch mehr inneren Spielraum, um sich mit den Themen, die mit dem Wandel verbunden sind, auseinanderzusetzen.

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Tipp zur Vertiefung:
Tineke Osterloh, Stark im Wandel. Lebensveränderungen annehmen und aktiv gestalten. GU Verlag, 2017


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Bilder © Pixabay

Tineke Osterloh

Tineke Osterloh

Tineke Osterloh lebt in Hamburg und unterrichtet seit mehr als 15 Jahren buddhistische Meditation und Weisheitslehren. Sie hat übers 25 Jahre Vipassana-, Metta-, und Zen-Meditation praktiziert und hat in dieser Zeit vier Jahre in buddhistischen Meditationshäusern in England und Südafrika gelebt. ...
Kommentare  
# Sandra Walter 2018-11-16 09:52
Neues ist immer aufregend und bringt wie Frau Osterloh so schön sagt auch viel Unsicherheit. Aber ohne Veränderung wäre das Leben ja langweilig.
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