Österreichs bekanntester Medizinjournalist, Hans Weiss, über die Machenschaften der Pharmaindustrie und warum auch sein Gewerbe vor Bestechung nicht sicher ist.
Wie entscheidet ein Arzt eigentlich, ob eine bestimmte Impfung notwendig ist?
Ein Arzt hat die Verpflichtung, zuallererst an das Wohl des Patienten zu denken. Im Prinzip kann ein Arzt Ihnen empfehlen, was er will – wenn er der Überzeugung ist, dass es das Richtige ist bzw. wenn er es belegen kann. Darüber hinaus gibt es noch sogenannte Leitlinien. Das sind Behandlungskonzepte, die von hochrangigen Ärzten erstellt wurden, um eine Orientierung für niedergelassene Ärzte zu bieten. Leitlinienärzte sind bevorzugte Zielobjekte der Pharmaindustrie und haben häufig lukrative persönliche Beraterverträge mit Pharmafirmen. Da bleibt die ärztliche Unabhängigkeit und Objektivität oft auf der Strecke.
Wie steht es um die Objektivität der Medizinjournalisten?
Nicht sehr gut. Auf das, was Medizinjournalisten schreiben, kann man sich in den meisten Fällen nicht verlassen. Viele von ihnen lassen sich von Pharmafirmen genauso gerne zu Symposien in luxuriösen Reisedestinationen einladen wie manche Ärzte. Sogar im angeblich seriösen Nachrichtenmagazin ‚Der Spiegel' erscheinen gelegentlich Artikel über Medikamente, die man nur als Firmenwerbung bezeichnen kann. Beispielsweise gab es im Jahr 2006 eine Lobeshymne auf das Schlankheitspräparat ‚Acomplia', das dann wegen der Nebenwirkungen – es gab eine Reihe von Selbstmorden – im Herbst 2008 wieder vom Markt genommen werden musste. In den USA wurde dieses Medikament übrigens nie zugelassen. Ein großes Problem sind auch die Zulassungsbehörden. Die Europäische Zulassungsbehörde für Medikamente mit Sitz in London (EMEA) etwa wird zu zwei Drittel von den Pharmafirmen finanziert und nur zu einem Drittel von der EU. Außerdem untersteht sie nicht dem Kommissar für Konsumentenschutz, sondern dem Kommissar für Wirtschaft – dementsprechend werden dann auch Medikamente zugelassen, die wegen ihres fragwürdigen Nutzens gar nicht zugelassen werden dürften.
Hat dieses Verhalten für Pharmafirmen irgendwelche Konsequenzen?
In Europa passiert überhaupt nichts. Hier können die Firmen schalten und walten, wie sie wollen. In Amerika sieht es da anders aus; dort wird der Konsumentenschutz ernster genommen. Dort werden Firmen regelmäßig wegen illegaler Vermarktungspraktiken und Vertuschung von Nebenwirkungen in Milliardenhöhe verklagt und müssen zahlen. Trotz dieser horrenden Strafen lohnt sich dieses ‚Spiel'. Alle im Buch ‚Korrupte Medizin' beschriebenen großen Pharmakonzerne sind notorische Gesetzesbrecher.
Welche Rolle spielt hierbei das Gesundheitsministerium?
Nur ein Satz: Das Gesundheitsministerium stellt sicher kein großes Gegengewicht zur Pharmalobby dar.
Welche Möglichkeiten hat der Patient?
Natürlich sollte man immer versuchen, möglichst objektive Informationen zu bekommen – und das ist sicher nicht einfach. Wann immer Sie mit einem Arzt zu tun haben, fragen Sie einfach nach, wenn Sie Zweifel haben. Ein guter Arzt sollte seinen Patienten als mündiges Gegenüber sehen und ernst nehmen. Als Patient haben Sie ein Recht darauf, dass Sie der Arzt über alle Behandlungs- und Verfahrensstrategien aufklärt.
Sehr guter und zutreffender Artikel .
Durch die maßlose Gier nach Profitmaximierung, ist der Pharmaindustrie und deren gekauften Ärzten, Politikern und Medizinjournalisten, Ethik und Moral scheißegal.