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Diskurs

Die wichtigsten Weltwährungssysteme stehen unmittelbar vor dem Zusammenbruch. Doch dies ist kein Zufall und keine Naturkatastrophe – es war vorhersehbar und geschieht auch nicht zum ersten Mal. Eine Ursachenanalyse und Navigationshilfe.

Spätestens seit 1971, dem Ende der goldgedeckten Währungen US-$ und britisches Pfund, besitzt das Geld, also die Münzen und Scheine, mit denen wir täglich bezahlen, keinen Wert mehr. Und dennoch reden Ökonomen und Politiker vom ‚Wert des Geldes', z.B. im Zusammenhang mit Inflation oder mit Wechselkursen. Wie kann aber ein Stück Papier aus der Druckerpresse oder eine Folge von Zeichen in einem Bankcomputer einen Wert besitzen? Weshalb argumentieren Politiker und Ökonomen in diesem Zusammenhang so klar gegen den klaren Hausverstand der Bevölkerung? Sind die einfachen Menschen nicht gebildet genug, einen ‚Wert' in so banalen Dingen wie Papier oder Bits und Bytes zu erkennen, oder irren hier die Stellvertreter der Eliten? Bevor die Ursachenanalyse des bevorstehenden Zusammenbruchs stattfinden kann, gilt es zunächst, diese Widersprüche aufzuklären.

Im Mittelalter begannen Königshäuser, die Krieg führen wollten, sich bei ihren Goldschmieden zu verschulden. Diese besaßen ja in ihren Tresoren das Gold der wohlhabenden Teile der Bevölkerung und sie waren auch bereit, dieses gegen Zinsen zu verleihen, wobei sie die wahren Eigentümer mit einem geringen Anteil am Zinsertrag beteiligten. Da sie jedoch bald bemerkten, dass im Durchschnitt nur jeder Zehnte ihrer Kunden tatsächlich wieder sein physisches Gold abholte, begannen sie, zehn Mal so viele Depotscheine auszugeben, als sich Gold in ihren Tresoren befand. Da die Menschen auf den Märkten einfach die Depotscheine weiterreichten, ohne dazu das physische Gold noch zu benötigen, funktionierte das System auch scheinbar vorteilhaft für alle Beteiligten. Als die Könige ihre Kriegsschuld nicht bezahlen konnten, kamen ihnen die Goldschmiede ‚großzügig' entgegen, indem sie ‚bloß' das Recht auf die Herausgabe des gesetzlichen Geldes forderten, was ihnen auch prompt bewilligt wurde. Seit dieser Zeit werden mehr Zettel gedruckt, als Werte vorhanden sind, das sogenannte Mindestreserveprinzip war geboren. Dieses gestattet es den Kreditinstituten weltweit, nur einen kleinen Anteil an Liquidität vorzuhalten und den Löwenanteil der Kredite einfach ohne Gegenwert (‚aus Luft', sog. fiat money) zu ‚schöpfen'.

Seit Einführung der Computer kann diese Technik besonders komfortabel, einfach als Buchungssatz ‚Forderung Kreditnehmer an Verbindlichkeit gegenüber Kreditnehmer', ausgeführt werden. Alles Geld ist seit damals selbst, schon durch seine Entstehung, wiederum nur eine verzinste Schuld. Für die Gläubiger (die Gelderfinder) ist dies ausgesprochen praktisch, da sie Zinsen einfach dafür erhalten, dass die Zeit vergeht. Da das im Kredit geschaffene Geld jedoch vor der Kreditvergabe überhaupt nicht existierte, ist auch das Kreditrisiko in Wahrheit gleich null. Wenn also eine Bank im Euro-Raum (wo ein Mindestreservesatz von 2% existiert) einen Kredit zu 6% Zinsen vergibt, so ergibt sich aus Sicht der Bank folgende Berechnung: Wirtschaftliches Risiko liegt keines vor, da das Geld ja im Kredit selbst erschaffen wird (durch den obgenannten Buchungssatz); die eingesetzten Mittel betragen 2% der Kreditsumme (= Mindestreservesatz). Bei Zinsen in Höhe von 6% beträgt die Rendite daher 6% / 2% = 300%. Dreihundert Prozent Rendite bei null Risiko – das sind in der Tat verlockende Geschäfte!

Nicht bedacht werden bei dieser Praxis jedoch die Folgen für den Schuldner. Zunächst ist festzustellen, dass die für die Bezahlung der Zinsen erforderlichen Zahlungsmittel von der Bank einfach nicht erzeugt werden. Um sie zu erlangen, muss der Kreditnehmer im Wirtschaftskreislauf andere Geschäftspartner berauben, um aus deren Kreditsumme jenen Betrag abzuziehen, den er selbst als Zinsen seiner Bank schuldet.

Um das Problem voll und ganz zu verstehen, ist folgende kleine Geschichte hilfreich:

Auf einer sonnigen Insel leben zehn Menschen friedlich zusammen in arbeitsteiliger Wirtschaft, ohne Geld zu benötigen. Da besucht sie ein moderner Geschäftsmann mit einem Koffer, in dem sich 100 Goldstücke befinden, und beginnt, ihnen zu erklären, wie rückständig ihr Wirtschaftssystem doch sei. Er ist jedoch bereit, jedem Einzelnen von ihnen je 10 Goldstücke zu leihen und will diese dann erst nach einem Jahr mit 10% Zinsen zurückfordern. Danach verlässt er die Insel. Die Inselbewohner, welche selbst weder über Gold noch die Möglichkeit zur Erzeugung oder Beschaffung von Goldstücken aus anderen Quellen verfügen, sollten nun eigentlich erkennen, dass nach einem Jahr für die ganze Insel 110 Goldstücke fällig werden, ihr ‚Gönner' ihnen jedoch nur 100 Stück zur Verfügung stellte. Wenn er zugleich das Monopol zur Geldschöpfung besitzt, dann gibt es in diesem Betrugsmodell nur zwei Lösungsansätze: Entweder ein Mitbewohner muss alle seine Goldstücke verlieren (also in Konkurs gehen), damit die anderen ihre Zinsen bezahlen können. Dies ist die Lösung für die Privatwirtschaft, man nennt sie in unserem politischen System ‚gesunder Wettbewerb'. Oder die Inselbewohner benötigen im nächsten Jahr einen neuen Kredit, um die Zinsen für den alten Kredit zu bezahlen. Da dieser jedoch wieder verzinst sein wird, werden die Schulden endlos ansteigen, bis das System irgendwann im Crash implodiert. Dies ist die Lösung für die Gebietskörperschaften, also Gemeinden, Länder und ganze Staaten, die ja nicht auf einem Markt Produkte verkaufen, sondern ihre Zuflüsse als Steuern ihrer Bevölkerung entreißen bzw. abpressen müssen. Sowohl Konkurse und Wirtschaftszyklen als auch der Zusammenbruch der öffentlichen Haushalte besitzen somit eine einzige, gemeinsame Ursache: die Geldschöpfung in privater Hand (durch die privaten Geschäftsbanken) als verzinster Kredit (= als zinsbelastetes Schuldgeld).

Abgesehen von dieser offensichtlichen Absurdität muss jedoch festgehalten werden, dass kein Geldsystem, das auf dem Kreislauf einer endlichen Anzahl werthaltiger Objekte beruht, jemals zu einem fairen, gerechten Wirtschafts- und Gesellschaftssystem führen kann. Dies kann am einfachsten verstanden werden, wenn man es sich am Beispiel von Kartenspielen überlegt. Hier unterscheiden wir Nullsummenspiele und Nicht-Nullsummenspiele. Bei Nullsummenspielen entspricht der Gewinn des Siegers immer genau dem Verlust der Verlierer, d.h. die Summe aus Gewinnen und Verlusten beträgt immer Null. Ein populärer Vertreter für diese Variante ist Poker: The Winner Takes It All – der Sieger erhält alle Einsätze der Verlierer, er gewinnt, was die anderen verlieren. Es gibt jedoch auch Nicht-Nullsummenspiele unter den Kartenspielen. Ein Beispiel dafür ist Wizard (engl. für Zauberer). Hier erhalten zunächst alle Mitspieler ihr Blatt, danach wird eine Trumpffarbe aufgedeckt. Sodann müssen alle Spieler der Reihe nach bekannt geben, wie viele Stiche sie mit ihrem Blatt und dieser Trumpffarbe in dieser Runde machen werden. Wenn ihnen dies tatsächlich gelingt, erhalten sie für jeden Stich einen Bonus und zusätzlich noch eine Prämie. Gelingt es ihnen jedoch nicht, d.h. sie machen zu wenige oder zu viele Stiche, dann erhalten sie ausschließlich Strafpunkte für die Unter- oder Überstiche. Man sieht sofort, dass hier die Summe der Belohnungs- und Strafpunkte niemals genau Null ergeben. Ein Spieler, der z.B. zwei Stiche angesagt und diese bereits gemacht hat, der wechselt sofort zu kooperativem Spiel, d.h. er wird den anderen Spielern nach Möglichkeit die restlichen Stiche überlassen, da er ja danach trachten wird, seinen Spielkontrakt zu erfüllen. Wenn in diesem Spiel jedoch bei zehn Stichen und fünf Mitspielern alle zwei Stiche ansagen und ihre Ansagen auch tatsächlich erfüllen, so ist unmittelbar einsichtig, dass die Prämien in einem Nullsummenspiel überhaupt nicht ausgezahlt werden könnten, da ja alle Spieler belohnt werden müssen und man niemandem die Punkte ‚wegnehmen' könnte, die allen anderen zustehen. Was wäre denn aber eine schönere Aufgabe für ein gerechtes Geldsystem, als alle ‚Spieler' dafür zu belohnen, dass sie sich an ihre Verträge halten? Genau dies ist aber in Nullsummenspielen nicht möglich, da im besten aller Fälle, wenn tatsächlich alle Mitspieler belohnt werden sollen, weil sie sich an ihre Verträge gehalten haben, niemand zur Verfügung steht, dem die dafür erforderlichen Punkte ‚weggenommen' werden könnten. Ein gerechtes, faires Geldsystem kann daher niemals als Nullsummenspiel ausgestaltet werden!

Die menschliche Gesellschaft ist aber leider geradewegs durchsetzt mit Nullsummenspielen, welche ausschließlich dazu dienen, einzelne Gruppen der Bevölkerung gegeneinander aufzubringen und Konflikte zu erzeugen bzw. zu steuern. Nicht nur das Geldsystem funktioniert nach diesem Prinzip, sondern auch das Parteiensystem der sogenannten repräsentativen Demokratien. So wie Unternehmen am Markt nur erfolgreich sein können, wenn sie ihren Mitbewerbern die Kunden wegnehmen, so können auch politische Parteien nur zulasten ihrer Konkurrenten gewinnen, indem sie diesen Wählerstimmen abjagen. Es handelt sich hier um die gleichen Nullsummenspiele, die Unternehmen und Politiker auf dem Rücken derselben Bevölkerung austragen. Dies ist auch der Grund, weshalb Unternehmer und Politiker einander so gut verstehen: Sie spielen dasselbe Spiel mit derselben Bevölkerung nach den gleichen Regeln – verwenden dabei nur andere Bezeichnungen wie ‚Unternehmen' oder ‚Partei' bzw. ‚Kunde' oder ‚Wähler'. Unternehmer und Politiker spiegeln sich hier gegenseitig und bestärken sich wechselseitig darin, dass offenbar diese Art von Nullsummenspiel ‚die Wirklichkeit' darstellt, die eben die einzige sei und die man daher einfach nicht ändern könne.

 


Dieser Artikel erschien in der Ursache\Wirkung №. 76: „Gier"

Geld


Tatsächlich trifft nichts von alledem zu. Geld kann von der Bevölkerung selbst (heute vorzugsweise elektronisch) jederzeit nach beliebigen Regeln erzeugt, verteilt und wieder vernichtet werden – Voraussetzung ist nur ein möglichst breiter Konsens quer durch die gesamte Gesellschaft. Und selbstverständlich ist auch eine Gesellschaft ohne jedes Geld (und damit ohne Tauschvorgang) denkmöglich, wenngleich die meisten Menschen der heutigen Gesellschaft dafür noch nicht reif genug sein dürften. Aus diesem Grund empfiehlt sich bis dahin eine Form von gemeinschaftsnützlichem Geld, das die Menschen zu ihrer geistigen Reife bringt und zur Entfaltung des vollen menschlichen Potenzials beiträgt. Ein solches Geld wäre als bloße Zahl ohne Eigenwert (als wertfreie Dokumentation realwirtschaftlicher Leistung mit Kaufkraft) einzurichten und ausschließlich für menschliche Leistungen und nicht mehr als Preis für tote Materie zu verwenden. Im Rechnungskreis der menschlichen Leistung würden Mitmenschen dafür belohnt, dass sie herausragende Ideen sowie spezifische Fähigkeiten entwickeln, die sie zum Nutzen der Allgemeinheit in die Gesellschaft einbringen. Die tote Materie würde nach ihren funktionalen Parametern in einem separaten Rechnungskreis verwaltet und nach dem Prinzip der maximalen Befriedigung der Produktionsanforderungen verteilt. Junge, Kranke, Alte werden in dieser Gesellschaft jederzeit gepflegt und unterstützt, einerseits, weil dies als menschliche Leistung besonders hoch entlohnt würde, andererseits jedoch auch deshalb, weil Menschen, die im idealistischen Bildungssystem dieser neuen Gesellschaft sozialisiert werden, mit Begeisterung andere betreuen würden, da es für sie eine Chance wäre, Menschen in besonderen Lebensphasen zu erleben und aus ihren Erfahrungen und Einstellungen für ihr eigenes Leben Nutzen zu ziehen.

Nicht das Eigentum wäre wichtig, sondern die Fähigkeiten. Nicht ‚Shoppen' wäre das liebste Hobby, sondern Helfen, Bauen und Lernen. Vom Haben zum Sein, vom Ich zum Wir, vom verzinsten Schuldgeld zum Leistungsgeld mit Grundeinkommen und geistigem Wachstum: Das ist der Weg, den viele Menschen heute gehen wollen, nicht nur für sich alleine, sondern auch für ihre Kinder und die Kinder aller anderen Menschen, die dann in Kooperation und nicht mehr in Konkurrenz aufwachsen würden. Weder Stress noch Arbeitslosigkeit noch Krieg oder Umweltzerstörung wären eine ‚Quasi-Notwendigkeit'. Der Mensch hätte endlich seine Bestimmung erkannt und würde sie freudig leben!

Franz Hörmann, geb. 1960, ist außerordentlicher Universitätsprofessor für Unternehmensrechnung am Institut für Revisions-, Treuhand- und Rechnungswesen an der Wirtschaftsuniversität Wien und zusätzlich seit 2001 Gastprofessor am Institut für Wirtschaftsinformatik (Communications Engineering) an der Johannes Kepler Universität Linz.
Bilder © Pixabay
Kommentare  
# Henning Papendor 2016-04-26 11:48
Danke für Ihre ausführliche Beschreibung zum Geldsystem. Ich habe hier in Peru die Erfahrung gemacht, dass es noch viele zufriedene Menschen gibt, die in ihrer Heimat ohne Geld leben. Leider findet man diese Menschen nur noch in den abgelegenen Randzonen der Urwälder und Wüsten. Das Leben kann so einfach sein, im Einklang mit der Natur zu leben.
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# Kurt Polletin 2016-04-26 11:49
BRILLANT!Man könnte die gegenwärtige Situation mit verschwindend geringen Zinsen (zumindest vonseiten der Zentralbanken) als Annäherung an diese schöne neue Welt von Professor Hörmann ohne Wachstumszwang zur Erwirtschaftung der (WUCHER-)Zinsen betrachten. Der nächste Schritt zur Wandlung unseres Giralgeldes zum funktionalen Voll-GELT könnte meines Erachtens dann sein, dass ‚brachliegendes Geld‘ (Sicht- und Termineinlagen als unproduktiv bei der Bank geparkte Gelder) mit jedem Jahr der ‚Unproduktivität‘ steigende STRAF=NEGATIV=Zinsen abgezogen bekommt.
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# Kurt Polletin 2016-04-26 11:49
So werden Investoren, die geborgtes Geld in Realwirtschaftsschöpfung wandeln, mit idealerweise Nullzinsen und funktionalen GELT-Prämien belohnt, während mit Ausnahme eines sinnvollen, mit dem Lebensalter einer Person wachsenden Rücklagenbetrages alle ‚HORTER‘ von Geld für ihr unproduktives BUNKERN im Zeitablauf progressiv bestraft werden.
VIEL ERFOLG und RASCHE VERBREITUNG des begeisternden Gedankengutes wünsche ich Ihnen, Herr Hörmann!!
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# HENNING Papendorf 2016-09-25 18:40
Danke für Ihre ausführliche Beschreibung zum Geldsystem. Ich habe hier in Peru die Erfahrung gemacht, das es noch viele zufriedene Menschen gibt, die in ihrer Heimat ohne Geld leben. Leider findet man diese Menschen nur noch in den abgelegenen Randzonen der Urwälder und Wüsten. Das Leben kann so einfach sein im Einklang mit der Natur zu leben. LG HENNING Papendorf.
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