„Wer kann heute einkaufen gehen? Wir brauchen unbedingt Milch und Müsli.“ Timo muss zur Sportakrobatik gefahren werden, Tina hat Geigenunterricht. Der Vater der beiden spielt mit seinen Kollegen Handball, die Mutter wiederum geht montags immer zu ihrer Meditationsgruppe. Das ist Alltag.
Wer bringt das Auto in die Werkstatt? Wer repariert die Lampe und leert den Mülleimer aus? Die Kinder wachsen aus den Schuhen, die Eltern drehen sich im Kreis. Der Alltag ist gepflastert mit Widerständen, mit Nichtwollen, Nichtmögen und Dennoch-machen-Müssen. Letztlich stellen sich immer wieder die Fragen, mit welcher inneren Haltung wir dem Alltäglichen begegnen und woran wir uns mit Hingabe abschuften. Man kann sich im Gewusel von Erwartungen und Verpflichtungen verlieren oder beizeiten eine innere Ausrichtung üben, die es einem ermöglicht, mit einem gewissen Überblick durch Stromschnellen zu steuern, um dann die ruhigeren Gewässer zu genießen.
Wie drückt sich meine spirituelle Lebenseinstellung im Umgang mit dem Alltäglichen aus? Die meisten Menschen sagen immer, sie wollen Zeit für die Familie und Freunde haben und nicht ständig wie in einem Hamsterrad durchs Leben laufen. Wir möchten anderen in die Augen schauen, ihnen wirklich zuhören, sie sehen und nicht immer nur aneinander vorbeireden. Wir wünschen uns, jeden Tag zu lachen und uns auch an kleinen Dingen zu erfreuen. Wie können wir dem Gewöhnlichen mit liebevoller Aufmerksamkeit begegnen und den Alltag so als Übungsfeld gestalten, dass wir daran wachsen und den eigenen Horizont jeden Tag ein wenig – in Liebe – erweitern?
Ein Zen-Schüler hat einmal den Meister gefragt: „Was kann das Dharma mich darüber lehren, anderen zu dienen?“ Der Abt fragte daraufhin: „Welchen anderen? Diene dir selbst!“ Der Schüler erwiderte: „Wie lerne ich, mir selbst zu dienen?“ Der Abt antwortete: „Sorge für andere!“
Der Dharma-Lehrer Kai Romhardt hat auf seiner Website www.romhardt.de wunderbare „Kontemplationen für beschäftigte Leute“ als Metta-Mottos formuliert. Es ist eine tolle Übung für jeden von uns: die eigenen Herausforderungen erkennen und für sich ein Mantra formulieren, das einen im Alltag motiviert, zum Beispiel: „Möge es mir gelingen, nach dem Aufwachen sofort aus dem Bett zu springen.“ Oder: „Möge ich täglich Momente der Stille wertschätzen und ausdehnen.“ Ebenfalls erstrebenswert wäre: „Möge ich lernen, meinen Unwillen in Wohlwollen aufzulösen.“ Oder: „Möge ich die Wege von hier nach da zur Gehmeditation nutzen.“ Sehr wichtig dabei: „Möge ich auf mein Herz hören, wenn mir alles zu viel wird.“
Dieser Artikel erschien in der Ursache\Wirkung №. 110: „Familienbande"
Meine eigenen Gedanken dazu: morgens das Motto für den Tag formulieren und es tagsüber im Inneren ganz oft leise für sich selbst wiederholen, abends vor dem Einschlafen fragen: „War das stimmig oder möchte ich morgen früh Worte finden, die den Kern noch genauer treffen?“ So kann man durch Verfeinerung und Dranbleiben ein Motto finden, das über längere Zeit die innere Einstellung zum Alltäglichen wohltuend ausbalanciert und uns darin unterstützt, Lebenskunst im Alltag zu praktizieren.
„Mögest du den Witz im Alltag finden.“ Oder: „Mögest du trotz aller Widrigkeiten nicht aus dem Staunen herauskommen.“ Und vor allem: „Mögen alle Wesen glücklich sein.“
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